„Wer nichts beiträgt, bewegt auch nichts“

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BURGKIRCHEN, ÖSTERREICH (ebba). Ali Mohdesi ist Fotograf und Filmemacher. Er stammt aus dem Iran und kam als Flüchtling nach Österreich. Gemeinsam mit seinem Freund Mohsen Mehri, den er in der Flüchtlingsunterkunft in Burgkirchen kennenlernte, machte er sich Ende September zu einer ganz besonderen Reise auf. Mit dem Fahrrad legten sie mehr als 410 Kilometer zurück, um zwölf Flüchtlingsunterkünfte zwischen Obernberg und Wien zu besuchen.

Ziel: Eindrücke sammeln, Asylbewerber für demokratische Werte sensibilisieren und das Ganze auf Fotos und Film festhalten. Sieben Tage waren sie unterwegs. Um das engagierte Projekt möglich zu machen, kümmerte sich Flüchtlingshelferin Sigrid Kölblinger im Vorfeld um die notwendigen Sondergenehmigungen für die Tour mit dem Titel „Integration in Bewegung“.

Für den Fall, dass sich einmal keine Nächtigungsmöglichkeit ergab, hatten Ali und Mohsen ein Zelt dabei, das sich auch zwei Mal als nützlich erwies. Die Reise verlief ansonsten relativ problemlos. „Nur manchmal waren die Strecken dann doch recht lang und hügelig“, schnauft Ali zum Scherz. Sigrid Kölblinger und Dolmetscherin Andrea Gazor fungierten die sieben Tage hindurch als „Back Office“ – halfen, wenn die beiden Fragen hatten.

Bei ihrer Ankunft in den Heimen, wurden die Bewohner meist von den Unterkunftgebern zusammen getrommelt. Ali und Mohsen stellten den Flüchtlingen dann offene, zum Teil sensible Fragen, um eine Diskussion anzuregen. Dabei verlief ihr Besuch in keinem Heim gleich. „Manche haben sofort zugestimmt, dass wir sie filmen und Porträts von ihnen machen dürfen. Andere mussten erst motiviert werden“, so Ali.

Selbst aktiv werden

Um mit den Flüchtlingen auf Augenhöhe zu gelangen, erzählten sie ihnen, dass sie selbst auch noch den Asylwerberstatus haben. So gewannen sie das Vertrauen der Bewohner. „Wir hatten keinen Standardspruch auf Lager. Überall herrschte eine andere Energie und von der ließen wir uns lenken. Ich fragte zum Beispiel, was es in ihnen auslöst, wenn sie in den Nachrichten darüber lesen, dass Landsmänner mitunter grausame Verbrechen begehen. Dabei kam heraus, dass das viele stark belastet. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, wenn sie mit diesen Leuten in einen Topf geworfen werden. Aber es wurde auch deutlich, dass sich viele noch gar keine Gedanken darüber gemacht hatten, wie sie selber etwas dagegen tun können, so gesehen zu werden.“

Sich in den Österreicher hineindenken

Ali regte mit Fragen wie „Hat ein Österreicher Recht damit, dass er sich von uns bedroht fühlt?“ die Flüchtlinge dazu an, sich in die Rolle der Menschen in ihrem Gastgeberland hinein zu versetzen. „Nur, weil man selbst nichts Böses tut, heißt das nicht, dass man sich aus der Verantwortung ziehen kann“, ist sich Ali sicher. Wer nur zuwartet, ist zwar kein Negativfaktor, Positives leiste man dadurch aber auch nicht, meint Ali. Die Moral von der Geschichte: „Wenn sich ein Flüchtling integrieren will, genügt es nicht, neutral und unbeweglich zu sein. Er muss etwas zur Integration dazu tun!“ Im Laufe der Diskussionen haben die Asylbewerber schließlich selbst angefangen, Ideen zu kreieren, für ein gutes Zusammenleben und eine erfolgreiche Integration.

Ali und Mohsen versuchten Verständnis dafür zu schaffen, was die österreichische Gesellschaft für die Flüchtlinge leistet: „Wie wäre das in unseren eigenen Ländern? Könnten wir Flüchtlinge finanziell so unterstützen?“ Einige sollen dabei erkannt haben, was ihnen entgegen gebracht wird. So fielen Sätze, wie „Es wäre mehr als unfair, wenn wir nicht zu schätzen wüssten, was die Österreicher für uns tun“ oder „Hier schlafen wir in größter Ruhe und Sicherheit und müssen keine Angst haben, dass jeden Moment eine Bombe auf unseren Köpfen landet.“

„Es hat bei vielen Klick gemacht“

Ali zog die Diskussionsteilnehmer sogleich auch in die Verantwortung: „Jetzt, wo wir verstanden haben, dass wir hier sicher sind, sind wir auch mitverantwortlich, dass die Sicherheit in diesem Land bestehen bleibt. Das Schlimmste das passieren könnte, wäre doch, dass dieses Land eines Tages durch unser Zutun nicht mehr sicher ist. Also, schauen wir, dass wir heute etwas tun, damit es nicht dazu kommt!“ In den Augen vieler Flüchtlinge erkannte er bei Sätzen wie diesen, dass sie sehr wohl verstanden hatten, worauf es jetzt ankommt. „Es hat bei vielen Klick gemacht. Mir ging es in erster Linie darum, ihnen verständlich zu machen, dass sie, wenn sie nichts zur Integration beitragen, auch nichts bewegen.“

Manche waren aber auch unbelehrbar – das wolle Ali auch gar nicht schön reden. Nicht jeder sei imstande, sich demokratische Werte anzueignen. Diesen Personen legte er dann sogar nahe, sich zu überlegen, ob es für sie nicht besser wäre, wieder in ihre Heimat zurückzukehren – sofern es sich nicht um ein Krisengebiet handelte.

Ausstellung und eigener Blog geplant

Ali und Mohsen wollen die Ergebnisse ihrer Reise in einer Ausstellung Anfang des nächsten Jahres präsentieren. Neben den Diskussionen wurden auch Einzelinterviews geführt und Porträtfotos gemacht. „Mir ist dabei aufgefallen, dass man die Bereitschaft zur Integration gut in den Gesichtern der Menschen ablesen kann.“ Alle Filmsequenzen, Fotos und Interviews sollen in einer Art „Blog“ online zugänglich gemacht werden. Ziel ist es, eine Plattform für den Austausch unter den Asylbewerbern zu schaffen. „Wir haben einige getroffen, die sich sofort bereit erklärt hatten, mitzumachen. Musiker, Künstler und viele mehr wollen ihre Fähigkeiten einbringen. Wir wollen eine Initiative starten, die die Flüchtlinge dazu motiviert, aktiv zu werden. So soll sich unter ihnen der Gedanke verbreiten, dass sie etwas aus sich machen können und zur Integration selbst etwas beitragen können“, schließt Ali.

Um das Projekt "Integration in Bewegung" finanziell zu unterstützen, wurde ein Spendenkonto eingerichtet:

Kontoname: Integration in Bewegung
IBAN: AT44 3430 3000 0242 7326
BIC: RZOOAT2L303
Bank: Raiffeisenbank Mattigtal, Bankstelle Burgkirchen

Die BezirksRundschau und Ali Mohdesi bedanken sich bei allen Spendern!

Fotos: Ali Mohdesi

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