Archeo Norico
Archäologischer Sensationsfund in Glashütten (+ Video)

Die archäologische Ausgrabungsstätte für den Glasmacherofen beim Alpengasthof mitten in Glashütten. | Foto: Matthias Grebien
17Bilder
  • Die archäologische Ausgrabungsstätte für den Glasmacherofen beim Alpengasthof mitten in Glashütten.
  • Foto: Matthias Grebien
  • hochgeladen von Susanne Veronik

Quarzsand, Kalk, Soda und Pottasche sind die wichtigsten Rohstoffe für die Glasherstellung, und das seit rund 4.000 Jahren. Unsere Region ist gesegnet mit einer einst qualitätvollen Glasmacher-Tradition von Soboth, St. Vinzenz über Wies/Vordersdorf und Eibiswald/Aibl bis hin zum Reinischkogel, als die die Herstellung von Glas einen wichtigen Wirtschaftszweig für die Region bedeutet hat. Heuer ist ein gut erhaltener historischer Ofen zur Herstellung von Glas in Glashütten freigelegt worden - wir haben uns die archäologischen Grabungsarbeiten vor Ort angesehen.

BAD SCHWANBERG. Die Süd- und Weststeiermark ist reich an wertvollen archäologischen Arealen, also von Flavia Solva in Wagna bis hin zur Burg Deutschlandsberg, vom Glasmacherofen am Reinischkogel bis zur Altburg am Tanzboden von Bad Schwanberg. Jetzt hat der Kurort eine weitere archäologische Grabungsstätte mit Sensationsfaktor inne, schließlich lässt der Ort Glashütten schon von seiner Benennung her auf eine längere Glasmacher-Tradition schließen. Jetzt ist diese Vermutung durch Zufall durch einen archäologischen Fund beim Alpengasthof bestätigt worden.

"Ich hege schon seit mehr als zehn Jahren die Vermutung, dass es hier eine entsprechende Fundstelle geben könnte. Aber ich hätte sie in einem anderen Bereich des Geländes vermutet", so der Grabungsleiter, Archäologe Andreas Bernhard vom Burgmusem "Archeo Norico" in Deutschlandsberg. Entdeckt wurde die Fundstelle durch Zufall von Alpengasthof-Wirt Hartmut Kind und seiner Lebensgefährtin und der Grundbesitzerin Mareike Claar bei Aushubarbeiten für einen Weg, an dem die Grasnarbe abgehoben worden ist.
"Das war Mitte November des Vorjahres. Da waren bereits charakteristische Fundstücke dabei, sodass damit zu rechnen war, dass in unmittelbarer Nähe der Glasschmelzofen situiert sein musste. Ich habe mit den Grundeigentümern und dem Denkmalamt Kontakt aufgenommen, sodass wir die Erlaubnis bekommen haben, an jener Stelle, wo bisher ein kleiner Sitzplatz mit Schotterfläche gewesen ist, eine Grabung am 10. Mai zu starten", so Bernhard, der den Grundeigentümern für dieses Entgegenkommen sehr dankbar ist. Schließlich ist hier mit einem Schlag eine denkmalgeschützte Zone entstanden, wo sonst keine baulichen Aktivitäten mehr möglich sind. 

Kooperative Grundeigentümer

Hartmut Kind ist 2019 mit seiner Lebensgefährtin Mareike Claar nach langer Suche nach einem entsprechenden Objekt in Glashütten gelandet. Mareike Claar ist Grundeigentümerin, führt mit Hartmut Kind den Alpengasthof und pflegt die Rosenschule, die wegen der Grabungen jetzt etwas enger zusammenrücken musste: "Wir freuen uns, dass das Burgmuseum diesen Fund gemacht hat, der den namensgebenden Ursprung des Dorfes Glashütten bedeutet. Wir würden es daher sehr begrüßen, wenn dieser Fund der Allgemeinheit präsentiert werden kann, dabei unterstützen wir gern", betont Hartmut Kind.

EU-Leader-Projekt

Über das Burgmuseum Archeo Norico und über die Stadtgemeinde ist ein EU-Leader-Projekt unter dem Titel "Mineralien- und Glasschätze der Koralmregion" entwickelt worden, in dem diese Grabung in Glashütten ein Teil ist.
Für das Grabungsteam hat man wieder die Kooperation mit ASIST als archäologisch soziale Initiative mit Bernhard Schrettle und Matthias Grebien umgesetzt, um so das Projekt zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsalltag zu realisieren.

Die Burg Deutschlandsberg lädt zu einer einmaligen Aussicht

Übrigens: An der Schwarzen Sulm gab es bereits eine ältere Glashütte noch unter dem Adelsgeschlecht der Galler/Herrschaft Schwanberg, die bereits im 16. Jahrhundert in Betrieb gewesen ist.
"Diese ältere Hütte dürfte so gegen 1665 aufgegeben worden sein, wahrscheinlich aus Rohstoffmangel, der immer wieder zu Schließungen von Glashütten geführt hat", erklärt Andreas Bernhard, der daraus schließt, dass nach dem Auflassen dieser älteren Hütte, jene in Glashütten neu errichtet worden ist, wo noch ausreichend Wald vorhanden war. "Man ist also dem Holz nachgegangen."

