Hürden im Berufsleben
"Mama sein sollte eine zusätzliche Superkraft im Lebenslauf sein"

Claudia Auer plädiert für mehr Authentizität in der Mutterrolle und kritisiert, dass die Gesellschaft auf junge Mütter extremen Druck ausübt. | Foto: Windelwecker
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  • Claudia Auer plädiert für mehr Authentizität in der Mutterrolle und kritisiert, dass die Gesellschaft auf junge Mütter extremen Druck ausübt.
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Claudia Auer, Autorin des Blogs "Windelwecker" spricht im Interview mit den Regionalmedien (RMA) über die Herausforderungen als junge Mutter im Alltag und Berufsleben, warum Authentizität wichtiger ist als Perfektionismus und warum es manchmal auch schön ist, mit jemandem zu reden, der auch Augenringe hat wie man selbst.

RMA: Wie bist du auf die Idee deines Blogs gekommen?
Claudia Auer: Mit diesem Blog möchte ich zeigen, dass Mamas nicht alles perfekt machen müssen. Jeder Tag ist anders, einmal kann er chaotisch sein, dann ist wieder heile Welt angesagt.
Viele Mamas zeigen nach außen, sie seien perfekt, in Wirklichkeit ist es aber gar nicht so. Nach Gesprächen mit vielen Mamas habe ich beispielsweise herausgefunden, dass fast kein Kind die Nacht durchschläft, obwohl sie es zunächst behaupten. Plötzlich ist die Rede von mehrmaligem wach werden, um zu füttern. Für mich ist das aber dann keine perfekte Nacht, sondern es ist genauso wie es ist. Du bist dann halt eine von den zehntausenden Mamas auf dieser Welt, die um fünf aufstehen müssen.

Warum sind Mütter nicht so ehrlich, wenn es um ihre Kinder geht?
Sie wollen nach außen perfekt wirken. Die Mama, die alles im Griff hat. Wenn man mit Mamas spricht, kommt man schnell zum Thema, was mein Kind schon alles kann. Mein Kind geht schon, warum geht deines noch nicht, usw. Meine Tochter Marie ist jetzt 15 Monate alt und geht noch nicht im Gegensatz zu ihren Freunden. Wenn ich ein Video von den drei an Freunde schicke, wird sofort danach gefragt, warum Marie noch nicht gehen kann! Vor allem Frauen versuchen sich oft krampfhaft zu vergleichen.

Wenn eine Mama mit solchen Fragen konfrontiert wird, fühlt sie sich in eine Ecke getrieben und versucht die Schuld bei sich zu sehen. Dabei sollte gerade die Kindheit gerade kein Wettbewerb sein. Mich hat der Umstand, dass Marie nicht gehen kann auch beschäftigt, aber ich kam zu dem Entschluss, es ist besser, wir konzentrieren uns auf andere Dinge, die sie gerade beschäftigen und geben ihr auch die Zeit, die sie braucht! Und der Arzt hat auch nichts Beunruhigendes festgestellt.

Ich finde, genau das macht doch eine Person aus: Man muss nicht immer mit dem Strom schwimmen! Man sollte viel mehr auf die Individualität des Kindes eingehen. Authentizität sollte heute wichtiger sein. Mein Vorteil in der heutigen Zeit ist, dass ich nicht Mainstream bin. Ich finde Makel schön und man sollte sich Fehler erlauben dürfen. 

Zudem war ich in meinem Freundeskreis die erste mit einem eigenen Kind. Da fühlt man sich schon etwas verloren. Durch Zufall lernte ich bei der Besichtigung eines Kindergartens eine junge Mutter kennen. Sie hat sich nach der Geburt gemeldet. Ich fand das toll, weil ich unbedingt mit jemanden reden wollte, der in der gleichen Situation ist und Augenringe hat wie du.
Jetzt haben wir auch eine Gruppe von Mamas, bei der ein wertefreies Miteinander gilt. Jeder darf auch mal einen schlechten Tag haben, und wir motivieren uns gegenseitig. Ein externer Austausch neben der eigenen Mutter und Freunden ist auch unerlässlich.

