Zeitzeugen-Interview
"Ich bin dankbar, dass ich die Zeit erleben durfte"

Karl Roitner Jahrgang 1929 aus der Gemeinde Pupping | Foto: Wolfgang Kerbe/BezirksRundschau
  • Karl Roitner Jahrgang 1929 aus der Gemeinde Pupping
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Sie sind ja Jahrgang 1929. Das ist schon eine Zeit aus und das fällt in die Zwischenkriegszeit. Wo haben Sie denn Ihre Kindheit verbracht und was sin Ihre Erinnerungen daran?

Ich habe das schon auf diesem Hof verbracht, nur war das damals ein Kleinhäusleranwesen, und wir haben doch seither viel umgebaut. Ich habe hier auf diesem Anwesen meine Kindheit verbracht und ich muss sagen, ich erinnere mich noch gerne zurück.

Worin bestehen da diese guten Erinnerungen?

Wir dürfen heut in einer so guten Zeit Leben. Beim Schule-Gehen und vor der Schulzeit, da haben wir ja geflickte Kleider gehabt und geflickte Hosen und Röcke. Mit den Holzbodenschuhen sind wir im Winter in die Schule gegangen und im Sommer barfuß. Das war damals kein Einzelfall. Ich bin dankbar, dass ich diese Zeit erleben durfte. In die Schule habe ich als Jause ein Stück Brot und ein paar Äpfel mitbekommen.Damit war ich zufrieden und die anderen auch. Das war auch schön.

Wie war das noch so, das in die Schule gehen?
Leidergottes war ich am Schulbezirksrand. Ich habe eine Stunde zu Fuß nach Eferding gehen müssen. Das war auch nicht ganz leicht. Wir haben es uns aber auch lustig gemacht. Wir sind in die Schneewechten gelaufen und mit Schneebällen geschossen und "Kugal g'schibm". Das sind die Erinnerungen an die Zeit.

Was war noch an einer Kindheit von damals im Vergleich zu heut anders?
Wir waren noch zufriedener. Da hat man sich noch gefreut, dass man ein Holzspielzeug bekommen hat.

Was war das Schwierige an der Zeit?
Das Schwierige war, dass man sparen musste. Man konnte nicht einfach Brot abschneiden, wie man wollte. Und vielleicht auch, wenn man krank war oder Husten hatte, oder Zahnweh, da hat es kein Arzt-Gehen gegeben. Das hat Geld gekostet.

Wie sie zehn Jahre alt waren ist dann der Krieg ausgebrochen. Was sind ihre Erinnerungen daran?
Ich kann mich noch gut an den Einmarsch 1938 erinnern. Wir waren damals Feuer und Flamme. Ich war damals ungefähr acht Jahre alt und wir waren vollauf begeistert. Und dann fast zu Kriegsende habe ich noch einrücken müssen mit 15 einhalb Jahren. Wir waren in Natternbach. Da haben wir schon noch einiges mitbekommen: Das Training und Übungen-

Wie ist man auf den Volkssturm vorbereitet worden?
Vorbereitet? Man hätte eigentlich bei der Hitlerjugend sein müssen. Weil ich aber so weit nach Eferding gehabt habe, haben sie mir verziehen, dass ich nie zu Heimstunden gegangen bin. Da wäre man schon vorbereitet worden.

Wie war das dann in Natternbach?
Das war schon ein Erwachen für mich. Ich war doch ein bisschen ein Hinterweltler und man hat den deutschen Ausbildungsgeist schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Das war eine harte Ausbildung.

