Hitler-Haus: Entscheidung muss her

Mahnstein vor dem Hitler-Geburtshaus | Foto: Archiv
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BRAUNAU (ebba). Wie berichtet, hat das Innenministerium (BMI) ein Gesetz für die Enteignung des Hitler-Hauses in Braunau in Begutachtung geschickt. Das Geburtshaus in der Salzburger Vorstadt steht zurzeit leer. Es soll enteignet werden, um zu verhindern, dass daraus eine "Pilger- oder Gedenkstätte" für Menschen mit nationalsozialistischem Gedankengut wird.

Langwierige Verhandlungen mit der Eigentümerin Gerlinde Pommer über einen Kauf der Liegenschaft waren im Vorfeld gescheitert. „Ich nehme an, sie hängt an dem Haus, weil es ein Familienerbstück ist und es ihr schwer fällt, es nach über 100 Jahren im Familienbesitz einfach aus der Hand zu geben“, mutmaßt Florian Kotanko vom Verein „braunau history“.
Die Enteignung ist laut Innenministerium die letzte Konsequenz. Das Ganze möglich machen soll ein eigenes Bundesgesetz über Enteignung der Liegenschaft. Pommer soll eine angemessene Entschädigung erhalten.

Innenminister präferiert Abriss

Innenminister Wolfgang Sobotka kann sich sogar vorstellen, das Haus nach der Enteignung schleifen zu lassen: "Für mich wäre eine Schleifung, wie beim Fritzl-Haus in Amstetten, die sauberste Lösung." Dies ist aber nicht ohne Weiteres möglich: Um ein geschütztes Objekt schleifen zu können, muss ein Verfahren zur Entlassung aus dem Denkmalschutz durchgeführt werden. Über die Zukunft des Hauses soll nun eine Historiker-Kommission beraten.

Normale vs. bedeutsame Nutzung

Im Gesetzesentwurf des BMI heißt es, dass darauf zu achten sei, "dass die besondere Aura dieses Ortes dekonstruiert und entmystifiziert wird". Über Jahrzehnte wurde das Hitler-Geburtshaus durch pädagogische und soziale Einrichtungen genützt. „Die "besondere Aura" ging dadurch jedoch nicht verloren", meint Historiker Andreas Maislinger. Der Innsbrucker bemüht sich schon seit vielen Jahren, aus dem belasteten Geburtshaus ein "Haus der Verantwortung" zu machen. Dabei handelt es sich um ein internationales Gedenk- und Friedensprojekt, das junge Menschen aus der ganzen Welt nach Braunau locken soll. Maislinger schwebt ein Haus vor, dass sich den drei Themen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft widmet. Ein Haus, in dem zukünftige und ehemalige Gedenkdiener, Friedensdiener und Sozialdiener zusammenarbeiten.

„Eine "normale" Nutzung des Hauses wird nicht dazu beitragen, dass das Haus nicht mehr mit Hitler in Verbindung gebracht wird“, sagt Maislinger. Volkshilfe und Volkshochschule gelten beispielsweise als Interessenten. Der Historiker meint, dass es mehr Sinn machen würde, dem Haus eine neue, positive Bedeutung zu geben, wie es mit dem "Haus der Verantwortung" seiner Meinung nach gelingen würde.

Im Begutachtungsentwurf des Innenministeriums heißt es unter anderem, dass mit der Enteignung "eine Möglichkeit eröffnet werden soll, durch eine positive Nutzung einen deutlichen Kontrapunkt zur historischen Stellung dieses Hauses zu setzen." Diese Formulierung könnte Maislinger in die Hände spielen.

Sollte das Haus tatsächlich enteignet werden, sparen sich Bund und Stadtgemeinde Braunau jedenfalls viel Geld. Beide zahlen Miete für das Haus. Die Ausgaben des Bundes belaufen sich dabei auf 56.023 Euro im Jahr, die der Stadt Braunau auf jährlich 28.115 Euro.

