Meinungen aus der Generation 65+
"Das Schwerste ist die Einsamkeit"
Im Bezirk Baden lebten laut Statistik Austria im Vorjahr 146.203 Menschen. 28.532 Menschen davon sind älter als 65 Jahre. Diese splitten sich wiederum in 21.789 bis 80-Jährige und 6.743 über 80-Jährige. Insgesamt sind das etwa so viele Menschen wie in der Stadt Baden und in Pfaffstätten leben. Laut Statistik Austria lebt etwa ein Drittel der Personen ab 65 allein, bedingt durch Scheidung oder Tod des Lebenspartners. Wie geht es ihnen in Corona-Zeiten? Wir spüren einer Stimmung nach und wollen auch für diese Gruppe da sein.
BEZIRK BADEN. Sehr viel zu tun hat derzeit der Obmann des 500 Personen starken Badener Seniorenbundes, Gemeinderat Leopold Habres. Täglich frühmorgens verfasst er an rund 250 Mitglieder ein E-Mail mit Neuigkeiten ("Der Bürgermeister berichtet mir jeden Tag"), Erlebnissen, Verhaltensvorschriften und Hilfsangeboten.
Tagestratsch per E-Mail
Mit anderen Worten: Er eröffnet den Tagestratsch, und in der Folge ist er - altersbedingt auch zum Daheimbleiben angehalten - den ganzen Tag beschäftigt. Denn: "Es ist unglaublich, wieviel ich da an Antworten zurückbekomme. Und die, die kein E-Mail haben, lesen sich dann vor." Das Hauptthema der älteren Generation ist nicht die Angst vor der Ansteckung, sondern die Angst vor der Einsamkeit, sagt Leopold "Hapo" Habres. Es trifft dabei vor allem Frauen - viele ab 75 bis weit über 80 sind total fit, gehen normalerweise turnen oder fahren auf Ausflüge mit oder treffen sich beim Martinek-Seniorenclub. Das alles fällt jetzt aus - und die moderne Kommunikationstechnik kann helfen. "Vor etwa eineinhalb Jahren hatten wir vorm Seniorenbund eine kostenlose Computer- und Smartphone-Schulung, das war aus heutiger Sicht gesehen ein Glück."
Helfen wir den Jungen!
Eleonore Rodler betreut eine Seniorengruppe in Pfaffstätten. "Früher beim Heurigen, jetzt per Telefon, Facebook und Internet." Sie selbst stand den modernen Medien immer offen gegenüber und sieht ihre Kinder manchmal per Video-Konferenz. "Wir versuchen viel miteinander zu lachen und hoffen, dass wir uns irgendwann bald wieder sehen. Es ist ja nicht so einfach, plötzlich eine "Risikogruppe" zu sein - etwas, an das man früher nie gedacht hätte. "Aber jetzt müssen wir unserer Jugend helfen, indem wir zuhause bleiben und die medizinischen Kapazitäten entlasten."
Wenn die Putzfrau ausbleibt
"Ich fühle mich in der Öffentlichkeit nicht mehr wohl", erzählt die bald 66-jährige Elisabeth aus Tribuswinkel. "Aber ich gehe jeden Morgen bis zu 15 Kilometer walken. Ich brauche das für meine Wirbelsäule, Massagen und sonstige Therapien fallen ja aus." Sie betreut eine Freundin im Rollstuhl und reicht ihr das Essen durchs Fenster. "Deren Putzfrau kommt nicht mehr, wie soll das weitergehen?" fragt sie sich.
"Mir fehlt langsam der Antrieb"
Und eine 73-jährige Bad Vöslauerin, selbst Hochrisikopatientin mit Mehrfach-Erkrankungen erzählt: "Wir haben uns schon seit 11. März für die Isolation entschieden, auf Anraten meines Sohnes, noch bevor seitens der Regierung die offiziellen Einschränkungen verordnet wurden. Da wurden wir belächelt, als hysterisch eingestuft. Nach zwei Wochen in der Abgeschiedenheit schleicht sich eine Art Depression ein, so viel könnte man im und rund ums Haus im Garten erledigen, aber mir fehlt der Antrieb, die Motivation."
Die 66-jährige Brigitte aus Baden ärgert sich, dass "die ältere Generation von Jungen oft als unmündig dargestellt wird. Es wird angeprangert, denunziert, verpfliffen, bespitzelt, fotografiert. Was ist das für ein Miteinander?"
"Vorsicht ja, Angst nein!"
Es gibt aber auch positive Stimmen, die sich des Lebens freuen, wie Maria Haarhofer aus Bad Vöslau:
"Ich habe keine Problem mit meinem Alter, fühle mich gut und vergesse dabei zur Risikogruppe zu gehören! Natürlich ist Vorsicht geboten, aber trotzdem keine Angst zu haben."
Wir möchten gerne der älteren Generation eine "Stimme" geben und bitten Sie, uns Ihre Gedanken und Erlebnisse eventuell mit einem Foto an gabriela.stockmann@bezirksblaetter.at zu senden.
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