Hass, Hakenkreuze und Hitlerbilder: Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund für Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Wien sieht „keinen Anfangsverdacht“ auf strafrechtlich Relevantes in der Facebook-Gruppe "Ich wohne auf der richtigen Seite der Donau (21., 22. Bezirk)". Im SPÖ Parlamentsklub vermutet man politische Interventionen.
WIEN. In der Facebook-Gruppe „Ich wohne auf der richtigen Seite der Donau (21., 22. Bezirk)", die mehr als 17.000 Mitglieder zählt, gratulieren einige User Adolf Hitler zum Geburtstag, sehnen sich „ihren Führer“ wieder herbei, posten Hakenkreuze, beschimpfen und bedrohen Muslime und leugnen den Holocaust.
Seit einigen Jahren wurden hunderte Screenshots aus der Gruppe dokumentiert und gesammelt. Im Juli hat nun der SPÖ Parlamentsklub aufgrund des Berichtes der bz Anzeige erstattet und das gesammelte Material der Staatsanwaltschaft übergeben. Doch was dann kam, sorgte für Unverständnis und Betroffenheit: Die Staatsanwaltschaft Wien hat von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen. Es bestünde „kein Anfangsverdacht“. „Es liegt wohl nahe, dass eine politische Intervention die einzig denkbare Erklärung für diese fassungslos machende Erklärung war“, heißt es aus dem SPÖ Klub dazu. Nun gibt es eine parlamentarische Anfrage an Justizminister Josef Moser.
Kein Ermittlungsverfahren eingeleitet
Es ist dieser eine Satz, der für Unverständnis und Empörung sorgt: „Die Staatsanwaltschaft Wien hat von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gem. § 35c StAG abgesehen, zumal kein Anfangsverdacht (§ 1 Abs. 3 StPO) besteht.“ „Sonstige Erledigung“ nennt man das. Erledigt wurde damit eine Anzeige des SPÖ Parlamentsklubs gegen Mitglieder der Facebook-Gruppe „Ich wohne auf der richtigen Seite der Donau (21., 22. Bezirk)."
„Man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass die Tatbestände der §§3h, 3g Verbotsgesetz und §§188, 282 Abs 1 und 283 StGB erfüllt sind und daher auch ein Anfangsverdacht vorliegt“, heißt es in der parlamentarischen Anfrage an den Justizminister. Und weiter: „Alleine ein in der Facebook-Gruppe gepostetes Bild von Adolf Hitler vor dem rauchenden Schornstein einer Fabrik und der Schrift „Umso größer der Jude, desto wärmer die Bude“ ist eine Gutheißung und Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermordes an über sechs Millionen Jüdinnen und Juden.“
"Das was für mich in einer besonderen Weise erschütternd ist", so Hannes Jarolim, Justizsprecher der SPÖ, der die Anfrage im Parlament eingebracht hat, "ist, dass die Staatsanwaltschaft hier nicht weiter vorgeht. Dass das so durchgeht, lässt eine Empfehlung von außen vermuten." Immerhin sei die Situation eindeutig. Hakenkreuze und verhetzende Postings müssten von der Staatsanwaltschaft anders behandelt werden.
Verhetzung und Wiederbetätigung: Anzeige auch von Zara
Auch die Meldestelle gegen Hass im Netz von Zara (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) hat unzählige der Postings in der Gruppe bereits angezeigt. Und auch hier kam man zu dem Schluss, dass die Postings und Kommentare „jedenfalls strafrechtlich zu prüfen“ sind. Deren Urteil: „Die Straftatbestände umfassen im Wesentlichen die Verhetzung gemäß § 283 StGB, qualifizierte Beleidigungen gemäß § 115 iVm § 117 StGB sowie Übertretungen des Verbotsgesetzes, hier geht’s zumeist um die §§ 3h und 3g VerbotsG.“
„Bei so offensichtlich begangenen Straftaten löst die lapidare Aussage der Staatsanwaltschaft Wien, dass kein Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung durch die Postings bestünde, pure Fassungslosigkeit aus. Eine weitere Problematik ergibt sich zudem dadurch, dass den falschen Leuten ein Signal gegeben wird, ihren Hass ganz offenkundig ausleben zu können“, heißt es aus dem SPÖ Parlamentsklub. Und so stelle man sich die Frage, wie es sein könne, dass im Jahr 2018 die Staatsanwaltschaft eine Aussage wie die oben zitierte und viele andere einfach als zulässig zu den Akten lege.
Nach wie vor Hass und Verhetzung in Donaugruppe
Im Frühjahr, als öffentlich wurde, was in der Gruppe täglich geschieht, verringerte sich die Zahl der Mitglieder kurzfristig. Dann jedoch stieg die Mitgliederanzahl wieder. Und mittlerweile zählt die Gruppe 17.800 Mitglieder. In den vergangenen 30 Tagen wurden rund 260 neue Mitglieder aufgenommen und im selben Zeitraum zählt Facebook 4.927 Postings.
Administriert wird die Gruppe von Günther Koller, Freidemokrat und anderer Auffassung, was Privatsphäre und Sicherheit in der Gruppe betrifft. In den „Infos“ zur Gruppe beruft er sich auf die Meinungsfreiheit und hält fest: „Alle Beiträge in dieser Gruppe unterliegen dem Schutz vor Verbreitung außerhalb der Gruppe.“
Rassistische und nationalistische Postings
Also wird munter weiter gepostet. Unter anderem Folgendes: Markus R. schreibt gerne „Za dom spremni“. Der kroatische Gruß der nationalistischen Ustascha wird ähnlich dem Hitler-Gruß mit erhobenem rechten Arm verbunden. Auch dieser Gruß stellt einen Verstoß gegen das Verbotsgesetz dar.
Andi H. bezeichnet Muslime als „Kinderfickeranbeter“ und stellt folgende Frage, die er auch gleich beantwortet: „Wie würdest du einen 53-jährigen Mann bezeichnen, der Sex mit einer Neunjährigen hat? 1,6 Milliarden Menschen bezeichnen ihn als den Propheten des Islam.“
In einer Diskussion teilt Userin Daniela K. ihre Meinung mit: „Dann sollen sie Steuern einführen für jeden Ausländer, weil die sind teurer als die Hunde.“
Und Thomas S. beleidigt ein Mitglied der Gruppe so: „E. Ö. Lieber schächten Tiere, machen Esel in Popo und fahren 3er BMW.“
Frau wegen Hass gegen Neujahrsbaby verurteilt
Hass im Netz kann sehr wohl Folgen haben. Am Dienstag wurde etwa eine 46-jährige Frau am Landesgericht Korneuburg zu einer teilbedingten Haftstrafe von neun Monaten verurteilt, weil sie verhetzende Postings gegen das Neujahrsbaby Asel getätigt hatte. Die Frau war bereits vorbestraft. Auch in der Donaugruppe wurde gegen Asel gehetzt. Dort wurde das Baby mit einer eierlegenden Assel verglichen. Das kam ebenfalls zur Anzeige. Doch offenbar begründete auch dieses Posting keinen Anfangsverdacht. Auch gegen die Familie von Hadishat, dem 7-jährigen Mädchen, das im Mai von seinem 16-jährigen Nachbarn ermordet wurde, hetzten Mitglieder der Gruppe. Im Jahr 2016 wurde der gesetzliche Rahmen für Hasspostings im Internet verschärft. Bei besonders extremen Fällen der Verhetzung und Cybermobbing drohen seitdem bis zu drei Jahre Haft.
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