Sozialeinrichtungsgesetz
Wirtschaftskammer erwägt Klage beim VfGH
Wirtschaftskammer ließ Gesetzesvorlage zum burgenländischen Sozialeinrichtungsgesetz verfassungsrechtlich prüfen und sieht gleich aus mehreren Gesichtspunkten das Grundrecht der Erwerbsfreiheit verletzt
BURGENLAND. Die Kritik am geplanten Sozialeinrichtungsgesetz, das im Oktober beschlossen werden soll, reißt nicht ab: Am Freitag forderte die Wirtschaftskammer die Landesregierung dazu auf, die "fachlich gestützten Kritikpunkte der Wirtschaftskammer zu berücksichtigen". Sollte dies nicht erfolgen, sei eine Klage beim Verfassungsgerichtshof zur gesetzlichen Vertretung der Interessen der Wirtschaft eine unumgängliche Konsequenz, heißt es in einer Aussendung.
"Stellungnahme nicht berücksichtigt"
Jene in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf geäußerten erheblichen Bedenken gegen wesentliche Punkte seien – so wie die von der burgenländischen Arbeiterkammer zum am Donnerstag beschlossenen Sozialhilfegesetz – nicht berücksichtigt worden. "Die Sozialpartner werden somit beim so wichtigen und zukunftsweisenden Thema Pflege nicht eingebunden."
"Gemeinnützigkeit klingt sozial – ist aber nicht gerecht"
Insbesondere die geplante Beschränkung, dass der Betrieb von Pflegeeinrichtungen künftig nur mehr in Form der Gemeinnützigkeit ausgeübt werden darf, sorge auch über die Landesgrenzen hinaus für "massives Kopfschütteln". "Nicht nur Unternehmer wären von derartigen Beschränkungen betroffen, sondern auch die zu betreuenden Personen und deren Angehörige, denen jegliche Wahlfreiheit genommen würde." Auch die Grünen kritisierten zuletzt die geforderte Gemeinnützigkeit.
Rechtsgutachten bestätigt Bedenken
Diese Bedenken werden nun auch in einem Rechtsgutachten von Univ.Prof. DDr. Michael Potacs, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Wien, bestätigt. Darin heißt es, dass die Beschränkung des Betriebs auf gemeinnützige Einrichtungen gleich aus mehreren Gesichtspunkten das Grundrecht der Erwerbsfreiheit verletze, unter anderem auch, weil „gewinnorientierten Einrichtungen der Markteintritt ausnahmslos unmöglich gemacht wird".
Außerdem heißt es in dem Gutachten, dass „die Beschränkung des Betriebs auf gemeinnützige Einrichtungen aus dem Gleichheitssatz ableitbaren Sachlichkeitsgebot problematisch erscheint, weil es in einem System einer mit öffentlichen Geldern finanzierten Pflege trotz der damit verbundenen individuellen Ansprüche und Präferenzen keinerlei Alternativen zu einer Pflege durch gemeinnützige Rechtsträger zulässt“. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Umsetzung des Gesetzes in der vorliegenden Form Auswirkungen auf die übrigen Bundesländer haben kann.
"Öffentliche Gelder für private Anbieter kein Widerspruch"
Auch das Angebot im Pflegebereich müsse breit sein, um den steigenden Bedarf zu decken: "Anders als Teile der Landespolitik sieht die Wirtschaftskammer die absolute Notwendigkeit für ein breites Angebot an Pflegeeinrichtungen, in dem auch die privaten, gewinnerzielenden, Anbieter integriert sind, die neben einer nachvollziehbaren Leistung für die Menschen auch Gewinne erwirtschaften." Dass private Anbieter öffentliche Gelder und Aufträge erhalten, sei dabei kein Widerspruch. Denn so sei es ja ebenso nicht verwerflich, dass landesnahe Betriebe wie die Energie Burgenland mit den Gebühren derBurgenländer jedes Jahr Millionengewinne erwirtschaften, die als Dividende an das Land überwiesen werden, heißt es aus der Wirtschaftskammer.
Soziallandesrat sieht Klage gelassen entgegen
Der zuständige Soziallandesrat Christian Illedits (SPÖ) sieht der angedrohten Klage beim VfGH gelassen entgegen: „Das Sozialeinrichtungsgesetz wurde eingehend vom Verfassungsdienst des Landes Burgenland geprüft. Im Vorfeld vollzog dieser eine gesonderte Prüfung der Gemeinnützigkeit. Derartige Überlegungen sind auch den Landesrechtsordnungen anderer Bundesländer nicht fremd. Auch die entsprechenden Gesichtspunkte der Bundesabgabenordnung wurden berücksichtigt."
Für bestehende Einrichtungen sehe das Gesetz eine vierjährige Übergangsfrist für die Umstellung auf gemeinnützigen Betrieb vor, wodurch der nötige Vertrauensschutz gegeben sei. "Ich habe persönliche und konstruktive Gespräche mit allen nicht gemeinnützigen Betreibern geführt.
Die Wirtschaftskammer stößt sich an unserem politischen Ziel, wonach Profitorientierung und Gewinnmaximierung bei der Pflege und Betreuung betagter, hilfsbedürftiger oder behinderter Mitmenschen nichts verloren haben“, sagt Illedits.
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