Christine Anderl-Hois
Isolation vor 30 Jahren
Christine Anderl-Hois aus Eisenstadt gibt Einblicke in eine Zeit, die mit der heutigen Quarantäne-Situation kaum vergleichbar ist.
Das Thema Coronavirus beschäftigt die Menschen aktuell rund um den Globus. Auch die Bewohner des Eisenstädter Bezirks sind von der Krise und den damit einhergehenden Einschränkungen betroffen. Viele Menschen befinden sich zum ersten Mal in ihren Leben in Quarantäne - Christine Anderl-Hois aus Eisenstadt gehört nicht dazu.
Krebsdiagnose
Als Christine vor 30 Jahren eine Krebsdiagnose gestellt wurde, brach für sie eine Welt zusammen. Angeblich hätte sie nur noch wenige Monate zu leben. Mit ihrem Mann und den fünf Kindern ist die Patchwork-Familie erst vor kurzem nach Eisenstadt gezogen - gekannt haben sie noch niemanden. Unter der Woche musste sie sich schmerzhaften Behandlungen im Wiener Krankenhaus unterziehen, zu denen sie schwerkrank und alleine mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreiste - Unterstützung durch den Staat gab es damals keine. Am Wochenende widmete sie sich der Familie und sorgte für diese.
Tabu-Thema
Niemand aus der Familie, abgesehen von ihrem Mann, wusste von der Krebsdiagnose - über das Thema wurde geschwiegen. Auch sonst konnte sich Christine niemandem anvertrauen, da Krebs zu dieser Zeit das Tabuthema schlechthin darstellte. Der Versuch Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen war auch deshalb nicht möglich, weil sich die Familie in dieser kurzen Zeit in der neuen Ortschaft noch nicht integrieren konnte. „Ich befand mich in kompletter Isolation, ich hätte wirklich jemanden zum Reden gebraucht.“
Allein
Sich mit niemandem über die eigene Befindlichkeit unterhalten zu können war eine der schlimmsten Erfahrungen für Christine. Über Krebs wurde geschwiegen, Christine war mit ihren Problemen also ganz auf sich allein gestellt. Die Menschen trauten sich wegen ihrer Krankheit auch nicht, sie direkt anzusprechen. Damals gab es keine Smartphones, mit denen man andere Personen problemlos kontaktieren konnte. Keine Apps, um sich abzulenken. Kein Netflix oder andere Steaming-Angebote um sich die Zeit zu vertreiben. Die momentane Corona-Situation ist für Christine somit ganz anders und nicht so schlimm wie ihre damaligen Erlebnisse.
Selbsthilfegruppe
Christine machte es sich zur Aufgabe, eine Gruppe zu gründen, in der sich betroffene Frauen austauschen und gegenseitig unterstützen können. Für jene Personen war es nämlich nicht möglich, Zuhause oder in der Öffentlichkeit über ihre Beschwerden und Ängste sprechen zu können. „Viele Menschen haben sich geniert“, erklärt Christine. Erst mit der Selbsthilfegruppe wurde es für die Frauen möglich, gemeinsame Spaziergänge zu unternehmen und über Krebs einen offenen Dialog zu starten.
Jetzt
Christine hat ihre Krebserkrankung besiegt und vielen Frauen mit dem gleichen Schicksal Mut gemacht. Diesen Mut möchte sie nun auch den Menschen in der heutigen Corona-Situation weitergeben: „Aus jeder Situation gibt es einen Ausweg, wir müssen nur daran glauben! Momentan sind Durchhaltevermögen und individuelle Stärke gefragt. Wir müssen nun die Stärke für unser eigenes Menschsein herausholen und uns anstrengen, dann schaffen wir das!“
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