Fokus Frau
"Corona war ein Schlag ins Gesicht"

Anna Hölzl ist Juniorchefin beim Roanwirt in St. Lorenzen | Foto: Karoline Karner
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Roanwirt-Juniorchefin Anna Hölzl im WOCHE-Interview über die Corona-Krise, ihren Familienbetrieb und wie es in Zukunft weitergehen soll.

Sie ist erst 23 Jahre alt und doch schon Juniorchefin beim "Roanwirt" in St. Lorenzen. "Fokus Frau" dreht sich diesmal um Anna Hölzl.
Worauf legen Sie in der Arbeit/im Privatleben besonders großen Wert? Was ist Ihnen wichtig?
Mir ist sehr wichtig, mit jedem meiner Arbeitskollegen/Mitarbeiter und meiner Familie gut auszukommen, Freude zu haben und diese an der Arbeit mit anderen teilen zu können.
Privat ist mir aber schon auch wichtig, viel Zeit mit meinem Freund zu verbringen.

Wie wird beim Roanwirt mit der Situation rund um Corona umgegangen?
Die Krise trifft uns, wie viele andere Gastronomen und Hoteliers, sehr hart. Von 100 auf 0 in wenigen Tagen, das war für den Roanwirt ein Schlag ins Gesicht. Der Schock war enorm, wir haben viel Energie in unsere Neu-Positionierung des Hotels und Seminarbereichs investiert, viele unserer Gäste und Kunden haben das honoriert. Wir waren im März 2020 im Seminarbereich ausgebucht. Und plötzlich denkst du, was machen wir jetzt? Aber meine Familie steckt den Kopf nicht in den Sand, wir haben neue Lösungen wie den Abholservice gestartet, haben uns eine neue Kundensoftware angeschaut und unsere Partnerprogramme weiterentwickelt.
Das Positive ist: Noch nie hatten wir so viel gemeinsame freie Zeit. Wir haben viele Spiele gespielt, viel getratscht, viel gemeinsam gekocht und gegessen. Unser Familienzusammenhalt, den wir auch vor der Krise hatten, wurde dadurch noch mehr gestärkt.

Womit kämpfen Sie derzeit am meisten?
Mit der Situation rund um den Hotel-Betrieb. Da beträgt der Ausfall 100 Prozent. Besonders schlimm ist der Ausfall sämtlicher Seminare, da wir im Herbst in hochwertiges Bene-Interieur investiert und die Technik auf den neuesten Stand gebracht haben; unsere Kunden waren begeistert, viele neue sind dazu gekommen. Wir können nur hoffen, dass heuer viele Österreicher in Österreich Urlaub machen und die Betriebe in der Umgebung aber auch aus der Bundeshauptstadt wieder zu uns kommen. Eine Expertin meinte kürzlich, die Online-Meetings sind sehr anstrengend und viele freuen sich schon, sich bald wieder treffen zu können. Es wird beides geben, aber auch bei uns kann man schon bald auch „Webinare“ umsetzen, weil wir eine multifunktionale und sehr interessante Location haben, wo auch die Technik mitspielt (mobiler Screen, bewegliche Boards u.v.m.).

Lässt sich der dadurch entstandene Schaden schon irgendwie abschätzen?
Den Schaden kann man aus meiner Sicht erst abschätzen, wenn das Jahr vorbei ist. Auf Normalbetrieb können wir noch länger nicht umsteigen, da betrifft es auch die normalerweise sehr gut gebuchten Feiern in unserem Gasthaus. Der Schaden wird mit Sicherheit groß sein, aber es wird jedem ähnlich gehen. Mit jammern kommen wir da nicht weiter, nach vorne schauen heißt die Devise! Wir sind eine starke Familie, wir haben ein hervorragendes Team und wir werden neue Lösungen entwickeln. Natürlich erwarten aber auch wir uns eine Unterstützung durch die Regierung; denn Regionalität leben wir schon lange, wir leisten als Tourismusbetrieb viel für die heimische Wertschöpfung, das wird oft vergessen. Gerade im Mürztal reden viele nur von der Schwerindustrie, das tut oft weh.

Wie läuft der Betrieb derzeit überhaupt? Was kann/darf angeboten werden?
Alle unsere Mitarbeiter sind derzeit auf Kurzarbeit. Seit der Abhol-Service möglich ist, bieten wir von Donnerstag bis Montag ein Mittagsmenü sowie eine kleine, aber feine Speisekarte mit Roanwirt-Gerichten zum Abholen an. Jeden Tag kommt einer unserer Restaurant-Mitarbeiter, sonst läuft der Betrieb im Moment nur auf Familienbasis. Alles was wir anbieten, hat höchste Qualität und besten Geschmack – auch für zu Hause. Auch jetzt wird bei uns sehr auf Effizienz und Nachhaltigkeit geachtet. An dieser Stelle möchte ich jedem einzelnen unserer Gäste danken, dass sie uns durch ihre Bestellungen die Treue halten.

