Welternährungstag
Warum uns gesunde Ernährung schwerfällt
Welternährungstag: Genussvolles Essen braucht keine Trends, nur Bewusstsein und Selbstverantwortung.
KÄRNTEN (fri). Die Ernährungswissenschaftlerin und Biobäuerin Johanna Michenthaler über Ernährung: "Der Welternährungstag am 16. Oktober ist ein guter Anlass, die persönliche Ernährung zu beleuchten. Gesunde Ernährung scheint heute etwas Unmögliches zu sein, an jeder Ecke lauern Tipps, die verunsichern und Genuss verteufeln.
Zuviel an Nahrungsenergie
41 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind laut Österreichischem Ernährungsbericht 2017 übergewichtig bzw. krankhaft übergewichtig. Etwa 50 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer nehmen täglich mehr Nahrungsenergie zu sich als sie benötigen. Diese Bilanz hat Folgen, denn der menschliche Körper kann mit dem Zuviel an Energie (noch) nicht umgehen. Menschen sind nicht darauf programmiert, im Überfluss zu leben, genau genommen gab es noch nie eine Zeit, in der ständiges Essens-Überangebot herrschte. Wir sind evolutionär darauf trainiert, möglichst viel Energie aufzunehmen, wenn Nahrung verfügbar ist und diese effizient für Hungerphasen zu speichern. Wir essen zu viele zucker-, fett-, eiweiß- und salzhaltige Lebensmittel und zu wenig sättigende Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Getreide und Kartoffeln. Bei Getränken bevorzugen wir nicht energiefreies Leitungswasser, sondern energiereiche süße und alkoholische Getränke. Über zwei Drittel der Todesfälle lassen sich auf ein Zuviel an Nahrungsenergie oder bestimmte Inhaltsstoffe zurückführen.
Tipp: Es ist nicht notwendig, sich etwas zu verbieten oder Lebensmittel in gut und böse einzuteilen, sondern maßvoll zu genießen. Auch tägliche körperliche Bewegung muss zur Routine werden.
Mangel trotz Überfluss
Woher kommen unsere Ernährungsgewohnheiten und wie können wir sie beeinflussen?
Bereits in der Schwangerschaft bzw. im Kleinkindalter und der Pubertät kommt es zu einer Prägung unseres Stoffwechsels. Dabei lernen wir, in sensiblen Phasen unser Verhalten an die Umwelt anzupassen. Neben unserer Psyche wird auch unser Stoffwechsel programmiert. Die Geschmacksentwicklung, aber auch die Steuerung von Hunger und Sättigung wird bereits im Mutterleib festgelegt. Daran wird deutlich, dass Geschmack, Vorlieben und Abneigungen über Generationen hinweg geprägt werden. Bietet man Kindern Gerichte in bestimmten zeitlichen Abständen immer wieder an, laut Studien mindestens 16 Mal, so entwickeln sie dafür eine Präferenz. Vor allem natürliche, unverarbeitete Nahrungsmittel sollten auf dem Speiseplan stehen, damit sich unsere Darmflora bestmöglich entwickeln kann. Paradox erscheint, dass es trotz vielfältigsten Nahrungsangeboten zu Mangelernährung kommt. Zu jeder Jahreszeit scheint alles verfügbar zu sein.
Tipp: Auf Superfood und Nahrungsergänzungsmittel vom anderen Ende der Welt verzichten. Regionale und saisonale Obst- und Gemüsesorten erzielen den gleichen Effekt.
Gesundung der Zellen
Neue Studien belegen, dass Energierestriktion zum gesunden Leben dazugehört. Das bedeutet, dass man ab und an weniger Nahrungsenergie aufnehmen sollte als der Körper benötigt. Dadurch wird im Körper der Prozess der Autophagie ausgelöst, wodurch er beginnt, fehlerhafte Proteine oder entartete Zellen abzubauen und für Energiegewinnung zu verwerten. Somit kommt es zur Gesundung unserer Körperzellen. Wird beschädigtes Zellmaterial nicht abgebaut, kommt es zu Einlagerungen und ernährungsbedingten Erkrankungen wie Alzheimer, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas, Diabetes mellitus und Krebs. Auch Spermidin wird laut aktuellen Forschungsergebnissen lebensverlängernde Wirkung nachgesagt. Jede Körperzelle enthält diese Substanz. Man findet Spermidin in Weizenkeimen, Kleie, Pilzen, Leber und heimischen Gemüsesorten wie Erbsen, Karfiol, Broccoli etc.
Bewusstsein für Ernährung finden
Iss, was du willst, aber nicht ständig, betont Johanna Michenthaler: "Tipp: Möchten Sie den Effekt der Autophagie ausnützen, so wäre neben dem Konsum von Spermidin auch das Einlegen von Essenspausen eine einfache, aber sehr effektive Möglichkeit. Dabei ist es wichtig, die Nahrungsaufnahme auf 8 Stunden pro Tag (zum Beispiel von 8 bis 16 Uhr) zu beschränken und dann für 16 Stunden nichts zu essen. Es reicht aus, dies an zwei Tagen in der Woche einzuplanen.
Ernährungswissen alleine reicht nicht aus, um richtig zu handeln, auch darüber ist sich die Wissenschaft einig. Dies ist darauf zurückzuführen, dass wir Programme in unserem Körper haben, die uns immer wieder an die Nahrungsaufnahme erinnern. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man jedoch gezielt sein Handeln beobachten und sinnvolle Routinen im Tagesverlauf einplanen. Die Ernährung eines gesunden Menschen verlangt demnach nicht nach einem Rezept, einer Diät oder einem neuen Ernährungstrend, sondern nur nach etwas mehr Bewusstsein und Routinen. Holen Sie sich Ihre Selbstverantwortung zurück. Sie wissen selbst am besten, was Sie brauchen und was Ihnen guttut."
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Zur Person
Johanna Michenthaler ist Ernährungswissenschaftlerin und Biobäuerin in Steuerberg. Zudem ist sie als Bildungsreferentin der Landwirtschaftskammer aktiv.
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