Experten klären auf
Darum ist das Lipödem bis heute eine verkannte Krankheit

Das Lipödem, die verkannte Krankheit. Den meisten Patientinnen geht ein langjähriger Leidensweg voran, denn bis heute wird die Krankheit zu selten erkannt. Dr. Sabine Maier, Präsidentin der Austrian Academy of Cosmetic Surgery and Aesthetic Medicine, versammelte daher Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten. | Foto: Unsplash
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Sabine Maier, Präsidentin der Austrian Academy of Cosmetic Surgery and Aesthetic Medicine, lud am 9. Juni 2021 zur hochrangig besetzten Expertenrunde zum Thema Lipödem, um neue Behandlungsmethoden und neue Errungenschaften auf dem Gebiet gemeinsam zu diskutieren. Unter den Vortragenden Florian Kiefer, Eleni Prigliner, Martin Barsch, Peter Lisborg, Rupert Koller, Kornelia Böhler-Sommeregger, Chieh-Han John Tzou und Matthias Sandhofer.

ÖSTERREICH. Das Lipödem, die verkannte Krankheit. Den meisten Patientinnen geht ein langjähriger Leidensweg voran, denn bis heute wird die Krankheit zu selten erkannt. Sabine Maier, Präsidentin der Austrian Academy of Cosmetic Surgery and Aesthetic Medicine, versammelte Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten. "Die Austrian Academy ist ein interdisziplinärer Verein", so die Präsidentin in ihren einleitenden Worten: "Daher freut es mich umso mehr, dass wir so zahlreiche Experten zu diesem Thema laden konnte, die neue Aspekte auf die verkannte Krankheit,  das Lipödem, aufzeigen können."

Das Lipödem, die verkannte Krankheit. Den meisten Patientinnen geht ein langjähriger Leidensweg voran, denn bis heute wird die Krankheit zu selten erkannt. Sabine Maier (Foto), Präsidentin der Austrian Academy of Cosmetic Surgery and Aesthetic Medicine, versammelte daher Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten. | Foto: Dr. Sabine Maier
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Traurige Schicksale der Patientinnen

Das Lipödem ist eine meist genetisch bedingte Fettvermehrung an Beinen und Armen. Die Vererbung kann sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits geschehen, die letzte Manifestation in der Familie kann jedoch mehrere Generationen zurückliegen. Matthias Sandhofer gilt als Vorreiter der ambulanten Liposuktion in Österreich. Er kennt die traurigen Schicksale der Patientinnen: "Wir haben das Problem, dass das pummelige Mädchen mit 14 Jahren bereits als fett wahrgenommen wird, und es wird ihm gesagt, es soll weniger essen und sich mehr bewegen. Es sind ja ausschließlich Frauen, die daran erkranken, und die Armen suchen dann die die Schuld bei sich selber, das bedeutet Stress pur, das wird nach 20 Jahren zu Depression und nach weiteren 20 Jahren  wird aus der Depression dann Demenz", so Sandhofer. 

10 Prozent aller Frauen haben ein Lipödem

"Merkmale des Lipödems sind unter anderem erhebliche Druck und Berührungsempfindlichkeit, der berühmte Watschelgang der älteren Damen", so Sandhofer. Laut dem Experten sind es etwa fünf Prozent alle Frauen im deutschsprachigen Raum, die ein Lipödem haben. Sandhofer: "Das ist keine gültige Statistik, wahrscheinlich muss man noch fünf Prozent dazurechnen, wahrscheinlich stehen 10 Prozent der Frauen im Verdacht." Alleine in Österreich sind das 200.000 Frauen, etwa 2 Millionen sind es in Deutschland und rund 10 Millionen Frauen in Amerika. Laut Sandhofer ist das Lipödem eine verkannte und falsch diagnostizierte Krankheit. "Denn beim Lipödem geht es nicht um eine Vermehrung des Fetts,  sondern es geht um Blutgefäße. Wir entnehmen pathologische Blutgefäße, keine Fettzellen."

