Kritik wegen Medikamentenengpass
539 Arzneimittel fehlen in Österreich
Aktuell werden 539 Arzneimittel in Österreich als eingeschränkt oder nicht verfügbar gemeldet. Das sagen die Daten des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen. Dort werden betroffene Medikamente gelistet und sind öffentlich einsehbar. Die Österreichische Apothekerkammer sieht als Ursache die Herstellung sowie Verteilung und Lieferung von Rohstoffen und Medikamenten. Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Arzneimittelgroßhändler, spricht von einem "starken Infektionsgeschehen" und einer "außergewöhnlichen Situation".
ÖSTERREICH. In einer Stellungnahme der Österreichischen Apothekerkammer heißt es, dass viele Wirkstoffe aus Kostengründen nur noch in Asien produziert würden, an ein oder zwei Standorten, wodurch Europa vom Import abhängig ist. Selbst die Lagerung erfolgt meist im europäischen Ausland.
"Aus zwei Jahren Pandemie nichts gelernt"
Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, bedauert gegenüber dem Ö1-Morgenjournal am Dienstag, dass man aus "zwei Jahren Pandemie nichts gelernt hat". Man hatte die Idee innerhalb Europas autark zu werden, allerdings sei seitdem nichts geschehen. Lediglich an der Gewinnoptimierung habe man gearbeitet, so Mayer. "Wir sind weiter abhängig von Rohstoffen aus diversen Drittländern und wir haben es nicht geschafft eine vernünftige EU-einheitliche – oder von mir aus mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien, etc. – eine gemeinsame Versorgung an Medizinprodukten zu versuchen aufzubauen." Eine kurzfristige Lösung dieses Problems hält Mayer für ebenso wenig realistisch.
Bereits 2020 waren in Summe rund 1.100 Medikamente, 2021 ungefähr 800 und im Vorjahr beinahe 1.260 als nicht verfügbar gemeldet.
Starkes Infektionsgeschehen selbst für ein Normaljahr
Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Arzneimittelgroßhändler, sieht es im Ö1-Morgenjournal am 3. Jänner etwas differenzierter als Mayer. Man habe eine außergewöhnliche Situation nach zwei Jahren mit niedrigem Infektionsgeschehen und nun, selbst für ein normales Jahr, ein sehr starkes Infektionsgeschehen. Die Pandemie habe insbesondere gezeigt, dass globale Lieferketten stark unter Druck geraten seien.
Da die Herstellung einer Einschätzung des Marktes folgt, sei es gerade bei Antibiotika zu Engpässen gekommen. Das Infektionsgeschehen sei unvorhersehbar stärker als in den vergangenen Jahren. Bei den Wirkstoffen wurde bereits im September 2022 ein Problem erkannt. "Diese Kombination ist jetzt ziemlich krass geworden", so Windischbauer.
Herstellung innerhalb EU nicht rentabel
In einem Punkt stimmt er Mayer zu, denn man müsse zumindest die Lagerung von Arzneimitteln in Europa, aber auch speziell in Österreich, stärker vorantreiben, "um hier resistent zu werden". Bei der Beschaffung sei man von zugeteilten Kontingenten eingeschränkt und könne daher nicht einfach ein Medikamenten-Lager hierzulande aufbauen.
Geht es um die Verlagerung des Herstellungsprozesses nach Europa, so sieht Windischbauer größere Hürden: Einerseits die Preispolitik, andererseits die Langwierigkeit dieses Vorhabens. 70 Prozent der gängigsten Arzneimittel würden unter sechs Euro kosten, wodurch die Herstellung in Europa mit den bestehenden Lohnkosten nicht möglich sei.
Er mache sich kaum Sorgen wegen derzeitigen Engpässen, da es für viele der rund 1.000 fehlenden passende Alternativen gebe über die Apothekerinnen und Apotheker Bescheid wüssten. Ein Krisenlager zu haben, sei jedoch zu jeder Zeit sinnvoll. Hamsterkäufe würden verschreibungspflichtige Medikamente nicht betreffen und Windischbauer wenig Besorgnis bereiten.
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