Über Wein und Mobbing

Der Grund in Glashütten hat zu jener Zeit zur Herrschaft Schwanberg gehört, wie aus einem großen Fundus an schriftlichen Nachrichten der Familie Saurau im Landesarchiv  zu entnehmen ist.
Dabei wird in den Hüttenschreiber-Protokollen nicht nur über die Trinklust der Gesellen berichtet, sondern auch über "Mobbing" oder die Vorliebe von Wein gegenüber dem "sauren Most". Um den Hüttenmeister waren bis zu zwanzig Arbeiter im Kernteam tätig, außerdem Holzarbeiter sowie die Frauen und Mädchen, die in den sogenannten Einbind-Stuben die Gläser kunstvoll für den sicheren Transport "verpackt" haben.
Anhand der historischen Inventarlisten können Wissenschafter grundlegende Zeugnisse für die Fundstücke herauslesen. Diese reichen von Krügen, Tellern, Schüsseln und Medizin-Fläschchen aus Glas bis hin zu luxuriösen Gläsern in venezianischer Tradition wie aufwändige Flügelglas-Pokale oder Weingläser für die noble Tafel. Da war sogar mit Kobaltblau gefärbtes Glas aus dem frühen 18. Jahrhundert oder in Modeln geformtes Glas sowie besonders edle Stücke mit Email-Bemalungen.

Zum Video

"Selbst Urinale, Aderlass- und Kröpfschalen sind in den Aufzeichnungen angeführt", weiß Andreas Bernhard zum Gebrauch im Alltag und in der Medizin. Ein großes Spektrum der Produktion in Glashütten umfasste das Fensterglas also von mundgeblasenen Butzenscheiben bis zu sechseckigen Guldenscheiben.
Im Rahmen des Leader-Projektes ist eine Schauvitrine im Alpengasthof geplant, um die Fundstücke der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Volle Lager, leere Wälder

Die schriftlichen Quellen geben außerdem Preis, wohin diese zerbrechliche Ware geliefert worden ist, nämlich in Richtung Südweststeiermark, den Grazer Raum, das Lavanttal und in Richtung Klagenfurt in Kärnten sowie teilweise in die Untersteiermark/Slowenien.
1738 ist der Betrieb in Glashütten endgültig eingestellt worden, u.a. auch weil die Glashütten in Soboth eine zu große Konkurrenz gewesen sind. Außerdem waren die Lager voll und die Rohstoffe mehr oder weniger aufgebraucht, d.h. auch diese Gegend war für die Herstellung von Glas gerodet worden.
Vor zehn Jahren wurde übrigens die Fundstätte am Reinischkogel erarbeitet: "Als der Betrieb in der Hütte auf der Glasererwiese beim Klugbauer am Reinischkogel eingestellt worden ist, hat man hier in Glashütten mit der Glasproduktion begonnen", erklärt sich für Andreas Bernhard, weshalb sich die Fundstücke in der Region überschneiden. 
Voller Freude zeigt sich auch der Stainzer Karl Dudek, Obmann des historischen Vereines "Viana Styria Weststeiermark": "Es ist jedesmal fantastisch für uns, wenn man ein solches Bauwerk für die Nachwelt erhalten und es Schülern und anderen Interessierten vor Ort zeigen kann."

Ein Schutzbau für die Erhaltung auf lange Sicht

Die Grabungen laufen bis Ende September. Und dann?
"Dann werden die Ausgrabungen einmal für den Winter geschützt. Wir machen allerdings keine Grabung, wenn wir wieder alles zuschütten müssen. Daher ist ein Schutzbau aus Holz das erklärte Ziel, möglichst nach dem Vorbild am Reinischkogel. Schließlich ist dieser wunderbar erhaltene Glasschmelzofen identitätsstiftend für den Ort Glashütten", betont Anton Steffan, Kurator vom Burgmuseum "Archeo Norico". Allerdings sind die Zustimmung und die Finanzierung für einen solchen Schutzbau bis dato noch ungeklärt.
Alpengasthof-Wirt Hartmut Kind schlägt in dieselbe Kerbe: "Wichtig ist, dass die Fundstätte langfristig genutzt wird, nämlich auch touristisch. Das ist gut für Bad Schwanberg und für die ganze Region. Daher ist eine gute künftige Präsentation mit Bezug zum Dorf Glashütten grundlegend."
Bgm. Karlheinz Schuster steht dem Projekt positiv gegenüber: "Die Grabungsstätte ist in Kombination mit dem Alpengasthof und dem Geopark nicht nur für für den Ort Glashütten eine attraktive Bereicherung, sondern für die ganze Region."

Diese Artikel könnten Sie ebenfalls interessieren:

Viel mehr als nur alte Glasscherben
Sensationsfund bei der Altburg Schwanberg
Zum Saisonauftakt viel Neues (+Video)
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.