Kafka-Jesenska Symposium
Eine Liebe an der Grenze
Eine hochkarätig besetzte Fachtagung zeichnete die denkwürdige Begegnung von Franz Kafka und Milena Jesenská vor 101 Jahren in Gmünd nach.
GMÜND/CESKE VELENICE. Im Rahmen des EU-geförderten Projektes "Mikrokosmos" luden die Stadtgemeinden České Velenice und Gmünd in Kooperation mit der Österreichischen Franz Kafka Gesellschaft und dem Kulturverein Übergänge-Prechody zum internationalen Symposium. Sechs Referenten beleuchteten im ehemaligen Kino und heutigen Kulturzentrum "fenix" den historischen Kontext, die literarische Bedeutung und den biografischen Hintergrund der Begegnung von Franz Kafka und Milena Jesenska vor über 100 Jahren in Gmünd.
Thomas Samhaber hat die Veranstaltung initiiert sowie inhaltlich und organisatorisch begleitet. Im Vorjahr hat er auch das Buch "Begegnung an der Grenze" geschrieben. In einer "Doppelbiografie" zeigt er Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden außergewöhnlichen Menschen Franz Kafka und Milena Jesenska auf.
Internationale Expertenrunde
Die beiden herausragenden Kafka-Kenner Thomas und Charlotte Aigner von der Österreichischen Franz Kafka Gesellschaft zeichneten ein anschauliches Bild über die Vorgeschichte der Gmünder Begegnung und illustrierten ihre Ausführungen mit Fotos. Der Philosoph und ausgewiesene Kafka-Experte Alfred Schmidt zeigte, wie sich die Liebe zu Milena Jesenská im Werk Kafkas niedergeschlagen hat. So finden sich viele Spuren gerade im Roman "Das Schloss".
Aus Saarbrücken angereist war die Soziologin und Autorin Alena Wagnerová, die mit ihren Publikationen die Schriftstellerin, Essayistin und Widerstandskämpferin Milena Jesenská im deutschsprachigen Raum bekannt machen will. Ihr Referat, das zwischen Tschechisch und Deutsch wechselte, berührte gerade durch die ausgewählten Zitate von Milena Jesenská.
Der Gmünder Stadthistoriker und Kurator des "Haus der Gmünder Zeitgeschichte", Harald Winkler, vermittelte mit einzigartigem Bildmaterial unterlegt die Geschichte der Stadt in der Zeit der Grenzziehung 1920, als die Begegnung stattgefunden hat. Der Historiker und Lehrer Jiří Österreicher knüpfte hier an und fügte die Biografien von anderen "Grenzgängern" dieser Zeit hinzu. Auch die Verhaftung der Caruso-Partnerin Emmy Destinová am Bahnhof Gmünd (heute České Velenice) verwendete er als Beispiel für die vielen anderen Begegnungen, die hier stattgefunden haben.
Der letzte Teil des Symposiums war dem Thema "Kafka in uns" gewidmet, das Schriftsteller Robert Menasse einleitete. Er wies darauf hin, wie schwierig es sei, Kafkas Texte unvoreingenommen zu lesen, weil das Kafka-Bild so dominant sei und den Zugang zum Text oft verstelle. In ihrer Zeitlosigkeit würden sie uns auch noch heute treffen.
Denkmalenthüllung
Die Veranstaltung wurde zweisprachig durchgeführt und simultan übersetzt. Im Foyer konnte man eine von Brigitte Temper-Samhaber gestaltete Ausstellung sehen, zusätzlich gab es einen großen Büchertisch und eine Sonderbriefmarke der Briefmarkenfreunde aus Gmünd. Im Anschluss begab man sich auf einen gemeinsamen Spaziergang durch České Velenice zum Ort der Begegnung - dem Bahnhof, wo die Gruppe eXtracello als Überraschung aller die Bahnhofshalle in ein Konzerthaus verwandelte.
Die Enthüllung eines, noch provisorischen, Kafka-Jesenská Denkmals brachte eine Bank mit den Unterschriften von Franz und Milena zum Vorschein.
Die Teilnehmer nutzten die Gelegenheit für Gespräche und viele für einen mehrtägigen Aufenthalt in Gmünd zum Besuch weiterer Veranstaltungen beim Kulturfestival Übergänge-Prechody.
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