Auf dem Pilgerweg nach Rom Trient erreicht

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Trient. Mehr als 500 Km bin ich nun zu Fuß unterwegs und habe heute das deutschsprachige Gebiet verlassen. Mit der Salurner Klause endet Südtirol. Über zwei Wochen war ich in Tirol unterwegs, meist durch enge Täler, fast immer an Flüssen. Fließendes Gewässer hält dich wach, macht dich klar und vieles wird rein. Immer wieder verspürte ich die Lust, in dieses Wasser zu steigen, was man aber als Wanderer, so sagte man mir, nicht unbedingt tun soll. Nasse Füße fördern Blasen, und die möchte ich mir auch weiterhin ersparen. Im Gehen schaue ich oft mehr ins Wassr als auf den Weg. Manche Flüsse kommen mir entgegen, der Eisack und die Etsch begleiten mich, freilich gehen wir nicht im Gleichschritt. Das Wasser ist meist um eine kleine Spur schneller. Es ist aber noch einmal beruhigender, mit dem Wasser zu gehen, als wenn einem der Fluss entgegenkommt. "Alles fließt", sagt der griechische Philosoph Heraklith. Und es ist wirklich beeindruckend, Momente zu erleben, in denen dich nichts mehr festhalten will. Es kommt, es geht, und es ist gut, wie es ist. Wie viel wollen wir festhalten im Leben, es möge doch so bleiben, wie es ist? Allein der Energieaufwand, alles beim Alten lassen zu wollen, ist so aufwändig, dass das Alte nicht mehr das Gewohnte ist. Das Wasser fließt, und wenn es ihm zu eng wird, tritt es über die Ufer, gnadenlos. Da gibt es kein für gewöhnlich.
So erlebe ich irgendwie auch die Tiroler, wohlwissend, dass es eine nicht ganz gültige Verallgemeinerung ist. Es ist ein Volk, das immer wieder aus den Ufern steigt, wie die Geschichte es zeigt, wie die Geschichte mit diesem Volk auch immer wieder gespielt hat, und wie während des ganzen Weges immer wieder auch bezeugt wird, beginnend am Bergisel mit zahlreichen Schlachten, in Sterzing, in Brixen. Immer wieder zeugen Denkmäler von Freihehitskämpfen, meist in Abblidung mit einem Adler. Es ist der Drang nach Freihheit, gegen Unterdrückung, der Kampf für Selbstbestimmung. Der Adler ist dafür das große Symbol, fast immer dargestellt im Abflug, im Augenblick des letzten Bodenkontaktes, und man sieht und spürt die Kraft, hinter der ein nicht zu bändigender Wille steht. Da geht es um Leben und Tod, da gibt es kein klein Beigeben, es gibt nur das Abheben oder Aufgeben. Es ist für mich auch die Bewegung, die dich aus der Enge mancher Täler himmelwärts treibt, zum Flug in ungeahnte Höhen. Mit den Flügeln der Freiheit entgegen. Dieselbe Gewalt, wie das Wasser des Eisack sich durch so manche Talenge quält, laut und nicht zu bändigen ist. Es ist kein romantisches Sehnen nach Freiheit, es ist die Urkraft des Lebens, der Enge zu entfliehen. Vielleicht ein Instinkt, den die Diplomatie des Bequemen, des Sich-Richtens kaputt gemacht hat.
Als ich einen mehr als steilen Güterweg hinabgehe, kommt mir ein Junge auf einem Fahrrad entgegen. In Serpentinen fahrend, versucht er dem Berg die Steilheit zu nehmen. Von weitem kommt ein freundlicher Gruß. Ich frage, ob es sehr anstrengend sei. "S'got scho, s'got guat", gibt er mir zur Antwort und radelt mit einer Lockerheit an mir vorbei. "So", denk ich mir lächelnd, "wird der eindeutige Wille der Tiroler trainiert und gebildet." "Es geht gut", an diese Aussage des Tiroler Buben denke ich oft, vor allem dann, wenn der Weg anstrengend und meine Füße müde werden. Den eigenen Körper spüren, ihn an Grenzen führen und dabei danken können, dass das alles möglich ist, das ist im Moment mein wirklich größtes Geschenk. Dadurch, dass ich von der Früh bis zum späten Nachmittag im Freien zu Fuß unterwegs bin, lehrt mich die Natur wieder ein bisschen mehr, mich an ihren Gesetzen zu orientieren, sie zeigt eigentlich den Weg zur Freiheit.

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