Nordwestbahnhof: Energieversorgung soll umweltfreundlich werden
Gut für die Umwelt und fürs Börserl: Physiker Franz Zach erforscht ein umweltfreundliches Energienetz für das Nordwestbahnhof-Viertel.
BRIGITTENAU/LEOPOLDSTADT. Das Projekt "Innovatives Energiekonzept für das Nordwestbahnviertel" wurde von Leiter Franz Zach mit Walter Becke, Gottfried Adelberger und der Firma Geohydrotherm durchgeführt. Vonseiten der Stadt Wien waren die MA 20 – Energieplanung sowie Wien Energie mit an Bord.
Das Nordwestbahnviertel entsteht auf rund 800.000 Quadratmetern und wird nach Fertigstellung um die 11.000 Bewohner haben. Derzeit wird die Umweltverträglichkeitsprüfung für den neuen Stadtteil vorbereitet. Anfang 2018 soll mit dem Bau begonnen werden. Voraussichtliche Fertigstellung: 2027.
Im neuen Stadtteil Nordwestbahnhof soll Energie gespart werden. Welches Konzept wurde gewählt?
FRANZ ZACH: Ein Anergienetz wurde untersucht. Das ist ein Heizungsnetz, das ergänzt wird durch wasserbefüllte Erdspeicher, Sonnenenergie und durch Abwasserwärme.
Warum ist der Nordwestbahnhof dafür geeignet?
Das ist im Gespräch mit der Stadt Wien und Wien Energie entstanden, für Aspern oder den Nordbahnhof war der Zug schon abgefahren. Der Nordwestbahnhof ist ein großes Gebiet in Wien, für das es noch kein fixes Energiekonzept gegeben hat. Außerdem ist im Umfeld weniger Fernwärme vorhanden ist.
Was ist das Anergie-Netz ?
Das Anergienetz ist ein Niedertemperatur-Heizungsnetz. So wie es die Fernwärme in Wien gibt, die auf hoher Temperatur Wärme über die ganze Stadt verteilt, ist ein Anergienetz lokal beschränkt und auf niedrigerer Temperatur.
Was ist der Unterschied zur Fernwärme?
Das Anergienetz ist gleichzeitig für Kälte und Wärmeanwendungen geeignet. Beim normalen Fernwärmenetz ist es so: man nimmt sich einfach die Wärme heraus wie sie kommt und verwendet sie für die Heizung. Beim Anergienetz ist noch eine Wärmepumpe dazwischen geschaltet, weil die Temperatur zwischen 10 und 20 Grad liegt.
Wie funktioniert das genau?
Im Sommer wird Kälte gebraucht. Durch das abkühlen überträgt sich die heiße Luft aufs Wasser und wärmt damit Netz auf. Auf diese Art wird die Kälte eine Wärmeanwendung verwendet, also für Warmwasser oder Heizung.
Also Klimaanlage und dann warmes Wasser für Duschen?
Genau. Heute hat jeder ein Außengerät fürs Klimagerät und auf der anderen Seite wird Warmwasser über Strom, Gas oder Fernwärme bereit gestellt. Das sind zwei Engergieverbräuche. Beim Anergie-Netz führt man diese zusammen und hat im Prinzip keinen oder kaum noch Energieverbrauch.
Wie wird die Energie gespeichert?
Die Hauptspeicher sind Erdsonden. Es gibt dann noch das Anergienetz selbst, das ist ungefähr zwei Kilometer lang, mit einem Durchmesser von 40 cm in der groben Netzauslegung. Auch in den Heizzentralen wird es Pufferspeicher geben für die Warmwasserbereitung die Blockweise erfolgt.
Der große Hauptteil ist der Erdsondenspeicher, der die Wärme die im Sommer anfällt bis in den Winter speichert.
Wie groß muss man sich das vorstellen?
Das sind 5.000 Sonden, 100 Meter tief in der Erde. Diese verursachen auch den größten Teil der Investitionskosten aus, ungefähr 14 Millionen Euro. So ein Speicher kann einen Jahresbedarf speichern, ungefähr 30 Gigawattstunden.
Diese Sonden erzeugen die benötigte Energie?
Ein Erdspeicher in dieser Größe ist keine Quelle. Das muss man immer nachhaltig nutzen, dass heißt man muss soviel in den Erdspeicher hineinspeichern, wie man wieder herausholt.
Wie funktioniert das?
Wir haben das auf vier Säulen aufgebaut. Erstens Solarengerie mit Hybridkollektoren, die gleichzeitig Strom produzieren und Wärme erzeugen. Dann Abwasserenergie aus dem Kanal unter der Nordbahnstraße.
Die zwei kleineren Säulen sind Abwärme aus Büros und Gewerbebetrieben aus der Umgebung sowie Luftwärmepumpen die im Sommer laufen.
Gibt es das schon?
In solcher Form in Österreich noch nicht, aber in der Schweiz. Ein bekanntes Beispiel ist Suurstoffe, südlich von Zürich, wo Wohnungen, Büros und Gewerbe über ein Anergienetz versorgt werden.
Wie viel kostet die Errichtung?
Für den Nordwestbahnhof kommen wir auf ungefähr 50 Millionen Euro. Wenn man rein die Investitionskosten nimmt, liegt Gas bei rund einem Viertel davon. Allerdings liegen die laufenden Kosten höher. Außerdem kommt Gas aus dem Ausland, ist nicht nachhaltig und hat keine oder kaum inländische Wertschöpfung.
Beim Anergienetz hätte man zwar zu Beginn höhere Kosten, aber dann relativ niedrige Energiekosten.
Nach wie vielen Jahren würden sich die Kosten rentieren?
Bei Förderungen in einem realistischen Ausmaß nach rund 25 Jahren.
Wie realistisch ist die Umsetzung am Nordwestbahnhof wirklich?
Wir arbeiten mit der Stadt Wien an einer Umsetzungs-Strategie. Die Stadt, konkret die MA 20, ist interessiert daran, das Projekt weiter voran zu treiben. Es ist jetzt sogar eine Anergienetzförderung im Gespräch.
Muss dafür speziell gebaut werden?
Eine Fußbodenheizung ist notwendig. Wenn man diese nicht hat, ist die Wärmepumpe nicht effizent. Sonst haben wir für unsere Studie einen durchschnittlichen Neubau angenommen.
Wäre das weltweit das größte Projekt von Anergienetz?
Soweit ich weiß schon.
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