Geburten in Corona-Zeiten
Genug Sauerstoff? Mütter müssen jetzt mit Masken gebären

Eine Geburt mit Maske ist etwa so, als "würde man einen Marathon mit Mundschutz laufen", sagt eine Hebamme.  | Foto: Pixabay
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Die Corona-Maßnahmen machen auch vor Österreichs Kreißsälen nicht halt. Und so sieht sich die heimische Mutterschaft mit dem Problem der Geburt mit einem Mund-Nasenschutzes (MNS) konfrontiert. Denn selbigen zu tragen ist in einigen Spitälern nunmehr verpflichtend. Doch eine Geburt mit Maske ist so, als "würde man einen Marathon mit Mundschutz laufen", sagt eine Hebamme.

ÖSTERREICH. Neun Länder, knapp 300 Spitäler, und jede Menge Verwirrung in diversen Geburtsstationen. Denn das Tragen eines Mund-Nasenschutzes in Spitälern ist jetzt Usus. Und so kommt es, dass sich werdende Mütter nun auch im Kreißsaal nicht gegen die Maske bei Presswehen wehren können. Fakt ist: Je nachdem, wer gerade Dienst hat und wie genau die Auslegung in den einzelnen Häusern umgesetzt wird, gebären Mütter unter Corona nun mit einem MNS, oder eben nicht. So berichtet eine Mutter, dass sie bei der Geburt ihres Kindes einen MNS tragen musste, im selben Spital musste es eine andere zwei Tage später nicht. Es häufen sich die Fälle jener Mütter, die in Österreichs größtem Krankenhaus, dem AKH, ihr Kind auf die Welt brachten und ebendort auch einen MNS tragen mussten.

Genug Sauerstoff bei Masken-Geburt? Ungewiss

Fakt ist: das Tragen eines MNS ist aktuell für die Gebärende als auch die Hebamme verpflichtend. In der Praxis hängt es dann sehr von den diensthabenden Personen ab, ob die Maske während der Presswehen abgenommen werden darf. Der Co2 Gehalt in der Maskenluft ist nicht so gut, das wissen auch Ärzte und Hebammen. "Die Hebammen sind durch die Verordnung in einer Zwickmühle, wir haben natürlich auch das Wohl der Mutter im Auge", so Beate Kayer, Leiterin der Landesgeschäftsstelle Burgenlands des Österreichischen Hebammengermiums und selber Hebamme seit 30 Jahren: "In der ersten Phase der Geburt kann ich's mir vorstellen, in der Pressphase atmen man aber schneller und tiefer, und ob die Mutter dann ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird, ist ungewiss." Sie vergleicht die Geburt mit MNS ist so, als 'würde man einen Marathon mit Maske laufen'.

"Maske behindert den Geburtsvorgang"

Kayer weist auch darauf hin, dass es vom Arbeitsinspektorats die Empfehlung gibt, dass Schutzmasken für Schwangere verboten sind, und auch dass ein MNS nur dann verpflichtend ist, wenn er absolut notwendig ist und auch dann nur für maximal eine Stunde, wegen dem erhöhtem Atemwiderstand. "Das gilt für alle, die arbeiten und schwanger sind, aber bei der Geburt selbst sollen die Schwangeren dann den MNS tragen? Das finde ich unmöglich. Wir können die Frauen ja nicht zwingen, einen MNS zu tragen" Kayer würde sich dringend Gewissheit wünschen, und die Nennung der Geburt ausdrücklich als Ausnahmen von der Verordnung. Auch Judith Raunig, Klinische- und Gesundheitspsychologin und Expertin in Sachen Geburtstrauma ist alarmiert: "Eine Hebamme hat mir erzählt, dass die Frauen den Mundschutz unter den Presswehen tragen, daher forschte ich nach, aber ich habe den Eindruck, dass es jedes Spital seine eigene Suppe kocht. Je nach Spitalsführung wird anders damit umgegangen, das ist einfach Wahnsinn, man kann nicht eine Gebärenden zu einem MNS verpflichten, weil man ihr im wahrsten Sinne des Wortes 'den Mund zuhält', dabei soll ja bei der Geburt etwas geöffnet werden, und die Gebärende bekommt ja auch viel weniger Luft. Man behindert damit den Geburtsvorgang!"

