"Das Auto soll keinen Sinn mehr machen"
Pendler Gerhard Tschakert zieht im Interview Bilanz über seinen Selbstversuch: Er verglich die Anreise zu seinem Arbeitsplatz mit dem Auto, mit Öffis und mit E-Bike
BEZIRKSBLÄTTER: Gerhard Tschakert, Sie haben nun drei Mobilitätsvarianten für Ihren Weg zur Arbeit von Leobersdorf nach Zwölfaxing getestet. Wie lautet das Ergebnis?
GERHARD TSCHAKERT: Am entspanntesten und am kürzesten unterwegs war ich mit dem E-Bike. Freilich empfiehlt sich diese Variante eher für die wärmere Jahreszeit, dafür aber kann man den Weg zur Arbeit in ein Stück Freizeit verwandeln. Das ist weder mit den Öffis und schon gar nicht mit dem Auto der Fall.
Warum nicht mit den Öffis?
Es zeigt sich, dass es immer schwieriger wird, mit dem Auto zum Zug zu kommen. Gerade bei uns in Leobersdorf ist das Parkdeck längst viel zu klein geworden, es muss eine Lösung her. Natürlich ist es eine Alternative, mit dem Fahrrad zum Bahnhof zu kommen und dann umzusteigen. Aber wer weiter entfernt wohnt und im Winter, wenn es früh finster wird, abends wieder heimradeln muss - das ist unrealistisch.
Was sind nun Ihre Vorschläge, um das Pendlerleben ein wenig zu erleichtern?
Eins ist klar: Die Park- und Rideanlagen gehören massiv ausgebaut, und die Menschen müssen verstärkt zur Nutzung von Fahrrädern motiviert werden. Im städtischen Raum gelingt das wahrscheinlich eher als am Land, wo die Wege weit sind. Deshalb ist es dringend nötig, die Öffis weiter auszubauen, und zwar auch in weniger dicht besiedelte Gebiete und parallel zu ohnehin schon überlasteten Öffis in Ballungsräumen.
Was sagen Sie zu der aktuellen Debatte um eine City-Maut für die Wiener Innenstadt?
Prinzipiell kann man das schon diskutieren. Ich meine aber, dass die Maut nicht zu Lasten der Pendler gehen darf. Und deshalb muss man vorher alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Individualverkehr im Auto überflüssig zu machen. Ja, das ist glaube ich das richtige Wort: Die alternativen Angebote sollten so gut sein, dass das Auto keinen Sinn mehr macht.
Was wünschen Sie sich da?
Die Badner Bahn sollte bis Leobersdorf zum Leoville/Bloomfield geführt werden. Der tägliche Stau dort ist kein Zustand mehr. Außerdem sollte die Badner Bahn ab der Stadtgrenze Wien kreuzungsfrei geführt werden, kreuzungsfrei mit der B17 sollte doch möglich sein. Die Wiener U-Bahn sollte in den Speckgürtel hinein ausgebaut werden. Das 365 Euro-Ticket für die Ostregion sollte eingeführt werden. Und auch die Wirtschaft ist gefragt: In digitalen Zeiten wie diesen sollte Home Office längst Usus sein.
Sind Sie ein Utopist?
Nein, ich sehe mich als Realist. Man muss nur als Pendler täglich unterwegs sein, dass man sieht, dass es so nicht weiter gehen kann. Es ist 5 nach 12. Es muss Antworten geben.
(Interview: Gabi Stockmann)
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