Sozialverein Deutschlandsberg beantragt Insolvenz
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Der Sozialverein Deutschlandsberg mit aktuell 142 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist nicht mehr in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Heute, am 20. November 2020, ist daher ein Insolvenzantrag beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebracht worden. Die für die Region so wichtigen Kernbereiche, wie Kindergarten- und Schulassistenz, Schulsozialarbeit sowie Streetwork sollen möglichst auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitergeführt werden. Der Betriebsrat des Sozialvereines ist um Fachlichkeit und Qualität der Angebote weiterhin bemüht.
DEUTSCHLANDSBERG. "Mit großem Bedauern muss ich leider mitteilen, dass der Sozialverein Deutschlandsberg aufgrund seiner finanziellen Situation nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, weshalb zur finanziellen Konsultierung am heutigen Tag ein Insolvenzantrag beim Landesgericht für Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebracht werden musste", mit diesen Worten hat uns heute LAbg. Bgm. Maria Skaze, seit Juni des heurigen Jahres Obfrau im Sozialverein Deutschlandsberg, über die aktuelle Situation informiert.
Die finanzielle Schieflage ist schon länger Thema im Vorstand, wir berichteten:
Zu den Fakten
Der Vereinsvorstand kann derzeit keine Entscheidungen mehr treffen, die die zukünftige Arbeit des Sozialvereines betrifft. Somit werden diese Entscheidung nach Insolvenzeröffnung von dem vom Gericht zu bestellenden Insolvenzverwalter zu treffen sein. Insbesondere wird von diesem auch die grundlegende Entscheidung zu treffen sein, ob der Betrieb des Sozialvereines in der derzeitigen Form aufrechterhalten wird oder ob Unternehmensteile geschlossen werden. Ziel des Vereinsvorstandes ist es jedenfalls, dass die für unsere Region wichtigen Kernbereiche des Sozialvereines, die Kindergarten- und Schulassistenz, die Schulsozialarbeit sowie Streetwork, auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitergeführt werden.
Der Sozialhilfeverband Deutschlandsberg hat in der Mitgliederversammlung am 19.11.2020 einstimmig die Bereitstellung einer „Fortführungskaution“ zur Schaffung der notwendigen Liquidität und zur Fortführung der Kernbereiche beschlossen.
Zum Handeln gezwungen
Dem Vereinsvorstand ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen, sieht sich jedoch aufgrund der finanziellen Situation des Vereines dazu gezwungen. Die vom neuen Vereinsvorstand veranlasste Prüfung der wirtschaftlichen Gebarung des Vereines durch einen Wirtschaftsprüfer hat ergeben, dass vom ehemaligen Obmann Josef Steiner diverse Projekte in Angriff genommen worden sind ohne auf die entsprechende finanzielle Absicherung, die notwendige Finanzierung der nicht geförderten Kosten und die finanzielle Ausstattung des Vereines Rücksicht zu nehmen. Dies habe zu jener Situation geführt, dass der Verein trotz kostendeckender Führung seines Kernbereiches seit dem Jahr 2017 Verluste generiert hat und mit Ende des Jahres ein negatives Vereinskapital von rund 700.000,00 Euro aufweisen wird.
Verluste seit 2017
Von seiten der Rechtsanwälte GmbH Schima, Mayer, Starlinger heißt es: „Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen trifft den Obmann die Verpflichtung zur Einrichtung eines den Anforderungen entsprechenden Rechnungswesens sowie die Führung der Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Statuten des Vereines. Diesen Verpflichtungen ist der ehemalige Obmann, wie nunmehr im Zuge einer durchgeführten Statuserhebung festgestellt werden musste, nicht nachgekommen, da von diesem weder aufgrund der Größe des Vereins notwendige Organisationsstruktur, Buchhaltung und Projektkalkulation eingeführt wurde noch auf die entsprechende finanzielle Absicherung und Ausstattung des Vereines Rücksicht genommen hat. Obwohl der Kernbereich des Vereines kostendeckend geführt wird, hat der Verein seit dem Jahr 2017 Verluste generiert und wird mit Ende des Jahres ein negatives Vereinskapital von rund 700.000 Euro aufweisen. Aufgrund der fehlenden Projektkalkulation sowie der entsprechenden Buchhaltung konnte dies den Mitgliedern nicht auffallen, sondern zeigte sich das Ausmaß der generierten Verluste erst jetzt im Zuge der Statuserhebung. Die Ursache der Verluste ist die Teilnahme an diversen Projekten seit dem Jahr 2016, bei denen die Projektkosten nur teilweise (im Bereich zwischen 50 und 80%) durch öffentliche Förderungen finanziert wurden, sodass die restlichen Projektkosten über entsprechendes Eigenkapital bzw. sonstige Investoren finanziert hätte werden müssen. Die in den angeführten Kernbereichen erwirtschafteten Überschüsse konnten den erforderlichen Finanzbedarf nicht abdecken, sodass Verluste aufgebaut wurden bzw. Fördergeld und Anzahlungen auch für andere Bereiche verwendet wurden.“
Von Seiten des KSV heißt es:
"Aus dem Statusbericht des Sachverständigen ergibt sich, dass die Kernbereiche des Vereines kostendeckend geführt werden können. Es ist daher beabsichtigt, die Kernbereiche vorläufig fortzuführen und die nicht dem Kernbereich zugehörigen Unternehmensteile (Projekte) umgehend zu schließen.
Der Insolvenzverwalter wird nunmehr zu prüfen haben, ob eine Fortführung ohne weiteren Ausfall für die Gläubiger möglich ist. Auch werden die der Insolvenz vorangegangenen Vorkommnisse entsprechend zu hinterfragen sein."
