Behinderung in der Antike: Althistoriker Josef Fischer über das Leben einer Randgruppe

Althistoriker Josef Fischer: "Schon in der Antike gab es das Vorurteil, dass Menschen, die körperlich nicht vollkommen waren, auch geistig oder moralisch nicht vollkommen sind." | Foto: Burghardt
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WIEN. Der Althistoriker Josef Fischer erforscht die griechische und römische Antike. Das ist ungefähr der Zeitraum von 1500 vor bis 500 nach Christus. Aber nicht Kaiser, Kriege und die Mächtigen haben es ihm angetan: Fischer möchte vor allem wissen, wie die einfachen und vom Schicksal weniger bevorzugten Menschen gelebt haben. Sklaven, Alte und Kranke, aber auch Körperbehinderte stehen im Mittelpunkt seiner Forschung.

Wenn Sie den Umgang mit körperbehinderten Menschen damals und heute vergleichen, was fällt Ihnen dann am meisten auf?
FISCHER: Vorurteile. Viele Vorurteile, die man heute antrifft, gab es schon genau gleich in der Antike. Griechen und Römer hatten Vorurteile gegenüber Fremden, gegenüber anderen Religionen und gegenüber Körperbehinderten.

Was ist so ein typisches Vorurteil?
In der Antike gab es das Vorurteil, dass Menschen, die körperlich nicht vollkommen waren, auch geistig oder moralisch nicht vollkommen seien. Sehr deutlich zeigt sich das in der Religion. Behinderte wurden von vielen Ämtern ausgeschlossen.

Der Dichter Homer wurde blind dargestellt, der Schmiedegott Hephaistos hat einen Hinkefuß. Das sind zwei antike Beispiele, wo Figuren, die etwas Schönes geschaffen haben, eine Behinderung zugeschrieben wird.
Blindheit war gesellschaftlich immer höher angesehen. Der Blinde hatte immer den Touch des Weisen. Hephaistos ist zwar ein Gott, er ist auch verehrt worden, aber er wird von den anderen Göttern verspottet. Seine Mutter Hera hat ihn nach der Geburt ins Meer geworfen, als sie seine Behinderung bemerkte.

Das führt zur nächsten Frage: Stimmt es, dass behinderte Babys in der Antike ausgesetzt wurden?
Einige Philosophen wie Platon oder Aristoteles haben empfohlen, dass man behinderte Kinder nicht aufziehen sollte. De facto wissen wir aber, dass viele behinderte Kinder aufgezogen worden sind. Die Aussetzung ist aber keine Kindstötung. Die Kinder wurden so ausgesetzt, dass sie gefunden wurden. Zum Beispiel an belebten Stellen. Findelkinder waren eine wichtige Quelle für Sklaven.

"Viele Vorurteile, die man heute antrifft, gab es schon genau gleich in der Antike."

Es gibt Funde von antiken Prothesen. Welche anderen Hilfen kannten die Menschen damals für körperbehinderte Menschen?
Meistens wurden Stöcke und Stützen verwendet. Beinprothesen waren teuere Handwerksarbeiten. Wer genug Geld hatte, konnte sich außerdem mit Sänften herumtragen lassen oder Kutschen benutzen. Körperbehinderte aus der Oberschicht konnten sich nicht nur Hilfe leisten, sondern hatten auch die Möglichkeit auf Ausbildung und Karriere.

Gibt es Beispiele von staatlicher Förderung in der Antike?
In Athen gab es eine staatliche Invalidenrente. Man durfte dafür ein Höchstvermögen nicht überschreiten und aufgrund der Behinderung nicht fähig sein, für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen. Das wurde regelmäßig geprüft. Ursprünglich wurde dieses Rente vermutlich für Kriegsinvaliden eingeführt und später dann auf alle Behinderungen ausgeweitet.

Zur Person: Josef Fischer

Josef Fischer wurde 1976 in Salzburg geboren. Dort studierte er auch Alte Geschichte und Altertumskunde. Nach Aufenthalten in München und Trier kam er vor sieben Jahren wegen eines Forschungsprojektes nach Wien an die Akademie der Wissenschaften.

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