Gibt es den Hitler-Touristen?

Laut Florian Kotanko komme es darauf an, wen man fragt. „Sicherheitsbeamte werden Nein sagen, andere wiederum Ja. Ich denke, es gibt wenige, die ausschließlich wegen dem Geburtshaus nach Braunau kommen. Und nicht jeder, der vor dem Haus ein Foto macht, ist gleich ein Hitlerhaus-Tourist oder Neonazi.“

Die vormalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hatte im Juli 2015 eine interdisziplinäre Kommission beauftragt, sich mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers zu beschäftigen. Nach Ansicht dieser Kommission existiere in Österreich kein vergleichbares Objekt der Zeitgeschichte mit dieser speziellen Bedeutung. Das Haus weise demnach ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen als belastet anzusehenden Objekten auf. Symbolik und Aura dieses Ortes würden neonazistische Gruppen anziehen.

„Diesem Haus kommt viel zu viel Ehre zuteil! Hier kam der Säugling Adolf zur Welt. Unschuldig, wie alle Kinder sind. Hier hat er nur die Windeln gefüllt, aber nicht die Schlachtfelder mit Millionen Toten! Zum Verbrecher und zur Massenvernichtungsanstalt Hitler hat er sich erst später gemacht. Heuer gab es am 20. April (dem Geburtstag Adolf Hitlers, Anm. d. Red.) überhaupt keine Vorkommnisse“, betont Bezirkshauptmann Georg Wojak.

Wenn das Gesetz durchgeht

Nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Enteignung nur dann zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse in das Eigentumsrecht eingreift und nicht unverhältnismäßig und unsachlich ist. Laut Gesetzesentwurf besteht im Falle der Liegenschaft Salzburger Vorstadt 15 das öffentliche Interesse „in der dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus (…)“. Maislinger: „Ich gehe davon aus, dass das Gesetz beschlossen wird.“ Er hofft darauf, dass seine jahrelangen Bemühungen um ein „Haus der Verantwortung“ doch noch fruchten werden.

BH Wojak schlägt hingegen vor: „Das Haus sollte einer karitativ-sozialen Nutzung zugeführt werden. Etwa durch Betreutes Wohnen, Behindertenwerkstätte oder Flüchtlingsquartier.“
Kotanko: „Alles was zur Entmystifizierung des Hauses beiträgt und klar darlegt, wie viel oder wenig dieses Haus tatsächlich mit Hitler zu tun hat, soll mir recht sein. Die Geschichte des Nationalsozialismus muss hier nicht gezeigt werden!“ Auf das „Haus der Verantwortung“ von Andreas Maislinger angesprochen, meint Kotanko: „Diese Idee war zu ihrer Geburtsstunde ein wichtiges Signal. Die Zeiten und Voraussetzungen haben sich aber seither geändert.“

In einer Angelegenheit sind sich Maislinger, Wojak und Kotanko allerdings einig: Es müsse bald eine Entscheidung getroffen werden, denn der Bürger habe kein Verständnis für den bezahlten jahrelangen Leerstand des Gebäudes.

ZUR SACHE
Für ein international breites mediales Echo sorgte vor Kurzem das Ergebnis von Recherchen des Braunauer Historikers Florian Kotanko vom Verein „braunau history“. Wie dieser herausfand, war entgegen aller bisherigen Biografien Adolf Hitler nicht das vierte, sondern das dritte Kind des Ehepaares Alois und Klara Hitler. Hitler hatte also einen jüngeren Bruder. Dieser starb kurz nach seiner Geburt an „Hydrozephalus“ (sogenannter „Wasserkopf“, Anm. d. Red.). Für Kotanko stellt sich damit die Frage, ob die Behinderung von Adolfs Bruder sich möglicherweise auf seine spätere Einstellung zu Menschen mit Behinderung ausgewirkt haben könnte.

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