2. Weltkrieg: Vor 70 Jahren ging er in Europa zu Ende

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Ich wurde danach geboren, Gott sei Dank. Aber die Erzählungen meines Vater, meiner Mutter, die der Großeltern und anderer Menschen, die in der Wehrmacht kämpften, die die brennenden Städte erlebten, die im Chaos der letzten Kriegstage um ihr Überleben rangen, hörten wir immer wieder und wieder . Es waren die Geschichten jener Menschen, die schließlich auf der Verliererseite standen und deren Geschichten heute kaum gehört werden wollen. Nicht nur deswegen, weil fast alle schon gestorben sind.

Medial wird dem Ende dieses schrecklichen Krieges vor 70 Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt, viele Ausstellungen wollen uns diese Schrecken wieder nahe bringen. Und das ist gut so, das soll nicht vergessen werden.

Am 16. April 2015 berichtete Lukas Wieselberg auf science.ORF.at über die „vergessene Episode gelynchter Piloten“:

Über 2.000 Flieger erlitten Gewalt

Insgesamt wurden im Zweiten Weltkrieg rund 600 Flugzeuge über dem heutigen Bundesgebiet abgeschossen, die große Mehrheit davon US-amerikanische. Da jeder Bomber zehn Männer an Bord hatte, waren also rund 6.000 Personen betroffen. Eigentlich hätten sie als Kriegsgefangene behandelt werden müssen. Wegen der NS-Propaganda gegen die Verbreiter des "Bombenterrors" war das aber oft nicht der Fall.

"40 Prozent der Flieger wurde Gewalt angetan. Sie wurden geschlagen, erniedrigt, mussten sich entkleiden und wurden öffentlich zur Schau gestellt. Es kam auch zu Scheinhinrichtungen. Rund 100 wurden ermordet, 200 gelten noch heute als vermisst", erzählt Hoffmann.

Propaganda gegen "Terrorflieger"

"Vergewaltigungen" und "Bombenterror": Das sind die zwei prägendsten Erinnerungen, wenn an die letzten Tage des "Tausendjährigen Reichs" gedacht wird. Zumindest Letzterer wurde aber zu einem Gutteil auch von der Propaganda der Nationalsozialisten beschworen.

Der Luftkrieg begann im heutigen Österreich im Vergleich zu Deutschland nämlich erst relativ spät. Die ersten Angriffe von Amerikanern und - viel seltener - Briten erfolgten im Oktober 1943. "Tägliche Fliegerangriffe setzten hier 'erst' im Oktober 1944 ein", sagt Hoffmann. Die Angst vor den "Terrorfliegern", wie es die NS-Propaganda nannte, gab es aber schon viel länger. Während die eigenen Bombenangriffe auf die Alliierten immer rein militärisch definiert und als "Vergeltungsmaßnahmen" dargestellt wurden, galten die US-Flieger als "Verbrecher" und somit nicht als Soldaten - "ein entscheidender Baustein der Fliegerlynchjustiz", sagt Hoffmann.

Die Fliegerlynchmorde waren aber nicht nur Folge der Propaganda. Es gab auch handfeste politische Anweisungen von "ganz oben". "Die NS-Regierung beschloss im Mai 1944, dass 'die Lynchjustiz ab jetzt als Regel zu gelten' hat. Das heißt, es wurde festgelegt, dass sich die Bevölkerung an den „Terrorfliegern“ rächen solle. Über die Parteigremien sickerte diese Botschaft nach unten und wurde schließlich von lokalen NS-Ortsgruppenleitern gehört und umgesetzt. Laut einer Anweisung vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Ernst Kaltenbrunner, sollte jeder, der sich gegenüber abgeschossenen Fliegern zu freundlich verhält, ins KZ."

Die Fliegerlynchjustiz begann im Sommer 1944, ein Dreivierteljahr später erreichte sie ihren traurigen Höhepunkt. "In den letzten Kriegstagen nahm sie die Form einer Machtdemonstration an. Flieger wurden demonstrativ vor Hunderten Augenzeugen ermordet, um Macht zu demonstrieren und Loyalität zu erzwingen."

Deutschlands Bomber waren es zuerst, die Städte wie Rotterdam und Coventry in Schutt und Asche legten. Als die allierten Bomber, an Zahl weit mehr als jemals die Deutschen hatten, 1944 endgültig die Lufthoheit erobert hatten, waren sie es, die begannen, deutsche und bald auch österreichische Städte mit Bombenteppichen zu belegen. Industriezentren und Bahnknotenpunkte waren die primären Ziele, es blieb aber nicht dabei.

Als im Herbst 1944 der allierte Vormarsch am Boden dem Zeitplan hinterher hinkte, wollte man den deutschen Durchhaltewillen mit Vernichtungsschlägen zermürben: Hamburg, Köln, Nürnberg, kaum eine größere Stadt, die nicht in Trümmer gebombt wurde. Air Marshal Arthur Harris wurde der „Bomber Harry“ genannt. Dresden wurde zum Synonym für Bombenterror, nachdem britische und amerikanische Bomberverbände in vier Wellen im Februar 1945 einen alles vernichtenden Feuersturm entfachten.

Dass abgeschossene Bomberpiloten in den letzten Kriegsmonaten Übergriffen oder sogar Lynchjustiz nach ihrer Gefangennahme erleiden mussten, ist angesichts dieser allierten Kriegsverbrechen zumindest nachvollziehbar (wenn auch nicht zu rechtfertigen).

Bei den Allierten waren es übrigens die Briten, die deutsche Kriegsgefangene am humansten behandelten. Das sollte auch nicht unerwähnt bleiben.

Bilder: ORF (National Archives and College Park Maryland, privat)

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