Mamasein soll eine zusätzliche Superkraft im Lebenslauf sein, findet die junge Mutter. | Foto: Windelwecker
  • Mamasein soll eine zusätzliche Superkraft im Lebenslauf sein, findet die junge Mutter.
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Wie fallen die Reaktionen auf den Blog aus?
Mir ist aufgefallen, dass Menschen Empfehlungen oder Regeln immer eins zu eins übernehmen wollen und gar nicht auf die individuelle Entwicklung des Kindes eingehen. Zum Beispiel sollte man erst nach 6 Monaten mit Beikost beginnen. Ich habe mit Marie aber schon ein wenig früher begonnen, da ich bemerkte habe, dass sie unser Essen stark fasziniert. Ich habe dann Kommentare auf einen Post gelesen, mit dem Vorwurf, wie kann ich es wagen, schon früher damit zu starten.
 
Hat sich der Druck durch Social Media auf Mamas vergrößert?
In den sozialen Medien kommt natürlich immer mehr Kritik als Lob. Vor allem in der Mamawelt wird ständig alles kritisiert. Momentan nehm ich einen Wandel in der Inszenierung von Mamas wahr. Ich selber folge lieber Mamas, die auch von anstrengenden Nächsten mit den Kindern berichten. Mamas, die ihre Kinder lieben und zugeben, dass Muttersein anstrengend ist, sind die Besten.

Wie hast du dich im Informationszeitalter auf die Rolle der werdenden Mutter vorbereitet?

Ich habe natürlich viel im Internet gelesen. Man wird dabei aber mit Infos überflutet, und man ist schnell überfordert! Durch einen Freund bin ich dann auf das Buch „Artgerecht“ von Nicola Schmidt gestoßen, dass mehr die Basics abdeckt. Die Hauptbotschaft lautet:  Das funktioniert auch ohne Unsummen an Ausgaben für die besten Windeln, dem schönsten Wickeltisch oder Unmengen an Spielzeug. Es geht eher darum, auf die grundlegenden Bedürfnisse des Kindes einzugehen. Die moderne Welt hat sich davon nämlich stark entfernt.

Kurz nachdem du dich über die Schwangerschaft gefreut hast, überkommen dich Selbstzweifel, ob du überhaupt den Herausforderungen gewachsen bist. Es ist wichtig die Erwartungen an sich nicht zu hoch zu stecken. Das Buch möchte dir mitteilen, dass du in die Rolle langsam reinwächst. Auch nach einem Jahr lerne ich noch immer dazu. Ich kann nicht erwarten, dass ich am ersten Tag perfekt bin.

Bevor ich Mutter wurde habe ich mir für das kommende Jahr viele Ziele gesteckt. Im Jahr 2020 hatte ich auf meiner To-Do Liste nur den Punkt: „Ankommen als Mama (kein Perfektionismus).“

Welche typischen Fehler macht man zu Beginn?
Man kann sehr leicht zu viel Geld ausgeben. Der Materialismus fängt ja schon beim Kinderwagen an. Es gibt hierbei keine Preisgrenzen! Für das Geld bekommt man schon einen Gebrauchtwagen. Da muss man sich schon die Frage stellen, warum ich überhaupt so einen teuren Kinderwagen haben muss. Habe ich den auf Instagram gesehen oder weil ihn andere Eltern haben? Meine Mutter hat mir so viele Babysachen gekauft. Das war gar nicht notwenig. In den ersten drei Monaten wachsen sie eh so schnell. Jetzt kauf ich weniger Kleidung dafür hochwertig und in größeren Größen. Meine Generation tendiert eher zu einem qualitativ hochwertigen Minimalismus. Unsere Eltern haben sich nach außen gerne als wohlhabend gezeigt.

