CORONA
56-jähriger Mühlviertler berichtet aus Down Under
- Freistadt fest im Blick: In Leopold Sunks Home-Office hängen zwei Bilder der Freistädter Malerin Sieglinde Stadler. Er hat sie von seinen Schwestern – eine lebt in Freistadt, die andere in Klosterneuburg – zum 50er bekommen.
- Foto: Mia Sunk
- hochgeladen von Roland Wolf
FREISTADT, PREGARTEN, SYDNEY. Leopold Sunk lebt mit seiner Familie seit 1998 in einem Vorort der australischen Metropole Sydney. Aufgewachsen ist der 56-Jährige in Freistadt und Pregarten, wo er jeweils zwei Jahre die dortigen Volksschulen besuchte. Nach der Unterstufe am Freistädter Gymnasium wechselte er in die HTL Steyr. In Australien arbeitet Sunk als Softwareberater bei einem internationalen Unternehmen. Wir haben ihn gebeten, uns einen Stimmungsbericht in Bezug auf Corona aus Down Under zu liefern.
Wie groß ist das Thema „Corona“ in Australien bzw. Sydney?
Das Thema dominiert alles, es verdrängt sogar den bei den Australiern über alles geliebten Sport aus den Schlagzeilen. Weil sich alles so schnell entwickelt, sind die Medien voll von Berichten über die Auswirkungen des Corona-Virus. Die Maßnahmen sind wie eine Schraube, die langsam aber kontinuierlich zugedreht wird: Alle paar Stunden gibt es neue Meldungen über Richtlinien, die wieder verschärft werden. Und dann sind da die Nachrichten über neue Fälle – wie jener einer Hochzeit, die vorige Woche stattfand und wo jetzt 37 Hochzeitsgäste das Virus haben. Oder das Kreuzfahrtschiff, das vor ein paar Tagen aus Neuseeland nach Sydney zurückkam und wo – nachdem 2.700 Leute ans Land gelassen wurden – nachträglich fünf Personen mit dem Virus diagnostiziert wurden. Es gibt eine große Angst, dass das Virus die Aboriginal Communities im Outback und im Norden Australiens erreicht. Falls es sich dort verbreitet, wird das voraussichtlich sehr schlimme Folgen haben.
Welche Maßnahmen hat die australische Regierung bereits getroffen?
Nachdem Australien nur mittels Schiff oder Flugzeug erreichbar ist, war es zumindest anfangs relativ einfach, die Infektionen unter Kontrolle zu halten. Zu Beginn waren die Maßnahmen auch ziemlich klar und gut: Die Einreise von China wurde ziemlich bald verboten. Und das, obwohl dies massive wirtschaftliche Auswirkungen hat. Australien hat normalerweise mehr als zwei Millionen Studenten aus China. Der Großteil konnte aber zu Beginn des neuen Studienjahres im März nicht nach Australien kommen. Als sich dann aber das Virus mehr und mehr ausbreitete, wurden die Maßnahmen und Nachrichten von der Regierung etwas verwirrender. Verschiedene Minister gaben unterschiedliche Kommentare. Der Premierminister sprach zwar davon, sozialen Abstand zu halten, war aber selbst überall unterwegs und schüttelte Hände. Und auch wenn im ganzen Land immer mehr zugesperrt wird und die meisten Sport-Meisterschaften pausieren, gibt es derzeit noch Diskussionen, dass die geliebten Rugby-Spiele weitergehen müssen. Es wird sogar in Erwägung gezogen, alle NRL-Teams während der Krise in einem kleinen Ort im Bundesstaat Queensland zu stationieren und dort die Meisterschaft weiterzuspielen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit aber mit Live-Übertragungen im Fernsehen, Radio und online. Wie sagt man so schön? The show must go on!
Das heißt, die Kommunikation seitens der Regierung ist nicht optimal?
Ja, das kann man so sagen. Gut wäre eine koordinierte Kommunikation der Maßnahmen. Das gab es übrigens zuletzt bei den verheerenden Bränden. Da übergab die Regierung die Kommunikation an den Chef der Feuerwehr, der dann Tag und Nacht von einer Zentrale aus berichtete und Maßnahmen herausgab. Politiker sind eben keine Experten für derartige Themen und die politische Sprache – das Schönreden – funktioniert nicht in solchen Zeiten. Daher sollte das an einen Stab von Experten übergeben werden, die dann auch die Kommunikation übernehmen. Das ist in Australien beim Corona-Virus leider nicht der Fall. Wenn keine klaren, koordinierten Nachrichten kommen, dann können sich leicht Desinformation und Panik breitmachen.
Wie wirkt sich das Virus aufs Alltagsleben aus?
Leere öffentliche Verkehrsmittel, leere Regalen in Geschäften, Veranstaltungen ohne Publikum. Viele Leute, die im Tourismus arbeiten, verlieren ihren Job. Wir wohnen in der Nähe eines Stadtteils von Sydney, in dem viele chinesische Einwanderer leben. Dort war es besonders nach dem Beginn des Virusausbruchs in China sehr ruhig. Die Restaurants und Geschäfte blieben fast leer. Mittlerweile hat sich diese Ruhe auf Einkaufszentren und Restaurants in ganz Sydney ausgedehnt.
Wie wirkt sich das Ganze auf Ihr Berufs- und Arbeitsleben aus?
Ich bin vorigen Donnerstag von einem Projekt in Canberra nach Sydney zurückgekehrt und werde ab jetzt zumindest für die nächsten zwei Wochen von zu Hause arbeiten. Das Projekt wird zumindest derzeit weitergehen. Meine Frau, Pascale, wird einen Laptop aufgesetzt bekommen, sodass sie dann ebenfalls von zu Hause arbeiten kann.
Ist Corona in Australien leichter oder schwerer in Griff zu kriegen? Gibt es da australische Besonderheiten zu berücksichtigen?
Eigentlich sollte das Virus leichter in Griff zu kriegen sein. Wie gesagt kann Australien nur mittels Flugzeug oder Schiff erreicht werden. Der Bundesstaat Tasmanien, der ja eine Insel ist, hat sich übrigens auch schon im Alleingang vom australischen Festland abgeschlossen und verlangt eine 14-tägige Quarantäne für alle Neuankommenden. So wie das Northern Territory, das ja auch etwas abgeschotteter ist. Ich weiß nicht, ob das doch etwas wärmere Klima hilft, die Ausbreitung zu verringern. Bei uns hat ja gerade der Herbst begonnen.
Die vergangenen Monate waren kein Honigschlecken für Australien.
Das stimmt. Ende 2019 und in den ersten drei Monaten 2020 hat Australien unglaublich viel durchgemacht: Zuerst die anhaltende Dürre, die unter anderem in Sydney zu den strengsten Wasserbeschränkungen seit vielen Jahren geführt haben. Dann kamen die Waldbrände. Abgesehen davon, dass viele Leute ihr Hab und Gut und einige sogar ihr Leben verloren haben, ging die Fauna und Flora in riesigen Gebieten verloren. Aber auch wirtschaftlich hatten die Brände riesige Auswirkungen, da viele der kleineren Orte, die wochenlang abgeschnitten waren, vom Tourismus leben. In den größeren Städten blieben viele Geschäfte wegen des starken Rauches, der tagelang über Canberra oder Sydney lag, geschlossen. Dann kamen die Überschwemmungen und die Schäden durch Hagel. Und jetzt die Einschränkungen durch den Virus.
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