Die Sucht hat viele Gesichter
Die Steirische Gesellschaft für Suchtfragen ist mit einer Beratungsstelle in Deutschlandsberg aktiv.
Gesellschaftliche Isolation, beruflicher Abstieg, soziale Ausgrenzung sowie eine extreme Einengung des Verhaltensrepertoires von Menschen sind die sichtbaren Folgen eines allgemein als „Sucht“ bezeichneten Erlebniszustandes von Betroffenen. Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit steigt der Bedarf an Beratungen auch im Bezirk Deutschlandsberg deutlich an, nicht zuletzt eine Folge besserer Information und der Existenz von Einrichtungen wie der „Steirischen Gesellschaft für Suchtfragen“, die in enger Zusammenarbeit mit dem Sozialverein Deutschlandsberg den Betroffenen Rat und Hilfe anbietet. „Natürlich ist der Zugang zum Begriff 'Sucht' unterschiedlich, zeigt deutliche Varianten zwischen Stadt und Land auf,“ weiß die engagierte Psychologin Birgit Zeichen, die zusammen mit Psychotherapeutin Irene Rockenschaub die Verhältnisse im Bezirk Deutschlandsberg sehr genau kennt.
Sucht ist nicht gleich Sucht
„Es gibt über die verschiedenen Arten des Suchtbegriffs leider kaum fundierte Erhebungen, weil einfach die finanziellen Mittel fehlen, um genauere Zahlen zu bekommen und damit eine Strategie gegen diese gesellschaftliche Erscheinung zu entwickeln. Wir sind sehr froh darüber, im Bezirk wieder Beratung anbieten zu können, war ja die Beratungsstelle mehr als eineinhalb Jahre aus finanziellen Gründen geschlossen!“ Zeichen wehrt sich aber gegen eine Dramatisierung des Problems, „weil einfach die Breite von Abhängigkeiten zugenommen hat, das Bewusstsein in der Bevölkerung gewachsen ist und deshalb mehr Menschen Rat und Hilfe bei b.a.s. (betrifft: Abhängigkeit und Sucht) suchen.“ Dabei werden heute Verhaltensmuster bereits als Sucht bezeichnet, die nicht als Abhängigkeit definiert werden können: während Alkoholmissbrauch bei allen Altersschichten die weit verbreitetste Form suchtrelevanten Verhaltens im Bezirk darstellt, will Mag. Zeichen die Bezeichnung „Sucht“ in anderen Bereichen nur beschränkt gelten lassen: „Internet-, Kauf-, Spiel- oder Medikamentenmissbrauch sind oft nur ein Zeichen für fehlende soziale Kontakte und Geborgenheit oder einen hohen Stressfaktor im Beruf!“ rät die Erfahrene Therapeutin vor allem auch Eltern und Freunde Betroffener zur Aufmerksamkeit. Während in der Boulevardpresse immer wieder Berichte über das vorwiegend von Jugendlichen praktizierte „Komasaufen“ auftauchen bricht Zeichen eine Lanze für junge Menschen: „Es fällt immer wieder auf, dass junge Führerscheinwerber die 0,0-Promillegrenze akribisch einhalten, während gesetzliche Grenzregelungen bei „gestandenen“ Führerscheinbesitzern eher ignoriert werden.“
Alkohol- und Spielsucht
Nicht Substanzen wie Cannabis, Kokain oder Heroin bilden im Bezirk das Problem, sondern Themen wie Alkoholmissbrauch, Spielsucht, exzessive Nutzung von Internet und „sozial media“ können Betroffene jeder Altersgruppe in die Isolation treiben. Menschen im Umfeld verhaltensauffälliger Personengruppen sollten besonders wachsam sein, im Familienkreis die Probleme ansprechen und können sich Rat bei Profis wie Birgit Zeichen, Irene Rockenschaub und b.a.s. holen (Beratungsstelle Deutschlandsberg, Unterer Platz 9, Tel. 0664 96 450 42). Mag. Zeichen rät zu „keiner übertriebene Dramatisierung, aber Verantwortungsbewusstsein und verhaltensadäquate Reaktion auf ein mögliches suchtrelevantes Verhalten für betroffene Eltern, Freunde und das gesamte Umfeld gefährdeter Personen, aber auch Konsultierung professioneller Hilfe als wichtige Schritte, um Suchtprobleme bereits im Anfangsstadium zu erkennen und zu behandeln!“
von Franz Krainer
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