Genom - von der Evolution zur Manipulation (8)

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Evolution bedeutet ständige Veränderung

Wie ein Puzzle konnte der Stammbaum des Menschen bereits recht gut rekonstruiert werden. Ein Ende ist nicht in Sicht. Wie wird es in 100.000, in 1 Mill. oder in 100 Mill. Jahren auf der Erde aussehen?

Züchtung durch forcierte Selektion

Sobald Menschen sesshaft wurden, versuchten sie durch Auslese bei Tieren und Pflanzen, gewünschte Eigenschaften bei deren Nachkommen zu erhalten, zu verstärken und für sich zu nutzen. Auf diese Weise entstanden im Tierreich Rassen und bei den Pflanzen Sorten. Auf dem Gebiet des heutige Mexiko wurden vor ca. 7000 Jahren von den Indiovölkern natürlich mutierte Zea-Gräser solange gekreuzt, bis die Vorläufer der heutigen Mais-Sorten entstanden waren. Damit konnten die Erträge erhöht und sogar eine gewisse Pilzresistenz erreicht werden und die ursprünglichen Pflanzen wurden weitgehend verdrängt.

Hybride

Gregor Mendel züchtete mit seinen Erbsen 13.000 solcher Hybride, indem er Sorten kreuzte und beobachtete, was dabei rauskam. Hybride sind nichts anderes als Mischlinge, die robuster und vitaler sind, weil Inzucht vermieden wird. So sind Rassehunde krankheitsanfälliger als Mischlinge und werden dadurch nicht so alt. Auch in den natürlichen Evolutionsprozessen entstanden die Artenvielfalten auf diese Weise. So kreuzten vor 10 bis 6 Mill. Jahren noch unsere Vorfahren sich mehrfach mit denen der Schimpansen.

Künstliche Mutationen durch Bestrahlung oder mutagene Substanzen

Bereits durch Sonnenbestrahlung der Haut werden, wenn´s zu Sonnenbrand kommt, Veränderungen an der DNA verursacht, die aber normalerweise durch körpereigene Reparaturproteine rasch korrigiert werden. Durch Bestrahlung mit stärker ionisierenden Strahlen oder durch Kontakt mit Substanzen wie Nitrosaminen, Aspest und anderen werden Mutationen provoziert. In der Züchtung von Nutzpflanzen wurden solche mutagenen Eigenschaften dazu genützt, um möglichst viele Varianten mit unterschiedlichen Eigenschaften zu bekommen, um dann jene Mutanten auszuwählen, die die gewünschten Merkmale haben. Mit 0,5 bis max. 1 Prozent ist aber die Erfolgsquote recht niedrig, der „Ausschuss“ also sehr hoch. Bei Tieren funktionierte diese Methode sowieso nicht.

Die Entdeckung der Restriktionsendonukleasen (REN)

1970 war ein besonderes Jahr: Damals wurden in Bakterien spezielle Enzyme entdeckt, die fremde DNA zerschneiden können. Auf diese Weise versuchen sich die Bakterien vor dem Gefressen werden durch die „Fresszellen“ des Immunsystems zu schützen. 1971 gelang es Ray Wu und Ellen Taylor erstmals, mittels Hilfe dieses Enzyms aus einem Virus-Genom einige Sequenzen abzutrennen. Danach folgte eine rasante Entwicklung, die nicht nur in Genlaboren, sondern auch vor Gerichten und in Patentämtern statt gefunden hatte. Mit diesen neuen Möglichkeiten lässt sich richtig viel Geld verdienen.

Gentechnik – Segen und Fluch

1978 gelang es erstmals, gentechnisch humanidentes Insulin zu produzieren, womit die Behandlung des Diabetes mellitus stark verbessert werden konnte. Mit gentechnisch veränderten E. coli-Kulturen und Hamsterovarzellkulturen konnten große Mengen an Interferonen produziert werden, die als Medikamente für Millionen Erkrankte mit Multipler Sklerose, Gelbsucht und Tumoren Hoffnung bedeuten. Transgene Mäuse dienen als Modelle zur Erprobung neuer Medikamente. Mit transgenen Schweine könnten in absehbarer Zeit künstliche Organe heran gezüchtet werden. Konzerne, die diese technischen Möglichkeiten entwickeln und solche High-Tech-Medikamente produzieren, sind inzwischen milliardenschwer. Vor allem ethische Gründe sind es, die Primaten und den Menschen selbst bisher nicht transgen werden ließen. Aber in Kombination mit dem Klonen eröffnen sich grundsätzlich Möglichkeiten, die Frankensteins Labor in den Schatten stellen.

Gleich bedeutend wurde der Einsatz in der Zucht von Pflanzen, in deren Genom bestimmte Gensequenzen gezielt eingesetzt werden, um damit ganz neue Eigenschaften zu erreichen, die durch Kreuzung oder forcierte Mutationen kaum je erreichbar wären, weil ein artenüberschreitender DNA-Transfer stattfindet. So wurde in das Weizengenom ein Gen aus der Pfefferminze eingeschleust, das die Pflanze resistent gegen Blattläuse macht. BASF erzeugt eine neue Erdapfelsorte, die gegen bestimmte Pilze, die enorme Ernteschäden verursachen können, resistent ist. Der Klimawandel verschärft Trockenperioden und so war es Ziel, eine trockentolerantere Erdapfelsorte zu kreieren (Monsanto und BASF). 600.000 qkm Boden weltweit hat inzwischen eine so hohe Salzbelastung, dass vorhandene Rapssorten nicht mehr darauf wachsen und so war ein Ziel, salztolerante Rapspflanzen zu entwickeln. Vitamin E spielt bei Herz-Kreislauferkrankungen, Entzündungen und malignen Tumoren eine wichtige Rolle und deshalb fokussierte die Forschung auch darauf, transgene Ölpflanzen wie Raps und Soja mit besonders hohem Öl- und damit Vitamin-E-Gehalt zu entwickeln. Eine Aufzählung solcher Beispiele ließe sich noch länger fortsetzen.

Unsicherheitsfaktor Mensch

Ängste sind diffus. Ungeklärte Auswirkungen auf unser Ökosystem und nicht vorhersehbare Interaktionen sind der Hintergrund mehr und weniger sachlich geführter zum Teil auch erbitterter politischer Diskurse und Rechtsverfahren. Greenpeace, Global 2000 und andere befürchten Auswirkungen auf die Artenvielfalt und auf unseren Organismus, wodurch zumindest die Menschen in Europa sehr verunsichert wurden. Dem gegenüber stehen Argumente, dass diese transgenen Pflanzen unsere Ernährung nachhaltiger und länger absichern können, was angesichts abnehmender Ressourcen bei gleichzeitig zunehmender Weltbevölkerung unseren wahrscheinlichen Untergang hinaus zögern kann.

Die Biotechnologie-Konzerne sind globale Player geworden. Werden Millionen Bauern abhängig und damit erpressbar durch wenige Konzerne, die die Patente halten, so bekommen solche Firmen große Macht einhergehend mit der Gefahr von Missbrauch, da Gewinnmaximierung immer Ziel sein wird, um die Gier der Aktionäre zu stillen. Unser Nationalstaatengefüge und die Uneinigkeit untereinander verhindern effektive Kontrollmöglichkeiten über diese Konzerne. Darin und weniger im veränderten Genom sehe ich die Hauptgefahr der kommerziellen Gentechnologie.

Nicht die Technik sondern der Mensch dahinter ist das Risiko, da er diese oder das Monopol darauf auch als Waffe einsetzen kann.

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