Anpassen oder verenden
So leiden die Wildtiere unter der Klimakrise
Wer in Österreich durch die Alpen wandert, läuft mit etwas Glück einem Steinbock oder einer Gams über den Weg. Künftig können solche Begegnungen aber immer seltener werden, denn die Klimakrise setzt unseren Wildtieren zunehmend zu. Schaffen es die Arten nicht, sich an die neuen Bedingungen anzupassen, bedeutet dies ihr Ende. Andere Spezies wie wärmeliebende Insekten und Parasiten profitieren hingegen von den höheren Temperaturen.
ÖSTERREICH. Im Sommer wird es unerträglich heiß und im Winter fällt kaum noch Schnee. Bereits jetzt bekommen wir den Klimawandel zu spüren. Aber nicht nur wir Menschen leiden unter diesen Entwicklungen. Deutlich härter trifft die Krise unsere heimischen Arten in den Gebirgen, denn dort verändern sich die Lebensräume und -bedingungen besonders schnell.
Anpassen oder verenden
Will eine Art unter veränderten Bedingungen überleben, muss sie sich an den "neuen" Lebensraum gewöhnen. Eine solche Anpassung hängt von mehreren Faktoren ab. Der Wildbiologe Gunther Gressmann erklärte gegenüber der APA, dass sich Tierarten aber grundsätzlich schneller anpassen können, wenn sie sich mehrmals im Jahr vermehren. Insekten haben es also deutlich einfacher als Vögel oder Säugetiere.
Die Anpassungsfähigkeit hänge von Genmutationen ab, die von einer Generation an die Nächste weitergegeben werden.
"Da geht es um die zufälligen Mutationen, die etwas bewirken, was für das Tier positiv ist und das sich in den nächsten Generationen durchsetzen wird. Der Klimawandel ist aber ein Prozess, der derartig schnell geht, dass da einige Arten auf der Strecke bleiben werden." - Gunther Gressmann
Steinböcke möglicherweise bald nachtaktiv
Besonders Steinböcke leiden zunehmend unter den Folgen der Klimakrise. Der "König der Alpen" ist vor allem an kältere Bedingungen gewöhnt. So friert er erst, wenn die Temperaturen auf 20 Grad unter Null fallen. Aufgrund von dichtem Fell und einigen Fettreserven leidet die Art besonders unter warmen Temperaturen.
Gressmann geht davon aus, dass die Steinböcke daher ihre Verhalten ändern werden. So verlegen die Tiere ihre Nahrungsaufnahme in die Nachtstunden, um tagsüber an schattigen Plätzen zu rasten. Auf lange Sicht schwäche Hitze aber die Abwehrkräfte der Tiere.
Weniger Nahrung führt zu wenig Nachwuchs
Die Veränderung der klimatischen Bedingungen wirkt sich aber auch auf die Pflanzenwelt aus, von der sich der Steinbock oder die Gams ernähren. Die Tierarten haben den Zeitpunkt ihrer Geburten auf die Natur abgestimmt. So werden Jungtiere geboren, wenn nährstoffreiche Gräser und Kräuter zur Verfügung stehen.
Durch die warmen Winter wachsen diese Pflanzen nun schon früher als gewöhnlich. In weiterer Folge führt dies dazu, dass deren Nährstoffgehalt bereits vorzeitig abnimmt. Vor allem den milchproduzierende Mutter- und Jungtieren fehlt es dann an den notwendigen Energiequellen. Die Tiere können daher auch nicht ausreichend Fettreserven für den Winter aufbauen. Einige Geißen bekommen aus diesem Grund bereits jetzt nur noch jedes zweite Jahr Nachwuchs.
Insekten und Parasiten profitieren von der Hitze
Andere Arten schlagen hingegen aus dem Klimawandel Nutzen. Besonders wärmeliebende Insekten – wie der Borkenkäfer – und Parasiten können sich nun mehrfach pro Jahr fortpflanzen. Auch diese Entwicklung setzt die Gämse und Steinböcke unter Druck.
Gressmann spricht hier die Infektionskrankheit "Gamsblindheit" an, die von Bakterien ausgelöst und von Fliegen übertragen wird. Diese hochansteckende Augenkrankheit kann bei Gämsen und Steinböcken vorübergehende Blindheit auslösen. Im schlimmsten Fall verlieren die Tiere sogar dauerhaft ihr Augenlicht. Bisher hatten die Wildtiere ab Oktober Ruhe vor den Fliegen und somit auch vor der Krankheit. Die warmen Temperaturen der letzten Jahre führen aber dazu, dass die Fliegen nun sogar im Dezember und Jänner die Wildtiere belästigen.
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