Rendi-Wagner: "Mehr Wissen für alle Patienten"

Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner im Gespräch mit der RMA Gesundheit: "Gesundheitsversorgung muss in Wohnortnähe und umfassend sein." | Foto: Markus Spitzauer
  • Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner im Gespräch mit der RMA Gesundheit: "Gesundheitsversorgung muss in Wohnortnähe und umfassend sein."
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Wie gut wissen die Österreicher und Österreicherinnen über ihre Gesundheit Bescheid?
RENDI-WAGNER: Grundsätzlich wissen wir, dass ein ganz enger Zusammenhang zwischen der Gesundheitskompetenz und der Gesundheit der Menschen besteht. Wer gut über das Thema Gesundheit informiert ist, weiß, wie er mit Erkrankungen umgeht, die Behandlung richtig anwendet bzw. wo er die passende medizinische Hilfe bekommt.
Wer sich mit seiner Gesundheit auseinandersetzt, achtet auch verstärkt darauf, dass er gesund lebt. Dieses Wissen um Gesundheit zu stärken ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Gesundheitspolitik. Eine europaweite Untersuchung 2012 hat gezeigt, dass weniger als die Hälfte der Österreichinnen und Österreicher sehr gut bis passabel informiert ist.

Gibt es Unterschiede in den Bundesländern?
Ja, es hat sich herausgestellt, dass die Bevölkerung in Westösterreich insbesondere in Tirol und Vorarlberg besser über Gesundheitsthemen Bescheid weiß, während in Ostösterreich vor allem in Wien, Niederösterreich und der Steiermark Nachholbedarf besteht.

Welche Maßnahmen wurden gesetzt?
Das Wichtigste ist, dass die Menschen leicht an notwendige Gesundheitsinformationen herankommen. Ein wichtiges Pilotprojekt dazu ist die telefonische Gesundheitsberatung 1450. Seit April gibt es in Wien, Niederösterreich und Vorarlberg unter der Telefonnummer 1450 kostenfreie Beratung: Menschen in einer gesundheitlichen Notsituation werden dabei unterstützt, mögliche Risiken besser einzuschätzen. Wie gefährlich ist meine Erkrankung, muss ich sofort die Rettung holen oder bin ich bei meinem Hausarzt besser aufgehoben?

Wenn wir nach einem Jahr sehen, dass das Angebot sehr gut genützt wird, dann werden wir dieses Service gemeinsam mit den Ländern auf andere Bundesländer ausweiten. In Niederösterreich wird das Projekt schon jetzt sehr positiv angenommen.

Weiters haben wir die Österreichische Plattform für Gesundheitskompetenz gegründet, wo viele verschiedene Institutionen dazu beitragen, Gesundheitswissen in der Bevölkerung zu vertiefen.

Was will man mit solchen Serviceleistungen erreichen?
Mit der Gesundheitsberatung 1450 erreicht man beispielsweise, dass die Menschen an die richtige Gesundheitseinrichtung kommen um versorgt zu werden: Viele Beschwerden sind viel besser wohnortnahe beim Hausarzt bzw. mit ihren Kindern beim Kinderarzt zu behandeln, man muss nicht immer reflexartig in die Ambulanz gehen. Im Spital sollen jene Menschen versorgt werden, die ein sehr komplexes Krankheitsgeschehen haben.

Wie wichtig sind für Sie Publikumsvorträge wie sie etwa beim MINI MED Studium gemacht werden?
MINI MED leistet einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Gesundheitskompetenz, da es Wissen sehr einfach und praxisnah vermittelt. Es gibt auch die Möglichkeit zur Frage-Antwort-Interaktion mit Experten, das verbessert die Gesundheitskompetenz des Publikums. MINIMED ist ein gutes unterstützendes Angebot für die Bevölkerung um das Gesundheitswissen zu verbessern, deswegen waren wir auch immer Partner.

Das Gesetz zur Primärversorgung wurde kürzlich beschlossen. Was sind die wichtigsten Punkte?
Die Kernmerkmale der neuen Primärversorgung sind
• Rundumversorgung
• lange Öffnungszeiten und
• Wohnortnähe

Wir wissen aus Umfragen, dass Patienten nicht von einer Gesundheitseinrichtung zur nächsten geschickt werden möchten, weiters besteht der Wunsch nach längeren Öffnungszeiten, auch wird mehr Zeit für das Arztgespräch gegeben sein.

Derzeit gibt es zwei Primärversorgungszentren als Pilotprojekte: eines in Enns (OÖ) und eines in Wien auf der Mariahilferstraße. In Enns beträgt die Ordinationszeit von Montag bis Freitag zehn Stunden, an zwei Tagen sogar zwölf Stunden. Sie finden keinen Allgemeinmediziner, keine Ordination, die das erfüllen kann, schon rein arbeitszeittechnisch wäre das schwierig.

Außerdem sind Ärzte und nicht-ärztliche Gesundheitsberufe - von der Hebamme über den Sozialarbeiter bis zum Physiotherapeuten - in den Gesundheitszentren unter einem Dach. Dadurch erspart sich der Patient Wege und Zeit.

Ärzte haben den Vorteil, dass sie im Team arbeiten und sich austauschen können, auch ihre Arbeitszeiten werden sich flexibler gestalten, sie haben dann auch mehr Zeit für das Arzt-Patientengespräch.

Wir stehen jetzt am Beginn der Umsetzung des Gesetzes zur Primärversorgung, das ist ein Prozess. Denn ein Gesetz ist immer nur so gut, wie seine Umsetzung – es liegt an uns allen diese Herausforderung gut zu meistern.

Wie stehen Sie zum Facharzt für Allgemeinmedizin?
Ich glaube, man muss sich das genauer anschauen, generell bin ich offen für die Aufwertung des Hausarztberufes - in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer, den Medizinuniversitäten, der Sozialversicherung und den Bundesländern. Im Vordergrund steht dabei die Attraktivierung der Ausbildung, ein Punkt davon wird auch die Diskussion um den Facharzt für Allgemeinmedizin sein.

Welche Honorierungsmodelle für Ärzte sind in den künftigen Primärversorgungszentren angedacht?
Da wird es noch viele Gespräche geben. Es sind unter anderem auch Anreize für Ärzte in den Regionen angedacht, um die regionale Versorgung sicherzustellen.

Zur Person: Pamela Rendi-Wagner

Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner, die im Mai ihren 46. Geburtstag gefeiert hat, kann bereits auf eine steile wissenschaftliche Karriere zurückblicken. Sie ist Fachärztin für Tropenmedizin und Epidemiologie, arbeitete in London sowie in Tel Aviv und war über zehn Jahre lang am Institut für Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien wissenschaftlich tätig.
Als Sektionschefin im Gesundheitsministerium bewährte sie sich nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima, bei gehäuftem Auftreten von Virusinfektionen, als Verfechterin des nationalen Impfplanes sowie als Krisenmanagerin.
Im Gesundheitsministerium sieht sie das koordinierte und abgestimmte Vorgehen aller Systempartner (Bund, Länder, Sozialversicherung) als spannende Herausforderung. Pamela Rendi-Wagner ist verheiratet und Mutter von zwei Töchtern

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