Welche Rolle spielen Sie im Familienbetrieb? Was genau sind Ihre Aufgaben?
Ich bin operativ hauptsächlich im Service tätig. Einige organisatorische Arbeiten, wie z.B. Teile der Buchhaltung aber auch Medientermine und Marketingaktivitäten nehme ich immer stärker ein – danke deshalb auch für dieses Interview. Dank meiner Eltern durfte ich auch beim gesamten Re-Positionierungsprozess 2019 aktiv dabei sein, den wir mit der Unternehmensberaterin und Innovationsexpertin Heidrun Girz erfolgreich gestartet haben.

Fühlen Sie sich wohl in Ihrer Rolle?
Im Großen und Ganzen sehr! Natürlich gibt es manchmal Situationen, wo man mal einen Durchhänger hat, aber ich denke, das ist normal, denn nach einem Tief kommt sicher auch wieder ein Hoch!

War es immer schon ihr Wunsch, im familieneigenen Betrieb mitzuarbeiten?
Ehrlich gesagt habe ich mir als Kind bzw. Teenager nie Gedanken darüber gemacht. Ich und meine Brüder hatten eine sehr ungezwungene Kindheit, somit lag auch die Berufswahl in unserer eigenen Hand und uns wurde nichts aufgezwungen. Es hat sich dann mit der Hotelübernahme im Jahr 2016 einfach so ergeben, dass ich Teil des Betriebs wurde und in diesem Moment hat es zu 100 Prozent gepasst; und es ist so schön, wenn die Gäste sich freuen, dass eine Nachfolgerin aus der Familie da ist, die sie schon gut kennen.

Welche Erfahrungen bringen Sie mit?
Ich habe mit der Tourismusschule eine fundierte touristische Ausbildung und bilde mich seitdem laufend weiter. Mein Aufenthalt in den USA hat nicht nur mein Englisch massiv verbessert, sondern mich auch gelehrt, mit unterschiedlichen Kulturen umzugehen. Am meisten lerne ich aber im elterlichen Betrieb, weil mich meine Eltern bewusst in unternehmerische Entscheidungen einbinden.

Was sind Vor- und Nachteile, wenn die ganze Familie zusammenarbeitet?
Für mich gibt es eigentlich nur Vorteile. Manche Leserinnen und Leser können das vielleicht nicht nachvollziehen, aber es gibt eine besondere Verbindung zu Familienmitgliedern die sehr wertvoll ist. Vieles läuft einfach ohne Worte und geht Hand in Hand. Natürlich sehnt man sich hin und wieder auch nach etwas "Abstand und Freiraum". Aber das bekomme und hole ich mir dann auch.

Arbeiten auch ihre beiden Brüder im Betrieb mit?
Mein jüngerer Bruder ist nicht in der Tourismusbranche tätig. Mein älterer Bruder hat Koch gelernt und ist noch auf Erfahrungsreise. Er war jetzt zwei Winter-Saisonen in Lech am Arlberg und möchte, sofern möglich, auch im Sommer dort arbeiten. Mir bleibt nur zu hoffen, dass er irgendwann zurück nach Hause kommt und in unserem Betrieb seiner Leidenschaft, dem Kochen nachgeht. Wie es im Moment aussieht, stehen die Chancen ganz gut. Wenn Not am Mann ist, helfen meine Brüder, wie Oma und Opa auch mit. Rasenmähen, Holz hacken, usw…

Wie kann man Konflikten aus dem Weg gehen, wenn man sowohl privat als auch beruflich miteinander permanent zu tun hat? Können Sie hier Tipps für andere geben?
Ich weiß nicht, wie genau das bei uns funktioniert; aber ich schätze, dass jeder den anderen so gut kennt, dass man weiß, wann man besser nichts mehr sagt. Jeder lässt jeden ausreden und Meinungsverschiedenheiten werden einfach diskutiert. Wir sind keine Menschen der großen Worte. Meistens haben sich unsere Konflikte schnell aufgelöst. Manchmal wird auch einfach abgestimmt und die Mehrheit gewinnt. Das akzeptiert auch jeder.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Jetzt ist einmal der große Plan, als Familie den Betrieb nach der Krise so gut wie nur möglich wieder ins Laufen zu bringen. Für die Zukunft möchten wir aber verstärkt Firmenkunden ansprechen, die ihre Seminare und Workshops bei uns abhalten wollen. Wir haben interessante Packages mit regionalen Partnerbetrieben geschnürt, sodass wir auch mehrtägige Workshops, Seminare und Klausuren anbieten können. Mit unseren 20 Themenzimmern ist jeder Aufenthalt etwas Besonderes. Das ist wichtig für den Seminarerfolg! Ich habe aber auch gelernt, dass man sich manchmal Experten von außen holen muss, um voran zu kommen. Sonst wird man betriebsblind, das kann dann gefährlich werden.