Das Lipödem, die verkannte Krankheit. Den meisten Patientinnen geht ein langjähriger Leidensweg voran, denn bis heute wird die Krankheit zu selten erkannt. Dr. Sabine Maier, Präsidentin der Austrian Academy of Cosmetic Surgery and Aesthetic Medicine, versammelte daher Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten. | Foto: Unsplash
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"Ärzte behandeln Adipositas statt Lipödem, das ist falsch"

"Schon die alten Internisten sagten: Das sind die gutartigen Dicken, die haben keinen Zucker und keine Gefäßerkrankungen", so Sandhofer über Lipödem-Patienten: "Bei dem Lipödem handelt es sich um eine Hypoplasie des Fettgewebes, wir glauben, es sind nicht die Lymphgefäße." Fakt ist, Personen, die ein Lipödem haben, tun sich sehr schwer beim Abnehmen, die Patientinnen nehmen drei Kilo ab und gleich drauf sieben Kilo wieder zu, denn: "Sie verbrennen nicht, sondern speichern", so Sandhofer: "Daher ist es sinnlos, diätologische Beratungen aufzuzwingen, die meisten Ärzte behandeln Adipositas statt Lipödem, das ist falsch."

"Lipödem ist kein Ödem, das ist ein falscher Name'"

Laut Sandhofer werden Patienten völlig verkehrt behandelt. Sandhofer: "Das ist ein Kunstfehler, eine Frechheit an den Patienten. Mit Lymphdrainage bekommt man ein Lipödem nicht weg, dass das heute noch empfohlen wird, ist falsch und täuscht. Auch eine Kompression ist sinnlos."

"Die wenigsten haben Diabetes"

Florian Kiefer ist Oberarzt an der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel am Allgemeinen Krankenhaus Wien (AKH) tätig und betreut Patienten aus dem Bereich Innere Medizin mit Schwerpunkt Stoffwechsel- und Hormonstörungen. Dazu zählen insbesondere Erkrankungen der Schilddrüse, Diabetes, Adipositas und Fettstoffwechselstörungen. Kiefer: "Die meisten Frauen mit Lipödem wirken adipös, aber sind sie es auch? Die wenigsten haben Diabetes, trotz BMI über 40. Fast alle sind also im schwer adipösen Bereich nach Bodymassindex (BMI), doch dieser sagt nichts darüber aus, welche metabolischen Eigenschaften das Fettgewebe hat." Laut Kiefer bestehe ein fundamtaler Unterschied zwischen subkutanen und viszeralem Fett. "Beim Lipödem haben wir es wohl mit einer Entartung des subkutanen Fetts zu tun."

Patienten haben normalen Glukosestoffwechsel

 Laut Kiefer wisse man noch immer nicht, wie der metabolische Phänotyp der Patienten ist. Kiefer: "Fast niemand hat Bluthochdruck, Prädiabetes ist ganz selten, auch das PCOS. Je höher der BMI, desto höher ist der Zucker, das trifft beim Lipödem nicht zu. Das heißt, es ist ein ganz anderes Fettgewebe, auch bei massiv hohem BMH hat der Patient einen ganz normalen Glukosestoffwechsel. Erst sekundär kann sich eine Adipositas entwickelnde, weil sich die Patienten aufgrund der Schmerzen nicht bewegen können, weil sie frustriert sind und mehr essen." Der Experte rät Patienten dennoch zur Bewegung, auch wenn Sport fast nichts zur Gewichtsreduktion bei Patienten mit einem Lipödem beitragen kann. "Aber es vermindert das Risiko, zusätzlich noch eine Adipositas zu entwicklen." Für Kiefer sind noch zu wenige Fragen beantwortet: "Alleine wenn man sich ansieht, wo sitzt das Fett, weiß man, wie ist die Metabolik des Patienten. Für mich unbeantwortet ist die Frage: Sind Lipödem-Patiente metabolisch gesunde Patienten?" Er fordert dazu auf, weltweit nach Antworten zu suchen.

Mehr dazu:

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