Fortsetzung: Vertrieben (9)

Foto: Bayrischer Rundfunk

Die wahre Geschichte eines kleinen Mädchens

Autorin: U. Hillesheim ©

Im Winter 1945 gibt es noch einmal Zeugnisse. Gottfried hat sehr schlechte Noten, vor allem in Griechisch und in Latein und er bleibt sitzen. Roswitha dagegen hat ein gutes Zeugnis erhalten. Immer wieder aber muss die Schule ausfallen. Kohleferien! Es gibt nicht mehr genügend Heizmaterial. Und einmal erlebt Roswitha einen Bombenangriff auf Troppau und muss mit der Klasse in den Keller flüchten. Schließlich endet in Troppau jeglicher Unterricht, aber die größeren Schüler werden statt dessen anderweitig verpflichtet. So muss Roswitha mit ihren Mitschülerinnen dabei helfen, durchziehende Flüchtlinge zu versorgen. Zuerst in Troppau, später aber in Bennisch (im Gasthaus „Zum Kuckuck“) streicht sie von früh bis spät Brotschnitten für die hungrigen Menschen. Ihre Freundin, die Stark Lotte, ist in Bennisch mit dabei. Wir bekommen Roswitha nur selten zu sehen.

Eines Tages heißt es, „Panzersperren müssen gebaut werden“. Roswitha und andere Schüler und Leute vom Volkssturm werden im Bennischer Wald eingesetzt. Unter der Anleitung Älterer wuchten sie beispielsweise Baumstämme über die Straße. (Lächerlich war es, zu glauben, diese armseligen Sperren aus Holz hätten Panzer abhalten können!) Und wie sie so arbeiten in Kälte und Schnee – plötzlich : „Ein Tiefflieger! Ein Tiefflieger naht! Schnell, schnell, weg von der Straße, hinein in den Wald. Der bietet uns Deckung.“ Alle wissen: Jeden sichtbaren Menschen knallen die Tiefflieger ab. Gerade noch rechtzeitig können sich die jungen Leute verbergen. Der Tiefflieger fliegt wie ein Spürhund dicht über der Straße und folgt ihrem Lauf. Hat er geschossen? Roswitha weiß es nicht mehr. Jedenfalls werden sie nicht entdeckt und kommen mit dem Schrecken davon.

Wieder sind Kohleferien. Und bald fällt die Schule in Bennisch auch ganz aus. Viktor, Adelheid und ich bleiben heute lange im Bett und erzählen uns lustige Geschichten und Streiche, die wir in einem Internat den anderen spielen würden. (Wir leihen uns neuerdings in der Stadtbibliothek Bücher aus, haben ein Buch über ein Mädcheninternat gelesen und finden das Internatsleben herrlich). Doch allmählich wird uns langweilig. Warum sollten wir eigentlich nicht aufstehen? Muttl und Heide (und Roswitha?) sind emsig beschäftigt, laufen hin und her, öffnen die Schränke, ziehen Sachen hervor und packen sie zusammen. Wir würden nur stören, meinen die Großen. Was ist nur los? Was haben sie vor?

Nur andeutungsweise werden wir es später erfahren: Die Oderfront, die von den Deutschen lange gehalten wurde (auch Papa war dort bei Oppeln eingesetzt), ist zusammen gebrochen. In breiter Front drängen die Russen über die Oder. Nun gibt es kein natürliches Hindernis mehr zwischen den Russen und uns. Sehr schnell könnte die Rote Armee durch die Mährische Pforte unser Gebiet erreichen.

Muttl ist klar, dass wir wohl bald nach Mohrau aufbrechen würden. Deshalb packt sie die wichtigsten Sachen zusammen. Nachts und wenn es still ist, hört man deutliches, unaufhörliches Donnern. Kanonendonner der Front! Tag für Tag wird er lauter.

Fortsetzung folgt

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