Und wie waren dann die letzten Kriegswochen?
Wir sind noch in der weißen Drillich-Uniform gesteckt, da sin über uns schon die amerikanischen und englischen Aufklärer geflogen. In der Nacht zum 4. Mai hieß es dann plötzlich, dass die Amerikaner schon in Waizenkirchen sind. Wir müssen unbedingt schauen, dass wir auf dem schnellsten Weg nach Hause kommen. es hat widersprüchliche Meldungen gegeben. Wir haben uns jedenfalls sofort zurückgezogen und haben dann – der ehemalige Landeshauptmann Ratzenböck war auch mit – im Wald übernachtet. Und wir haben in St. Agtha campiert und sind dann mit Sack und Pack nach Stroheim. Dort war Florianitag und eine Verwandte hat mich gerügt, dass man aan dem Tag ja in die Kirche gehen muss. Und dann sind wir zu Fuß nach Hause marschiert.

Und dann war der Krieg vorbei?
Ja dann haben sie in Aschach den Getreidespeicher aufgemacht und es sind Lebensmittel ausgegeben worden.Davor war eine deutsche Pioniereinheit hier stationiert gewesen, die über Nacht den Befehl bekam nach Enns abzurücken. Die Truppen haben noch Kriegsmaterial hinterlassen. Wir sind dann mit dem Ziehwagen nach Aschach gefahren und haben auch noch was bekommen. Einen Teil haben wir dann den vielen Heimkehrern abgegeben. Viele Niederösterreicher und Wiener haben nicht nach Hause können, weil dort die Russischen Truppen waren. Wir haben eine Schachtel Teigwaren für sie gehabt und die waren froh, dass sie wieder einmal ein warmes Essen bekommen haben.

Wie war dann so die Besatzungszeit?
Bei uns waren ja die Amerikaner. Im Mühlviertel waren auch zuerst die Amerikaner aber es hat dann ein Abkommen gegeben, dass die Russen bis zur Donau dürfen. Wir haben eigentlich mit den Besatzungssoldaten ein gutes Verhältnis gehabt. Wir haben ein bisschen Englisch gelernt. Sie waren in Brandstatt stationiert und da haben wir schon Kontakt mit den Soldaten gehabt. Wir haben mit ihnen überhaupt keine Probleme gehabt.

Und konnte man in dieser Zeit auch ins Mühlviertel hinüber?
Da hat es auch Episoden gegeben. Es hat ja nichts hinüber geliefert werden dürfen und die Mühlviertler haben bei uns Ferkeln gekauft. Die Ferkeln sind mit Alkohol betäubt worden und haben so nicht gegrunzt. Und so sind viele hinüber geschmuggelt worden.

Was gabe es in der Besatzungszeit noch Besonderes?
Wir haben viele Kriegsrelikte gefunden. Die konnten wir abgeben. Während wir mit den Amerikanern keine Problem hatten ging es in der Russischen Besatzungszone anders zu. Da ist der Komandant zum Bürgermeister gegangen und hat ihm gesagt, wieviel Schlachtvieh er bereitstellen muss. Das ist dann an Ort und Stelle für die russischen Besatzungssoldaten geschlachtet worden. Das war schon härter, abegesehen davon, dass es auch persönliche Übergriffe gegeben hat.

Dann kam 1955. "Österreich ist frei"
54 war erst das Hochwasser. Da haben uns die Amerikaner tatkräftig unterstützt. Und: "Österreich ist frei". Mein Gott, wir haben das damals zu schätzen gewusst. Es ist uns da schon verhältnismäßig gut gegangen, aber ich kann mich noch erinnern wie es hieß: "Österreichs Bauern decken den Tisch". Es war ja vorher auch die Landwirtschaft am Boden. Es hat ja keine Mschinen gegeben. 55, das war ein Aufschrei. Ein jubelnder Aufschrei, dass die Besatzungszeit zu Ende war.

Was war dann noch anders nach 1955?
Man hat damals Lebensmittelkarten gehabt. Das ist noch einige Zeit geblieben. Es ist dann das Straßenwesen anders geworden. Da wo Sie hergefahren sind, da war ein Feldweg mit zwei Spuren. Man hat auch nichts anderes gebraucht. Für den Leiterwagen haben die Spuren gereicht. Es ist uns nie jemand entgegen gekommen. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen.