Baby wird Mutter weggenommen

Von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt wird auch die Frage, wie mit den Babys einer Corona-positiven Mutter umzugehen ist: In Wien gibt es anscheinend den Usus und die Empfehlung, dass Mutter und Kind getrennt werden, und zwar bis zu zwei Wochen, das empfiehlt der KAV. Kayer: "Das widerspricht sogar die WHO. Das ist ein Wahnsinn!" Auch Raunig ist darüber entsetzt: "Es ist momentan anscheinend verboten, die Dinge zu hinterfragen, das werden Maßnahmen gesetzt, wo nicht hinterfragt wird, was die Maßnahmen bringen und wie sehr sie schaden. Der MNS ist ein Beispiel dafür, die wirkt ja nicht gegen Viren. In der Geburtshilfe schreiten wir jetzt Jahrzehnte zurück, was wir uns jahrzehntelang erkämpft haben, etwa, dass Frauen auf Augenhöhe mit Geburtshelfern in Kontakt treten, dass sie selbstbestimmt gebären können und sagen könne, wie sie die Geburt möchten, mit Geburtsplan etc"

Auszug aus der Leitlinie vom 27.03. des Wiener Krankenanstaltenverbundes betreff des Umgangs mit Corona im Kreißsaal der besagt, dass Mütter, die SARS-CoV-2-positiv sind von ihren (SARS-CoV-2-negativen)
Säuglingen sofort nach der Geburt (schnelles Abnabeln, kein Auspulsieren der Nabelschnur, kein
Bonding) getrennt und einzelisoliert werden sollen.  | Foto: privat
  • Auszug aus der Leitlinie vom 27.03. des Wiener Krankenanstaltenverbundes betreff des Umgangs mit Corona im Kreißsaal der besagt, dass Mütter, die SARS-CoV-2-positiv sind von ihren (SARS-CoV-2-negativen)
    Säuglingen sofort nach der Geburt (schnelles Abnabeln, kein Auspulsieren der Nabelschnur, kein
    Bonding) getrennt und einzelisoliert werden sollen.
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Folgeschäden für Neugeborenes

Im Zentrum Nanaya (BesucherInnenfrequenz von 27.701 Personen im Jahre 2019) begleitet man regelmäßig Familien, die eine frühe Trennung erfahren haben. Die negativen Auswirkungen sind für geschultes Personal gut sichtbar. Daher fordert das Zentrum in einer Stellungnahmen an den KAV eine bindungsfördernde Geburt, Rooming-In von Mutter und Kind und genügend Stillunterstützung für alle Mütter.

"Eine Isolation des Neugeborenen, so hat schon Dr. Nils Bergmann 2004 gezeigt, bewirkt bei allen Babys eine vorprogrammierte Reaktion, die „Protest-Verzweiflungs Reaktion“. „Das Baby strebt zunächst mit heftigen Aktivitäten nach einer Wiedervereinigung. Findet diese nicht statt, so erfolgt die Verzweiflungsreaktion mit Rückzug und einer Überlebensstrategie mit erniedrigter Körpertemperatur, einen unstabilen Herzschlag und Schwankungen bei der Atmung, ausgelöst durch den massiven Anstieg von Stresshormonen. Die Lautäußerungen der Babys verändern sich. Der Verzweiflung folgt eine parasympathische Stimulation, welches eine toxische Neurochemie im sich entwickelnden Gehirn verursacht. Es kommt zu fehladaptierten Veränderungen in der Gehirnstruktur und zu Verhaltensveränderungen. Dies
hat auch Allan Schore ausführlich beschrieben. Dieser passive Zustand bewirkt eine höhere
Ausschüttung von abstumpfenden Opiaten, der Vagustonus steigt an.“ Gleichzeitig sind getrennte Babys angespannter. Angespannte Babys sind nicht bindungsbereit. Ihnen ist es egal, ob die Mutter physisch nicht da ist, oder ob Corona der Auslöser ist. Es wird immer dasselbe evolutionäre Programm ablaufen. Ohne zusätzliche Unterstützung durch Fachpersonen wird das Baby nicht physiologisch bonden. Bindung heißt nicht, dass das Baby einmalig für zwei Stunden auf dem Bauch der Mutter gelegt wird, so wie es oft in der Krankenhauswelt dargestellt wird.  Ein nicht gelungenes Bonding und frühe Trennungen im Wochenbett verursachen im späteren Leben eine Empfänglichkeit von stressinduzierten Krankheitsbildern. Babys zeigen exakt die gleichen physiologischen Veränderungen, wie Säugtiere. Von der Mutter getrennte Säugetierbabys zeigen ihr ganzes Leben lang negative Folgeerscheinungen. Dies bedeutet langfristig gesehen, mehr Folgekosten für unsere Gesundheitskassa."

