Für die Erinnerung um die halbe Welt
Erster Gedenkdiener in Neuseeland kommt aus Wettmannstätten

Dominik Loibner bei seinem offiziellen Dienstantritt mit dem Board des Holocaust Centre, in dem er auch die diesjährige Jahrgangsliteratur des Auslandsdienstes „… trotzdem Ja zum Leben sagen” von Viktor Frankl überreichen durfte.  | Foto: HCNZ
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  • Dominik Loibner bei seinem offiziellen Dienstantritt mit dem Board des Holocaust Centre, in dem er auch die diesjährige Jahrgangsliteratur des Auslandsdienstes „… trotzdem Ja zum Leben sagen” von Viktor Frankl überreichen durfte.
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Bis September 2020 leistet Dominik Loibner aus Wettmannstätten noch seinen Gedenkdienst am "Holocaust Centre of New Zealand" (HCNZ). Damit ist er nicht nur der erste Gedenkdiener in Neuseeland, sondern wohl auch der Österreicher, der bisher am weitesten von Österreich entfernt seine Zivildienstpflicht absolvieren darf.
Die WOCHE sprach mit ihm über seinen Aufgabenbereich und die Notwendigkeit historischer Bewusstseinsbildung.

Wie ist die Idee entstanden, sich für den Gedenkdienst zu bewerben?
DOMINIK LOIBNER: Während meiner Zeit an der HTBLA Kaindorf wurde ich im Rahmen einer Veranstaltung des Europäischen Jugendparlaments auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht. Nachdem ich mich näher über die Rahmenbedingungen informiert hatte, war für mich eigentlich schnell klar, dass ich die Möglichkeit eines Auslandsdienstes gern wahrnehmen würde. Ich bin einfach davon überzeugt, dass es fahrlässig wäre, nicht aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und dass der Gedenkdienst eine einzigartige Möglichkeit ist, aktive Erinnerungsarbeit zu leisten. Der zweite Weltkrieg liegt gerade einmal zwei Generationen zurück und es zeigt sich immer mehr, dass das Wissen über den Holocaust stetig in Vergessenheit gerät und - noch schlimmer - die Geschehnisse immer öfter verharmlost werden.

Wieso gerade Neuseeland?
Dass ich in Neuseeland gelandet bin, ist eher ein Zufall. Ich war im letzten Jahr für den Aufbau neuer Kooperationen in Ostasien und Ozeanien verantwortlich und habe den Aufbau der Kooperation mit dem "Holocaust Centre of New Zealand" selbst betreut. Nachdem aufgrund von bürokratischen Komplikationen die Kooperation mit meiner ursprünglichen Einsatzstelle nicht verlängert wurde, ergab sich so die Gelegenheit, der erste Gedenkdiener in Neuseeland zu werden.

Wie sieht Ihr Aufgabenbereich aus?
Meine Aufgaben sind an sich sehr breit gefächert. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Gedenkdiener leite ich am HCNZ ein Forschungsprojekt zur Tätigkeit des "Christchurch Refugee Emergency Committee 1937-1945". Ein weiterer Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt in der Aufbereitung von Lehr- und Lernmitteln für Lehrer und Schülergruppen zur Behandlung der Thematik "Holocaust" im Schulunterricht. Ebenso gehört das Abhalten von Führungen und die Unterstützung des Zentrums bei administrativen Tätigkeiten und Übersetzungsarbeiten zu meinen Aufgaben. Darüber hinaus betreue ich zeitweise auch die vom "Holocaust Centre of New Zealand" konzipierte Wanderausstellung des „Children’s Holocaust Memorial“ und bin dafür auch im ganzen Land unterwegs.

Wie gefällt es Ihnen?
Bisher wirklich sehr gut. Ich konnte mich schnell gut einleben und wurde sehr herzlich am Zentrum und unter meinen Kollegen aufgenommen. Die Arbeit ist abwechslungsreich und ich kann einiges an Wissen aus meiner Vorbildung einbringen und habe auch wirklich das Gefühl, dass meine Arbeit am Zentrum sehr geschätzt wird. Besonders bereichernd finde ich es auch, dass ich wöchentlich die Gelegenheit habe, sowohl mit Zeitzeugen als auch mit einem jungen Team an Freiwilligen zusammenarbeiten zu können. Die Betreuung der Wanderausstellung des "Children Holocaust Memorials" gibt mir darüber hinaus auch die Möglichkeit im Rahmen des Dienstes andere Teile des Landes kennenzulernen. Meine Freizeit nutze ich auch gerne dazu, die wundervolle Natur und Landschaft Neuseelands zu erkunden.