Was soll in Zukunft aus dem Roanwirt werden? Werden Sie neue Geschäftsfelder erschließen bzw. das Angebot erweitern?
Ich denke, wir haben in den letzten vier Jahren unsere Geschäftsfelder mit dem Hotel und dem Seminarbetrieb bestens ausgebaut; früher hatten wir ja "nur" das Restaurant. Jetzt gilt es, die Bereiche Hotel und Seminarbetrieb so zu bespielen, wie wir es 2019 geplant haben. Prinzipiell wird sich unsere Unternehmensphilosophie nicht wirklich verändern. Regionalität und nachhaltiges Handeln haben wir schon vor der Corona-Krise verstanden. Und wie sagt man so schön: "Never change a running system". Dieser Leitsatz ist sehr generell gemeint. Von Zeit zu Zeit braucht man sehr wohl auch zeitgemäße Veränderungen, damit ein Betrieb sich auch weiterentwickelt.

Gibt es ein großes Ziel im Leben, das Sie unbedingt erreichen möchten? Privat/beruflich?
Das größte Ziel für mich ist, dass unsere Gäste zufrieden unser Haus verlassen und gerne wiederkommen. Privat stehen noch einige Reisedestinationen auf meiner To-Do-Liste sowie irgendwann die Verwirklichung eines eigenen Hauses mit einer eigenen Familie.

Was können Sie jungen Menschen raten, die noch vor der Berufsentscheidung stehen?
Da tu ich mir jetzt sehr schwer, da für mich die Berufsentscheidung die schwierigste Entscheidung meines Lebens war. Ich wollte eigentlich nie in die Tourismusschule, aber ich wusste auch nicht, was ich anderes will. Da haben mir viele Leute bei meiner Entscheidung geholfen und ich bin jedem einzelnen dankbar! Wie ich auch meinen Eltern dankbar bin, dass sie mir nie aufgezwungen haben, diese Schule zu besuchen. Meine Tipps sind, sich so viel wie möglich anzusehen (Schule und Lehrbetriebe) und wenn möglich, sich verschiedene Berufsspaten anzusehen und zu lernen. Man soll aber nie nur mit dem Kopf entscheiden, sondern auch mit dem Herzen. Macht das, was euch glücklich macht! Nicht jeder muss studieren oder eine höhere Schule abschließen. Das Angebot an Lehrberufen ist sehr attraktiv, Facharbeiter und Handwerk wird wieder beliebt.

Was würden Sie vor allem jungen Frauen raten/empfehlen?
Lasst euch nicht unterkriegen! Es gibt heutzutage keinen typischen "Männerberuf" mehr. Macht das, was euch Spaß macht aber nehmt euren Beruf auch ernst. Und es ist nie zu spät, den richtigen Weg einzuschlagen. Man kann heute in jeder Lebensphase seinen Beruf wechseln, alles ist möglich. Ich bin der Meinung, jede Frau soll das machen, was in diesem Moment richtig für sie ist!


Persönliches

Anna Hölzl ist 23 Jahre alt und die Tochter von Reingard und Gerald Hölzl (Roanwirt). Sie absolvierte die Tourismusschule Semmering (Matura, Koch/Kellner) und absolvierte in dieser Zeit ingesamt vier zweimonatige Praktika in unterschiedlichen Tourismusbetrieben in Österreich. Nach der Schule arbeitete sie acht Monate als Kellnerin in einem Golfclub in Amerika/Florida, seit 2016 ist sie daheim im Betrieb (ein Jahr Hotelrezeption, drei Jahre Service). Ihre Stärken: "Ich habe Freude an dem was ich tue, bin kommunikativ, positiv eingestellt und interessiert"; Schwächen: "Ich bin manchmal etwas ungeduldig".
Ihre Hobbys: "Leider bleibt nicht viel Zeit für Hobbys, bin aber gerne an der frischen Luft und liebe die Handarbeit sehr."
Ihr persönliches Motto: "Je mehr Freude wir anderen Menschen machen, desto mehr Freude kehrt zu einem selbst zurück!"

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