Zweiter Lockdown verschärft die Situation
Obfrau Maria Skazel hat am 2. Juli 2020 die Rabel & Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft eine betriebswirtschaftliche Statuserhebung des Sozialvereines Deutschlandsberg in Auftrag gegeben, hier die Stellungnahme: "
Im Fokus dieser Statuserhebung stand die wirtschaftliche Performance des Vereines seit dem Jahr 2017 bis Mitte des Jahres 2020. Diese ist durch eine nachhaltige Ergebnisverschlechterung, den Aufbau von Schulden und eine rückläufige Liquidität gekennzeichnet. Eine Analyse des Zahlenmaterials und der Geschäftsgebarung ergab, dass die seit den Jahren 2016 und 2017 forcierte Teilnahme an öffentlichen Projekten den Verein wirtschaftlich stark belastete.
Zwar wurde ein Teil der entstehenden Projektkosten durch öffentliche Förderungen abgedeckt, den Rest musste der Verein jedoch selbst finanzieren. Obwohl die Kernbereiche des Vereins – die Schul- und Kindergartenassistenz sowie die Schulsozialarbeit und Streetwork – grundsätzlich auf wirtschaftlich stabilen Beinen stehen, war es auf Dauer nicht möglich, die anfallenden Projektkosten durch die generierten Überschüsse aus den Kernbereichen vollständig aufzufangen.
Durch die Unterlassung der Einrichtung eines der Vereinsgröße und den Vereinsaktivitäten angemessenen Rechnungswesens und Controllings in der Vergangenheit, der möglichen Vorfinanzierung durch vom Sozialhilfeverband geleistete Anzahlungen und des Einsatzes der COVID-19-bedingten Stundungsmöglichkeiten kam das wahre existenzbedrohende Ausmaß der Krise des Vereins erst im Spätsommer/Herbst 2020 zum Vorschein.
Der im zweiten Halbjahr 2020 erstellte Jahresabschluss 2019 weist als Folge der seit dem Jahr 2017 erwirtschafteten Verluste ein negatives Vereinskapital iHv -0,33 Mio Euro aus. Die Rückstellungen und Verbindlichkeiten belaufen sich auf 1,07 Mio. Euro. Eine für das Jahr 2020 erstellte Ergebnishochrechnung prognostiziert weitere Verluste iHv mindestens 0,35 Mio Euro. Darin noch nicht berücksichtigt sind jedoch die Auswirkungen des seit 17.11.2020 geltenden zweiten Lockdowns. Die damit einhergehenden Schulschließungen verschärfen die Ergebnissituation zusätzlich, da der Verein in seinen Kernbereichen operativ nicht tätig werden kann.
Der Krisenverlauf des Vereins ist leider als lehrbuchmäßig für einen Krisenverlauf zu bezeichnen:
- Strategiekrise ausgelöst durch den verstärkten Einstieg in den Projektbereich 2016 und 2017, ohne die vereinsinternen Voraussetzungen für das finanzielle Handling dieser Aktivitäten zu schaffen
- Ertragskrise beginnend mit Verlusten im Jahr 2017
- Erste Stundungen von Verbindlichkeiten bereits im Frühjahr 2020, welche in einer
existenzbedrohenden Liquiditätskrise im Herbst 2020 gipfeln."
Aus Sicht des Betriebsrates
In den letzten Wochen ist der Sozialverein Deutschlandsberg somit mehrmals durch die finanzielle Lage und damit verbundenen Unstimmigkeiten zwischen alter Vereinsführung, Gemeinden und neuer Vereinsführung in die Medien geraten.
Dem Betriebsrat rund um die Vorsitzende Johanna Eberhardt ist es wichtig, dass klar gestellt wird, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den jeweiligen Fachbereichen großartige und qualitativ höchstwertige Leistungen für die Bevölkerung erbringen und es oberste Priorität sein muss, diese Angebote für die Bevölkerung zu erhalten. Bis auf weiteres wird in den Fachbereichen des Vereines auch in gewohnter Qualität weitergearbeitet.
- Betriebsratsvorsitzende Johanna Eberhardt
- Foto: Fotostudio Sima
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„Unser oberstes Ziel in dieser Situation ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so zu schützen, dass sie weiterhin ihre wertvolle Arbeit für die Bevölkerung des Bezirkes leisten können“, betont Eberhardt. Weiter unterstreicht sie, dass die Fachbereichsleitungen innerhalb der Fachbereiche immer auf höchste Qualität der Angebote geachtet haben, sodass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum guten fachlichen Ruf, den der Sozialverein Deutschlandsberg heute besitzt, beigetragen haben.
Das seit Mai 2019 amtierende Betriebsratsteam wurde in der Vergangenheit, wie auch die Betriebsrätinnen davor, nicht in die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens eingebunden – das Einklagen der diesbezüglichen Mitwirkungsrechte war keine Option. Seit dem Führungswechsel im Juni dieses Jahres, ist es jetzt oberste Prämisse des Betriebsrates, mit dem neuen Vorstand an der Aufarbeitung der Lage und der Stabilisation in Zukunft tatkräftig mitzuwirken.
Zu den aktuellen Vorgängen auf der Ebene der Vereinsführung äußert sich der Betriebsrat nicht, da es laut Eberhardt jetzt für die gesamte Belegschaft in erster Linie wichtig ist, die fachliche Qualität der Angebote und der geleisteten Arbeit für die Bevölkerung in den Vordergrund zu stellen und weiter zu sichern.
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