Michael Procházka,stellvertretender Vereinsvorsitzende des Österreichischen Auslandsdienstes und derzeitiger Leiter der Administration an der EU Botschaft in Papua-Neuguinea, mit Familie, Dominik Loibner und Irene Adler, die 1933 in Berlin geboren wurde und später nach Neuseeland geflüchtet ist | Foto: HCNZ
  • Michael Procházka,stellvertretender Vereinsvorsitzende des Österreichischen Auslandsdienstes und derzeitiger Leiter der Administration an der EU Botschaft in Papua-Neuguinea, mit Familie, Dominik Loibner und Irene Adler, die 1933 in Berlin geboren wurde und später nach Neuseeland geflüchtet ist
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Warum braucht es in Neuseeland Aufklärungsarbeit über die Zeit des Nationalsozialismus?
Das "Holocaust Centre of New Zealand" hat einen gesellschaftspolitisch sehr breiten Zugang zu Erinnerungskultur und Aufklärungsarbeit über den Nationalsozialismus. Auch der Holocaust hat nicht mit der industriellen Massenvernichtung und Gaskammern begonnen, sondern Schritt für Schritt mit der Ausgrenzung von Minderheiten, der Desensibilisierung von Worten und Dehumanisierung von Mitmenschen. Mit dem Attentat auf eine Moschee in Christchurch im März des letzten Jahres wurde das ganze Land leider auch auf sehr drastische Art und Weise wachgerüttelt, sich mehr mit dem wachsenden Extremismus im eigenen Land auseinanderzusetzen. Tendenzen, die ich auch aus erster Hand erlebt habe. So es hat mich schon überrascht, dass während meiner Zeit am Zentrum, etwa die Fenster am Zentrum und der Synagoge mit Steinen eingeworfen wurden. Ein trauriger Höhepunkt war dann vor einigen Wochen auch als die zweite Synagoge in Wellington, sowie öffentliche Plätze mit Hakenkreuzen beschmiert wurden. Ein Umstand, der wie die jüngsten Ereignisse in New York oder Halle an der Saale in Deutschland zeigt, dass sich Probleme von Antisemitismus, Rassismus und Ignoranz auf der ganzen Welt wieder im Aufschwung befinden. Genau deshalb ist die Arbeit des Holocaust Centre und des Gedenkdienstes auch so wichtig, um vor allem auch die historische Bewusstseinsbildung von jungen Menschen zu fördern, dass sich die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen. Speziell auch unter dem Blickwinkel, dass wir wohl die letzte Generation sein werden, die aus erster Hand auf Berichte von Zeitzeugen und ihre mahnenden Erinnerungen zurückgreifen können.

Was vermissen Sie an Ihrer Heimat?
So schön es in Neuseeland ist, aber natürlich vermisse ich vor allem Freunde und Familie. Ansonsten auch ein wenig die klassischen Dinge von denen Österreicher im Ausland immer wieder berichten, etwa das gute Leitungswasser, Schwarzbrot oder doppelglasige Fensterscheiben. Es ist schon so, dass ich durch die Zeit, die ich immer wieder im Ausland verbringen habe dürfen und nun auch in Neuseeland, einfach viele Selbstverständlichkeiten und Kleinigkeiten in Österreich mehr zu schätzen gelernt habe.

Zur Person

Dominik Loibner wurde 1995 in Deutschlandsberg geboren und wohnt in Wettmannstätten. Nach der Matura an der HTBLA in Kaindorf an der Sulm studierte er Geschichte an der Universität Wien und Wirtschafts- und Sozialwissenschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Von November bis September 2020 ist er als Gedenkdiener am Holocaust Centre of New Zealand tätig.

Alle Interessenten sind eingeladen sich auf den Webseiten der jeweiligen Trägervereine, wie dem Verein Österreichischer Auslandsdienst oder Verein Gedenkdienst näher über die Möglichkeit eines Gedenk-, Friedens- oder Sozialdienstes zu informieren.

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