Neunter Femizid in Österreich
Forderung nach mehr opferschutzorientierter Täterarbeit
Das Frauenhaus Burgenland und die Soziale Dienste Burgenland GmbH fordern u. a. effizientes Präventionsprogramm angesichts der steigenden Zahl an Femiziden in Österreich.
BURGENLAND. Schwer betroffen zeigen sich die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Burgenland angesichts der Nachrichten vom neunten Frauenmord durch Ex-Partner (Femizid) in Österreich binnen kurzer Zeit. Gleichzeitig betonen sie: „Das Frauenhaus Burgenland bietet Schutz und Sicherheit für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses sind rund um die Uhr telefonisch unter 0 26 82/61 280 erreichbar, sodass auch in Corona-Zeiten eine Aufnahme im Notfall jederzeit gewährleistet ist“, sagt etwa Julia Renner, Sozialpädagogin im Frauenhaus.
Opferschutz-Expertinnen anhören
Das Frauenhaus Burgenland wurde im Vorjahr vom Psychosozialen Dienst Burgenland übernommen. Seit Ende April ist der Psychosoziale Dienst in die neu gegründete Tochter der Landesholding Burgenland integriert worden, in die Soziale Dienste Burgenland GmbH, mit dem Frauenhaus Burgenland und dem Sozialhaus Burgenland. „Damit ist gewährleistet, dass der Schutz gewaltbetroffener Frauen im Burgenland stets sicher finanziert ist“, so Johannes Zsifkovits, Geschäftsführer der Sozialen Dienste Burgenland GmbH.
Aus Sicht des Frauenhauses wäre es „sinnvoll, die Stimmen der Expertinnen ernst zu nehmen und die Frauenhäuser auch zu Gewaltschutzgesprächen im Bund einzuladen – und das regelmäßig, nicht nur dann, wenn etwas passiert.“ Den Gewaltschutzgipfel am gestrigen Montag kritisiert der Verein autonomer Frauenhäuser in Österreich als „Maßnahmenpaket ohne Budget“.
Opferschutzorientierte Täterarbeit
Aus Sicht der Sozialen Dienste Burgenland braucht es für den Opferschutz eindeutig mehr Geld vom Bund. Die Expertinnen des Frauenhauses Burgenland hätten auch Vorschläge, was zu tun wäre: „Es gibt nach wie vor kein effizientes Präventionsprogramm, keine Beratungsangebote für Täter in den Fällen von häuslicher Gewalt“, bestätigt Kerstin Bedenik, diplomierte Sozialarbeiterin im Frauenhaus, „mehr opferschutzorientierte Täterarbeit ist notwendig.“
Verbesserungswürdig wäre auch die öffentliche Darstellung: „Ermordet ein Ehemann oder Expartner seine Ehefrau oder Lebensgefährtin, darf das einfach nicht mehr ‚Beziehungsdrama‘ genannt werden. Es handelt sich um Femizide und diese sollen auch als solche bezeichnet und bestraft werden“, fordert Isabel Bernhardt, klinische- und Gesundheitspsychologin im Frauenhaus Burgenland.
SPÖ: Online-Petition
Die SPÖ hat zudem eine Petition gestartet, um die Regierung zum Handeln aufzufordern. Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich, mehr Mittel für den Gewaltschutz, Ausbau der Frauen- und Mädchenberatungsstellen in allen Bundesländern, mehr Frauenhausplätze und Übergangswohnungen in allen Bundesländern sowie ein bundesweiter Gewaltschutzgipfel mit Expertinnen und Experten sind die Forderungen. Ebenso essentiell sei der laufende Dialog mit allen im Gewaltschutz tätigen Organisationen und Stellen, um Gewalt gegen Frauen und somit auch Frauenmorde zu verhindern. Österreich müsse seinen Verpflichtungen im Rahmen der Istanbul-Konvention nachkommen, fordert SPÖ-Landesfrauenvorsitzende Astrid Eisenkopf.
Bis dato haben bereits fast 5.000 Menschen die Petition unterzeichnet.
Anlaufstellen
LAbg. Claudia Schlager, Frauensprecherin im Burgenländischen Landtag, betont außerdem, dass man im Burgenland insgesamt gut aufgestellt sei, es aber gerade beim Gewaltschutz niemals „zu viel gebe an personellen und finanziellen Ressourcen“ und sie für die zur Verfügungstellung weiterer Budgetmittel die Bundesregierung in der Pflicht sehe.
Wichtig sei ihr auch, dass jede Burgenländerin wisse, wo sie im Falle von Gewalt sofort Ersthilfe erhält und verweist dabei auf die Frauen-Helpline unter 0800 222 555, das Frauenhaus Burgenland aber nicht zu vergessen auch die Polizei unter 133 bzw. per SMS unter 0800 133 133 als eine wichtige Anlaufstelle.
Institutionalisierter Krisenstab
Eisenkopf und Schlager verlangen bei Krisengipfeln – wie dem am vergangenen Montag – auch die Einbindung von Opferschutzeinrichtungen, sowie die Organisation solcher zweimal im Jahr. Darüber hinaus brauche es einen „institutionalisierten Krisenstab“, der sich ständig mit dem Thema beschäftigt.
"Konzepte müssen früher ansetzen"
Ein Entschließungsantrag mit dem Titel "Schluss mit den Morden an Frauen durch Männergewalt" werde in der dieswöchigen Landtagssitzung von Frauensprecherin Schlager eingebracht. Oberste Priorität habe der Opferschutz, aber die Konzepte müssten schon früher ansetzen, nämlich bei den Tätern, bevor es überhaupt zur Gewaltanwendung – sei es verbaler oder körperlicher Art – komme.
„Das ist etwas, was wir immer wieder von den Opferschutzeinrichtungen hören. Gewalt muss auf allen Ebenen gestoppt werden und Gewaltprävention ist ein extrem wichtiger Faktor, denn Gewalt gegen Frauen beginnt nicht erst beim Morden. Gewalt beginnt oft schon mit Hasskommentaren im Netz, mit Stalking oder mit verbalen Beschimpfungen. Und genau hier muss angesetzt werden: Weder verbale noch körperliche Gewalt gegen Frauen ist ein Kavaliersdelikt. Es muss ein Umdenken stattfinden, auch die Angebote von Männerberatungsstellen müssen evaluiert und ausgebaut werden. Es darf jetzt nicht mehr zugewartet werden, bis es zu spät ist. Das Übel muss an der Wurzel gepackt werden. Gewalt geht uns alle etwas an“, so Eisenkopf und Schlager abschließend.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.