Fortsetzung: Vertrieben (15)

Foto: Bayrischer Rundfunk

Die wahre Geschichte eines kleinen Mädchens

Autorin: U. Hillesheim ©

Es ist der 7. Mai 1945. In der Früh kommt Roswitha ins Zimmer zu uns. „Heute Nacht haben völlig erschöpfte deutsche Soldaten im Dorf um Quartier gebeten. Tante Rosi hat viele aufgenommen. Ihr könnt nicht in die Küche, sie schlafen dort. Unter ihnen ist einer, der wie Onkel Friedrich aussieht“. Vorsichtig spähen wir in die Küche. Da liegen die schlafenden Männer, die meisten auf dem Fußboden, denn es gibt in der Küche nur ein einziges Sofa. Tatsächlich! Dieser da sieht Onkel Friedrich (Muttls Bruder) zum Verwechseln ähnlich. Aber wir wissen, Onkel Friedrich lebt nicht mehr. Er ist schon im Vorjahr gefallen. Auch in vielen anderen Häusern sind jetzt Soldaten, auch bei der Jaks Hedwig, unserer Nachbarin vom Haus gegenüber auf der anderen Seite des Weges. Und Kriegsgerät steht herum. Bei unserem Häusl steht eine Kanone. Ungetarnt!

Pausenloses Schießen und Donnern. Es hört niemals auf. Weil die Küche von den Soldaten belegt ist, essen wir zu Mittag in unserem Schlafzimmer am Tisch zwischen den Fenstern an der Bachseite unseres Hauses. Ich kann mich an dieses Essen sehr gut erinnern: Es gibt Griesbrei mit Butter, Zucker und mit Kakao. Das esse ich gern, es ist eins meiner Lieblingsgerichte.

Geschützlärm ununterbrochen! Da – plötzlich – ein jähes entsetzliches Aufheulen, ein furchtbares Aufjaulen und sofort – Knall – ein ohrenbetäubend grässliches Krachen. Der Fußboden bebt. Links und rechts vom Tisch zerbersten die Fensterscheiben und ein Scherbenstrom wird klirrend ins Zimmer geschleudert. Wir springen auf, der Tisch wird fast umgerissen. „Schnell, schnell in den Keller! Wir werden beschossen“!

„Das war der Iwan“, sagt einer der Soldaten. Schnell in den Keller! Hastig beraten sich Muttl und Tante Rosi. Unser Keller hat nur eine Holzdecke. Die würde ein Geschoß sofort durchschlagen. Wir können nicht hier bleiben. Wir müssen zum Nachbarn. Warum sind wir nicht zu unseren nächsten Nachbarn, den Heindlers oder den Müllers gegangen? Vielleicht haben auch sie keine festen Keller oder der Weg dahin bot keine Deckung? Auf allen Vieren, immer bestrebt vom Zaun oder von Pflanzen verdeckt zu werden, kriechen wir zu dem Kimmel-Hof, wo unser Spielfreund, der Horst, mit seiner Schwester, der Ilse, wohnt.

Das Wohnhaus ist bereits überfüllt. Doch im Ausgedingekeller finden wir Platz. Mit einigen Decken sitzen wir hier auf Stühlen neben dem tiefen Brunnen, der mit Planken abgedeckt ist (in Mohrau gibt es noch keine zentrale Wasserleitung). Voll Angst harren wir der Dinge. Tosender Geschützlärm von draußen. Vielleicht stehen die Russen schon auf dem Wildgruber Berg. Da konnten sie die Kanone bei unserem Häusl erkennen und haben natürlich sofort geschossen.

Nur knapp hat das Geschoß unser Häusl verfehlt. Es rast über sein Dach und hat sich wenige Meter entfernt auf der anderen Seite des Weges beim Jaks-Haus in den Boden gebohrt. Dort liegen jetzt zwei Tote. Gerade war die Frau Jaks mit einem Soldaten vors Haus getreten, als die Granate einschlug. Beide waren sofort tot.

Wie haben wir die vielen Stunden verbracht? Ich weiß es nicht mehr. Roswitha trägt einen silbernen Hakenkreuzring. Der muss verschwinden, der kann uns gefährlich werden. „Wohin am besten mit ihm“? Roswitha will ihn in einer Mauerritze verstecken. „Nein, lieber nicht! Da kann er zu leicht entdeckt werden“. Roswitha wirft den Ring in den Brunnen. Und dort liegt er wahrscheinlich noch heute.

Fortsetzung folgt

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