Kein Stillen, kein Bonding

Laut der Pyschologin werfen die Maßnahmen die Geburtshilfe massiv zurück. "Wir werden zurück ‚katapuliert‘ um mindestens 50 Jahre. Den Gebärenden wird gesagt, was sie machen sollen und sie legen sich auf den Rücken und machen das. Und das Tragische ist, dass viele Frauen sich das gefallen lassen, alles unter dem Deckmantel der Gesundheit. Viele lassen sich das gefallen, weil sie eingeschüchtert sind, und da kommt es zu wirklich tragischen Fällen. Vor drei Wochen habe ich von einer Hebamme eine 'Empfehlung' von den KAV-Spitälern in Wien erhalten, dass eine Mutter, die nur unter Verdacht steht oder tatsächlich positiv auf Corona getestet wurde, das Kind nach der Geburt sofort abgenommen wir und einzelisoliert wird, das ist ein Wahnsinn. Da gibt es kein Bonding, kein Stillen, das Kind wird einzelisoliert." Tatsächlich ist das einzige Spital in Wien, wo COVID-Mütter gebären, das Wilhelminenspital. Um eine Ansteckung des geborenen Kindes zu vermeiden, ist die Vorgehensweise dort jene, dass das Kind sofort einzelisoliert wird. "Dabei sind die Verläufe in der Regel ja mild, das sind ja keine Risikogruppe. Da werden Dinge getan, einfach aus Übervorsicht, aus Angst, aus Überkorrektheit, wo der Schaden den Nutzen um ein Vielfaches übersteigt. Und das Schlimmste ist, es gibt auch Fälle, wo die Mutter nur unter Verdacht stand und trotzdem wurde ihr das neugeborene Baby weggenommen und sie konnte es 14 Tage nicht sehen."

Die Leitlinie vom 27.03. des Wiener Krankenanstaltenverbundes, Umgang mit Corona im Kreißsaal, besagt, dass Mütter, die SARS-CoV-2-positiv sind von ihren (SARS-CoV-2-negativen)
Säuglingen sofort nach der Geburt (schnelles Abnabeln, kein Auspulsieren der Nabelschnur, kein
Bonding) getrennt und einzelisoliert werden sollen.  | Foto: privat
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    Säuglingen sofort nach der Geburt (schnelles Abnabeln, kein Auspulsieren der Nabelschnur, kein
    Bonding) getrennt und einzelisoliert werden sollen.
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Neugeborenes 14 Tage isoliert

Die Psychologin und Spezialistin für Geburtstrauma kritisiert, dass dabei gegen wissenschaftliche Erkenntnisse gehandelt wird, gegen das Kindeswohl: "Seit hundert Jahren erforschen wir die Mutter-Kind-Bindung, das Bonding, und wir wissen, dass das erste Mutter-Kind-Kennenlernen so wichtig dafür ist, diese erst Phase ist eine ganz entscheidende Phase für das gesamte weitere Leben, und jetzt nimmt man Müttern und Kindern diese wichtige Phase weg und macht die Frauen mundtot." Raunig berichtet, dass nicht alle Spitäler der Empfehlung folgen: "Am Kepler Universitätsklinikum Linz etwa wird trotz Corona das Zusammenbleiben von Mutter und Kind empfohlen, da dürfen Mütter ihre Babys stillen, da darf Bonding stattfinden, auch wenn die Mutter positiv ist. Warum setzt sich nicht endlich ein Expertenkreis in Österreich zusammen und arbeitet Empfehlungen aus." 

Papas von Geburt ausgesperrt

Auch Vätern wird nun die Möglichkeit genommen, bei der Geburt ihres Kindes dabei zu sein. So erzählt eine Mutter, die in Korneuburg entbunden hat, dass ihr Mann zuhause bleiben musste und ihr nicht beistehen durfte. In der Bundeshauptstadt handhabt das AKH die Väterfrage so, dass diese erst bei der Öffnung das Muttermundes der Gebärenden von fünf Zentimeter dabei sein dürfen, dann darf die Hebamme einen Antrag stellen, dass der Vater der Geburt beiwohnen darf. Wenn die Geburt vorbei ist, muss der Vater das Spital sofort verlassen und darf auch nicht zurückkommen. Das bedeutet: Die neuen Papas sehen ihr Baby also kurz nach der Geburt und dann erst wieder, wenn die Mutter nachhause kommt: Das kann im besten Fall noch am selben Tag sein, meistens in etwa ein, zwei Tagen oder im schlimmsten Fall erst nach einer oder zwei Wochen. Raunig: "Die Trennung des Vaters, die Trennung des Kindes von der Mutter, ich behandle ja Eltern und Familien, die ein Geburtstrauma erlebt haben, ich weiß, dass wir mit dem noch jahrelang kämpfen werden. Bei Geburten ist die Selbstbestimmung etwas so Wichtiges, wenn die Mutter nicht mitreden kann, dann steigt der Stress und sie erlebt ein Geburtstrauma, weil sich die Frau der Situation ausgeliefert fühlt. Mit einem MNS kann die Gebärende noch nicht mal richtig atmen.“

Quellen: Hebammen Österreich
Klinische- und Gesundheitspsychologin Mag. Judith Raunig

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