Fortsetzung: Vertrieben (51)

Foto: Bayrischer Rundfunk

Die wahre Geschichte eines kleinen Mädchens

Autorin: U. Hillesheim ©

Der Winter geht zu Ende. Noch einmal besuche ich unsere Schneeburg. Ein glänzender Sonnentag! Ich krieche in mein Lieblingshaus und schaue in die tiefe Bläue des Himmels. Die Sonne scheint warm und – tropf – tropf – tropf – es tropft von allen Wänden und den vielen glitzernden Eiszapfen. Die Schneehäuser sind deutlich zusammen gesunken. Bald werden sie ganz verschwunden sein. Ja, Kraft und Wärme der Tag für Tag strahlenden Sonne nehmen immer mehr zu. Es tropft von den Dächern, es gluckst und rinnt in den Gräben. Kleine Schmelzbäche rinnen unter der Schneedecke bergab. Die Sonne leckt die Schneeflächen weg, jeden Tag werden sie kleiner und kleiner. Bald liegt Schnee nur noch an schattigen Stellen.

Am 24. März 1946 feiert Muttl ihren 41. Geburtstag, ihren letzten Geburtstag zu Hause. Adelheid und ich schenken ihr ein selbst gehäkeltes Deckchen, das unter Anleitung von Fräulein Anita entstanden ist. Wir selber finden es wunderhübsch.

Ich es nicht sonderbar? Alle wissen, dass sie die Heimat sehr bald verlassen müssen. Ein erster Transport mit ausgewiesenen Deutschen ist schon aus Mohrau verschwunden. Und dennoch fangen die Bauern an, die Feldbestellung vorzubereiten und die Wiesen in Ordnung zu bringen. Und Herr Pfarrer besorgt junge Gänschen!

Um diese Zeit spielen Adelheid und ich häufig „Reifen schlagen“. Das macht großen Spaß. Mit einem Stock treibt und lenkt man den Reifen über Stock und Stein, wohin es nur geht. Unsere Reifen haben wir irgendwo gefunden. Adelheids ist ein gewöhnlicher Wagenreifen. Meiner aber ist schmal und hoch, allerdings durchgebrochen, sodass er etwas schwierig zu lenken ist. Im Eifer des Spiels bin ich einmal mit großem Tempo unabsichtlich in Herrn Pfarrers junge Gänschen gefahren. Zum Glück für mich ist keins dabei umgekommen.

Viktor ist damals besonders nett und herzig im Spiel. Wenn wir uns von ihm entfernt haben und nach einer Weile wieder kommen, begrüßt er uns freudestrahlend und zeigt uns begeistert: „Ulrike, Adelheid, schaut, was ich Schönes gebaut habe, gefunden habe…..“ Das gefällt Adelheid und mir so gut, dass wir manchmal absichtlich weggehen, nur um die zu erwartende schöne Begrüßung erleben zu können.

Auf den Wiesen des Pfarrhofs steht dürres Gras hoch und dicht. Denn sie sind nicht gemäht worden in den Wirren des Vorjahres. Nun kann das junge Gras nur sehr schlecht emporwachsen. Es wird beschlossen, das alte Gras abzubrennen. Zunächst geht es zum Grasland nahe den Geiersträuchern (in der Nähe vom Unterstand, den wir beim Schlittenfahren entdeckt haben). An mehreren Stellen wird Feuer gelegt und jetzt treibt der schwache Luftzug ein schmales Feuerband gemächlich vor sich her. Mit wahrem Feuereifer sind Gottfried und wir bei der Arbeit. Gottfried „verschleppt“ das Feuer mit einem Holzrechen an Stellen, die sonst nicht erreicht würden. Erst am Abend nach dem Feuerlöschen, was leicht durch Austreten gelingt, bemerkt er, dass der Rechen dabei halb verkohlt ist. Das sagt er aber lieber nur uns, Adelheid und mir, den Erwachsenen wohlweislich nicht.

Am nächsten Tag soll die Pfarrwiese, die an der Mohra am Weg nach Klein Mohrau liegt, abgebrannt werden. Alle außer Herrn Pfarrer sind mit dabei. Wir beide vergnügen uns damit, über die schmalen Feuerbänder zu springen. Zu schön ist das „Spiel mit dem Feuer“! Nur dass so viele Himmelschlüsserlen auch verbrennen, das tut uns leid. Ein Windstoß kommt auf. Auf einmal stärkerer Wind! Fast stürmischer Wind! Oh, seht doch! Die Feuerfront läuft nicht mehr langsam voran. Die feurigen Bänder rasen nur so über die Wiese, hierhin, dorthin, verteilen sich, rennen in Geländeteile, wohin sie nicht sollen, lodern hoch auf an Gebüschstellen. Wir können nicht folgen, können das Feuer nicht mehr wie bisher austreten oder zerschlagen. Wir haben die Kontrolle verloren.

Schnell zu den Häusern da drüben! Wir brauchen Kannen und Kübel, um mit Wasser aus der Mohra löschen zu können. Und eine von uns muss so rasch es irgend nur geht, Herrn Pfarrer und andere Männer um Hilfe holen. Da! Lautes Knattern! Eine himmelhohe Flamme lodert an einer Fichte empor bis hinein in den Wipfel. Erlischt – Gott sei Dank – wieder. Doch die Feuerfront rast auf den Wald zu....

Mit knapper Not gelingt es, das Feuer zu löschen. Das Wasser hat uns dabei am meisten geholfen. Doch in dickeren Baumstämmen sitzt noch lange Zeit die Glut und Herr Pfarrer muss sie mit der Axt heraus hauen.

Fortsetzung folgt

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