„Die Politik färbt ab“
Zum Abschied als LK-Präsident spricht Walfried Wutscher über seine Sorgen um die Bauern und die Fehler der ÖVP.
Alles hat seine Zeit“, sagt Walfried Wutscher. Und obwohl er sich „sehr vital“ fühlt („Ich könnte sehr wohl noch einmal“) und „von den Fachkompetenzen her kein Problem hat, überall mitzuhalten“, hat er sich entschieden, von der Spitze des Bauernbundes und auch der Landwirtschaftskammer (LK) abzutreten. „Ich bin mit mir selbst im Reinen.“ Und er habe das Glück, profunde Nachfolger zu haben. Was kein Zufall sei: „Ich habe zielstrebig auf guten Nachwuchs hingearbeitet.“ Jetzt Johann Mößler einzusetzen „war eine urpersönliche Entscheidung.“ Und doch bekennt er, nachdem er „tagelang“ sein Präsidentenbüro aufräumte, mit Wehmut: „Das Aufhören ist nicht einfach.“
Große Unsicherheiten
20 Jahre stand Wutscher ganz oben in der Hierarchie der Kärntner Bauern. Zuvor war er zehn Jahre Kammerrat, ein Jahr Vizepräsident. Besonders der EU-Beitritt 1995 hat sich als „immenser Umbruch“ bei Wutscher eingeprägt. „Mit der EU ist alles anders gekommen.“ Vorher hatten die Bauern mehr Sicherheiten, die Preise wurden gestützt, „die Bauern hatten einen guten Preis.“ Heute? „Der Markt spielt, was er hergibt. Die Unsicherheiten sind groß.“
Trotzdem würde Wutscher wieder für einen EU-Beitritt werben. Warum? „Wir sind gut beraten, dass wir dabei sind. Schauen Sie in die Schweiz, dort haben die Bauern große Probleme.“ Zudem haben „perfekt vorbereitete Bauern“ die EU bei uns „gut verkraftet“, sagt Wutscher, wieder ganz Interessensvertreter.
Auf Werten der Vergangenheit
Wutscher, der in Unterrainz bei St. Paul (Gemeinde St. Georgen im Lavanttal) daheim ist, gilt als bäuerlicher Philosoph. Er habe sich „einen Horizont selbst zurechtgelegt, der auf den Werten der Vergangenheit baut“, meint Wutscher, der erkennen musste: „Das Vordenken macht manchmal einsam“, aber „auf längere Zeit kommt die Wahrheit heraus.“
Um die Bauern macht sich Wutscher Sorgen – „Haben wir noch Platz in der Gesellschaft? Das Manövrierfeld für Bauern wird immer enger“, und er spricht von überbordender Bürokratie und immer mehr Restriktionen.
Treue ist ein Schlüsselwort für Wutscher; zwei Mal hat ihm die ÖVP die Position des Agrarlandesrates angetragen, beide Male lehnte er ab, „weil ich den Bauern versprochen habe, die Periode durchzuziehen.“ Wenig Verständnis hat er daher für seine freiheitlichen Mitbewerber, die während Wutschers Amtszeit fünf verschiedene Vizepräsidenten einsetzten – „da ist keine Kontinuität da“.
Kritik an der Politik
Der kommende LK-Wahlkampf werde „sicher ein harter“, Wutscher hofft, dass die Bauern Kontinuität wählen. Mit der Landespolitik kann Wutscher als Ex-Funktionär nichts anfangen. „Ich kann mich mit dieser Form der Politik nicht mehr identifizieren. Die Politik heute fußt nicht mehr auf Grundfesten.“ Vor allem der schlampige Umgang mit dem Steuergeld ärgert Wutscher. „Ich komme von Raiffeisen, da kann man nur ausgeben, was man auch einnimmt.“ Teuerungsausgleich und Jugendtausender verärgern Wutscher – „es ist die Verantwortung der Politik mit öffentlichen Geldern so umzugehen wie mit dem eigenen Portemonnaie.“
„Leider Gottes“ habe sich auch (seine) ÖVP von dieser Form der Politik (mit Verantwortung, Anm.) entfernt. „Die Leute haben keinen Respekt mehr vor der Politik, deren Umgang mit dem Geld und der Wahrheit auf die Bevölkerung abfärbt.“ Und Wutscher warnt: „Es mag noch ein weiter Weg sein, aber irgendwann wird es dem Volk zu viel sein.“
Mitgehangen – mitgefangen
Der Ex-Präsident sorgt sich auch um die Kärntner Volkspartei, die sich in der Koalition mit der FPK „über weite Bereiche zu sehr vereinnahmen lässt“. Der Grundsatz „mitgefangen – mitgehangen“ sei zu durchbrechen, „sich selbstständig zu artikulieren die größte Herausforderung“. Die ÖVP müsse sich deutlicher von der FPK abgrenzen. Und, so Wutscher, kritisch Richtung Martinz: „Es sind Fehler passiert in der ÖVP, die nicht passieren durften“ – konkreter will er, ganz Sir, nicht werden …
Vor einem Pensionsschock fürchtet sich Wutscher wenig – sein Sohn, der den Betrieb daheim führt, „braucht mich zum Arbeiten“, außerdem will er sich viel häufiger als bisher den Rucksack packen und auf die Berge gehen. Und wenn er im Tal bleibt, wird der Bauern-Philosoph sicher ein gutes Buch lesen …
Autor: Uwe Sommersguter
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