Kanzlerin Brigitte Bierlein
„Frauen sollten sich im Job mehr zutrauen“

Egal, ob mit Politikern, Kunstschaffenden oder Vertretern von Organisationen oder benachteiligten Gruppen: Kanzlerin Brigitte Bierlein sucht in ihrem Amt stets den Dialog. | Foto: BKA
  • Egal, ob mit Politikern, Kunstschaffenden oder Vertretern von Organisationen oder benachteiligten Gruppen: Kanzlerin Brigitte Bierlein sucht in ihrem Amt stets den Dialog.
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Nach 140 Tagen Regierungsarbeit zieht Österreichs Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein Zwischenbilanz.
 
ÖSTERREICH. An einem milden Herbsttag empfängt uns Brigitte Bierlein in ihrem Büro im Kanzleramt. Es ist Equal Pay Day, Männer haben bis zu diesem Tag am 21. Oktober im Schnitt bereits jenes Einkommen verdient, für das Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. Von der Richterin am Bezirksgericht aufwärts hat die Kanzlerin eine Bilderbuchkarriere hingelegt – beginnend zu einer Zeit, als Frauen im Berufsleben es noch schwer hatten, erinnert sich die Juristin.

"Kinderbetreuung ausbauen"

Wie man mehr Frauen für politische Ämter motiviert? „Frauen sollten sich mehr zutrauen“, ist die Kanzlerin überzeugt. Durchhaltevermögen und Zielstrebigkeit seien ebenfalls hilfreich. „Und Glück“, sagt sie lächelnd. Davon habe sie genügend gehabt. In Österreich gäbe es jedenfalls insgesamt „mehr fähige Frauen als Positionen“. Damit Frauen sich im Job entfalten können, brauche man die richtigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie Kinderbetreuung, vor allem am Land. Wenn ein Partner vorhanden ist, sollte „Halbe-Halbe“ gelebt werden.

Nach Kanzleramt: Freizeit

In puncto Frauenquoten ist das Kabinett Bierlein ausgewogen. Es wäre „ein schönes Zeichen“, wenn sich auch bei der künftigen Regierung der Anteil von männlichen und weiblichen Mitgliedern die Waage hielte. Apropos künftige Regierung: Die Kanzlerin wünscht sich, dass eine solche um die Weihnachtszeit steht. Und sie sollte dann auch für die nächsten fünf Jahre halten, denn: Neuwahlen seien das Letzte, was die Bevölkerung sich wünsche. Ob sie wohl Teil der Regierung sein werde? Schmunzelnd winkt Bierlein ab: „Als nächstes kommt jetzt einmal Freizeit, beziehungsweise meine vielfältigen Interessen". Vorstellbar für sie, die sich gerne mit Kunst umgibt, wäre vielleicht ein Ehrenamt im Kunstbereich.

Experten-Team am Werk

Die Mitglieder im Regierungsteam, das seit Juni Gesetze und Verordnungen auf den Weg gebracht hat, sind ja unabhängig und gelten allesamt als Fachexperten. Eine Lösung für spätere Regierungskonstellationen? Mit dem Hinweis, dass die österreichische Regierung traditionell aus Berufspolitikern besteht, wäre dieses Konzept weniger geeignet, meint Bierlein. Und sie verweist auf die Expertise, die in der Politik ohnehin vorhanden sei.

"Ich höre den Menschen zu"

Als größte Erfolge ihrer schlank gehaltenen Regierung sieht die Kanzlerin neben der Einstimmigkeit bei der Bestellung von Johannes Hahn als EU-Kommissar mit einem bedeutendem Ressort, den fortwährenden Dialog, den sie mit allen Ländervertretern, NGOs oder Vertretern von "Menschen, die in der Öffentlichkeit eher unbemerkt sind, aber täglich Großes für die Republik leisten", führt. Etwa mit der Leiterin eines Mutter-Kind-Hauses. Oder einer Schule mit schwer erziehbaren Kindern.

Brigitte Bierlein studierte Jus in Mindestzeit, wurde 1975 Bezirksrichterin, 1977 Staatsanwältin, 1986 Oberstaatsanwältin, 1990 bis 2003 Leiterin der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof, 2001-2003 Präsidentin der Vereinigung österreichische Staatsanwälte, 2003 bis 2018 Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Februar 2018 bis 2. Juni 2019 Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, ab 3. Juni 2019 Bundeskanzlerin.

Frauen verdienen immer noch weniger

Ungeachtet der Fakten, dass Frauen seltener am Arbeitsmarkt teilnehmen als Männer und die Hälfte der österreichischen Frauen teilzeitbeschäftigt ist, verdienen weibliche Arbeitskräfte im Schnitt um 15,2 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, wie eine Analyse von Addendum auf Basis exklusiver Daten der Statistik Austria aus 2016 zeigt. In der Oststeiermark, rund um Linz und Salzburg sowie in Vorarlberg ist die Lohnschere im untersuchten Zeitraum am größten, in Ostösterreich am kleinsten. Auf Gemeindeebene besteht ein Ost-West-Gefälle. In nur vier österreichischen Gemeinden verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen im unselbstständigen Bereich mehr als Männer, alle vier Gemeinden liegen in Niederösterreich. In der Gemeine Nebelberg (Oberösterreich) ist das Gehaltsgefälle mit 39,3 Prozent zugunsten der Männer am größten.

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