Wie ist der Umgang in der Gesellschaft mit jungen Müttern?
Zu viel Druck von außen beginnt schon im Krankenhaus. Die Hebamme hat mich direkt nach der Geburt attackiert, wie ich den das Baby halte. Auch beim Stillen wurde ich gleich mit Anweisungen überflutet, sodass ich komplett überfordert war. Erst zu Hause konnte ich in Ruhe das Stillen lernen. Sie denken schon einen Schritt weiter und wissen, was das Problem ist, aber lassen der Mutter nicht die Gelegenheit, das selbst zu lernen. Ich hab auch mal den Arzt gebeten, Maries Lunge zu überprüfen, weil meine Mutter in einem Video gehört hat, Marie atmet zu laut. Der sagte nach der Kontrolle daraufhin: „Schicken sie ihr lieber Standbilder!“

Dein Kind ist kurz vor der Pandemie zur Welt gekommen. Wie war das für dich?
Durch den ersten Lockdown konnte wir uns als Familie finden. Meine Mutter war nur bei der Geburt da, wofür ich ihr dankbar bin. Dass uns niemand danach besuchen konnte, genossen wir sogar, weil diese Phase war von schlaflosen Nächten und dem Zusammenwachsen als Familie geprägt. Auch ohne Corona hätte ich so gehandelt. Mittlerweile wäre es aber schon praktisch, wenn meine Mutter in Österreich leben würde, damit ich und mein Partner mal 2 Stunden für uns hätten.

Wie wird sich Pandemie auf berufstätige Mütter auswirken?
Ich denke, dass die Pandemie die Bereitschaft der Unternehmen gestärkt hat, auch nach der Zeit Homeoffice weiterzuführen, was mir als Mutter zu gute kommt. Die Pandemie beleuchtet, auf welche Werte es ankommt und die Digitalisierung ermöglicht es berufstätigen Eltern mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Beispielsweise müsste man nicht immer gleich für ein Teammeeting extra hin und zurück fahren. Ausgeglichenes Homeoffice bedeutet für Eltern mehr Freiheiten.

Hast du schon negative Erlebnisse im Beruf erfahren?
Ja, vor nicht all zu langer Zeit habe ich einen Anruf von einem Recruiter bekommen. Als er im Hintergrund meine Tochter hörte, betonte er, dass sein Kunde keine Mutter für diese Position möchte. Da frag ich mich schon: Geht es um meine beruflichen Kompetenzen oder um mein Mutterdasein? Dieses Erlebnis hat mich in meinen weiteren Bewerbungsschritten erheblich verunsichert und ich hatte Angst zu erwähnen, dass ich Mama bin. Dabei sollte Mamasein doch eine zusätzliche Superkraft im Lebenslauf sein! Schließlich trage ich die Verantwortung für einen Menschen. Daher entschloss ich mich, dies als eine Stärke zu sehen!

Ich bin mir aber sicher, dass ein Mann diesen Job beziehungsweise die Chance auf ein weiteres Bewerbungsgespräch bekommen hätte, obwohl er auch schlaflose Nächte hat und für das Kind da sein muss. Nur bei einem Mann wird das nicht als Schwäche ausgelegt. Man muss hier die Kommunikation ändern. Es haben Papa und Mama ein Kind. Es genügt nur ein wenig mehr Mut und out-of-the-box Denken seitens der Recruiter und der Geschäftsführung, denn dies kann zu einem langfristigen Erfolg für das Unternehmen führen. Ich bin froh, dass ich auch Paradebeispielen in meinem Prozess als Working Mum begegnen konnte!

Welchen Stellenwert hat der Muttertag heute für dich?
Der erste war schon etwas besonderes, weil da darf man sich als Mama feiern lassen. Ich habe auch einen Brief von meinem Partner bekommen, in dem er mir mitteilt, er ist stolz auf mich, stellvertretend unterschrieben für Marie. Ich habe auch meiner Mutter geschrieben, dass ich jetzt weiß, was es bedeutet, eine Mama zu sein. Ich bewundere sie, dass sie seit 30 Jahren Angst um ihr Kind hat. Hört das mit den Sorgen eigentlich irgendwann auf?

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