Wie war das mit dem Automobil damals?
Das war für uns ein Fremdwort. Ich habe die führerschein prufung gemacht und mir dabei niemals gedacht, dass ich mir irgendwann ein Auto kaufen würde. Ich habe ein Motorrad erstanden uns die Motorradprüfung gemacht. Wegen einem Freund habe ich auch die Auto-Prüfung gemacht und im 60er Jahr habe ich mir dann selbst ein Auto gekauft.

Dann war die Zeit zwischen Ungarn-Aufstand und Prager Frühling
Davon haben wir nicht viel mitbekommen, nur das was man in den Medien mitgekriegt hat. In den 60er Jahren hat es auch noch nicht alles gegeben, aber wir haben dann schon recht gut gelebt. Man hat alles verkaufen können. Während dem Krieg hat man ja abliefern müssen. Danach ist man frei gewesen. Man hat die Freiheit schon genossen.

Wie war das mir Fernsehen?
Wir haben ja da in der Umgebung als letztes das Fernsehen bekommen. Das war zuerst das Schwarz-Weiß-Fernsehen und wenn irgendetwas besonders gewesen ist, sind wir zu den Nachbarn gegangen - etwa um die Löwinger-Bühne zu sehen. Die Kinder haben dann schon gejammert. "Wir kaufen uns aber gleich einen Farbfernseher, wenn wir uns einen kaufen", habe ich gesagt. Und da habe ich Wort halten müssen.

Wie kann man sich die Hochzeitsbräuche im Vergleich zu heute vorstellen?
Da am Land, gibt es schon noch ab und zu Hochzeiten mit einem Brautwagen. Heute wird da halt mit dem Auto gefahren. Ich kann mich erinnern als meine Schwester geheiratet hat, musste der Brautführer zahlen, dass er an einer straßensperre vorbeifahren durfte. Dann hat es das Braut-Stehlen gegeben, das gibt es ja noch heute manchmal. Damals war die Heirat noch mehr auf das Kirchliche zugeschnitten. Man hat damals die Hchzeit noch ernster genomen als heute.

Was war in den 70er und 80er Jahren
Wir haben dann das Haus umgebaut und das Vieh aufgelassen. Wir haben uns auf Obst und Gemüse umgestellt. Davor haben wir Kühe, Schweine und Hühner gehabt und auch die ganzen Getreidearten und Klee für das Vieh. Ich habe dann schon gesehen, dass das unrentabel wird. Auf der einen Seite war es für uns eine Belastung, auf der anderen Seite hat man den Bergbauern die Existenz erschwert. Ich war einer von den ersten, der die Kühe verkauft hat. wir haben dann einen Traktor gekauft und durch die vereinfachte Betriebsweise ist uns mehr geld gebleiben.

Wie war es mit dem Telefon?
Das Telfon haben wir um 30.000 Schilling bekommen. Das war eine harte Nuss. Ich war damals aber gezwungen dazu, weil durch die Umstellung der Betriebsweise hat man mit den Händlern in Kontakt sein müssen. Mit den Absatzorganisationen, wie EFKO, wäre da ohne Telefon nichts mehr gegangen. Da wären wir unter die Räder gekommen. Eine 1000 Meter lange Zuleitung war notwendig.

Was war in den 90 Jahren das Schwierigste und das Beste?
Ich erfreue mich heute an den guten Zeiten. Ich kann mit der Pension leben und ich kann hier auf dem Anwesen bleiben. Es war schon eine ganz große Hilfe, dass man zum Arzt gehen kann, ohne zu zahlen. Die Krankenkasse war ein ganz goßes Plus. Früher hat man drei vier Kilometer in die Stadt zu Fuß gehen müssen und heute fahrt man einfach mit dem Auto. Dadurch ist man in meinem Alter auch noch in das öffentliche Leben eingebunden. Sonst wäre ich ein Eisiedler.

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