Hier ist Geschichte noch nicht Sense

Foto: WOCHE
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Einst ein wichtiger Wirtschaftsstandort, heute ein Museum: Das Sensenwerk in Deutschfeistritz feiert 170-Jahre-Jubiläum.

Das Wasser peitscht über die Räder, es treibt die schweren Maschinen und Schmiedehämmer voran, das Eisen glüht, und drinnen wird mit ganzer Körperkraft gearbeitet, um die Produktion voranzutreiben: So sah der Alltag im Sensenwerk Deutschfeistritz aus. Dieser Tage wird das 170-Jahre-Jubiläum gefeiert (s. Info unten). Johann Köck vom Kulturverein, der sich um den Erhalt des Werks kümmert, das heute als Museum zu bestaunen ist, gibt der WOCHE einen Einblick in die historischen Mauern. "Das Sensenwerk führt in die Vergangenheit. Es zeigt, wie Natur und Menschen zusammengearbeitet haben. Für Besucher ist es spannend, weil es ein Gegensatz zur heutigen, oft stressigen, digitalisierten Welt ist", sagt er.

60.000 Sensen gefertigt

Ab dem 16. Jahrhundert entstanden im Übelbachtal, das mit dem Silber- und Bergbau an Bedeutung gewann, eisenverarbeitende Schmieden und Betriebe. Hammerherr Johann Pachernegg errichtete 1849 ein Sensenwerk in Deutschfeistritz – sechs große Wasserräder unter der Fluderanlage betrieben Hämmer und Maschinen. Die Deutschfeistritzer Qualität war gefragt: Wasserkraft und schweißtreibende Arbeitskraft sorgten dafür, dass in den glorreichen Zeiten von hier aus gut 60.000 Sensen in die weite Welt verkauft wurden. Erst die Mechanisierung der Landwirtschaft konnte die Produktion stoppen, bis 1984 war das Sensenwerk aber in Betrieb. Bis dahin waren Mähdrescher kaum ein Begriff, der Griff zur Sense wichtig, um Mensch und Tier zu versorgen. Der letzte, vollständig erhaltene "Steirische Sensenhammer" steht hier noch. Und erzählt dank des Kulturvereins Geschichte: Dieser hat ab 1990 mit der Restaurierung und Revitalisierung begonnen.

Ein Touristen-Hotspot

Mit der Schließung wurde bekannt, wie baufällig das Gelände ist. "Für den Erhalt brauchten wir Geld, Liebe zum Detail und Ideen, die aus der Norm sind, von einem verrückten Team", sagt Köck. Schritt für Schritt hat das Kulturverein-Team das stillgelegte Sensenwerk wieder zum Laufen gebracht. Auch das Wasser fließt wieder, und Maschinen machen Lärm, sodass Besucher bei den Führungen einen leibhaften Eindruck von den 30 Arbeitsschritten, die es benötigt, um eine Sense herzustellen, bekommen. Der Reiz liegt, so Köck, darin, zu zeigen, wie es einst war, wie gearbeitet wurde und Menschen mit dieser Arbeit gelebt haben. "Das Sensenwerk Deutschfeistritz stand für hochwertige Produktion. Wir möchten das Wissen darüber weitergeben." Die Besuchergruppen sind bunt durchgemixt: Von Touristen aus nah und fern über Schülergruppen bis hin zur Landjugend und Mitgliedern des Bauernbundes wollen alle die Historie hören, riechen und fühlen. Vor allem, wenn es "unter" das Sensenwerk führt und die Fluderanlage genau betrachtet werden kann. Das kühle Nass kommt dann von oben.
Heute verbindet der Verein Geschichtliches auch mit einem umfangreichen Kulturangebot. So bietet etwa das Herrenhaus im oberen Stock Platz für Ausstellungen, und eine Goldschmiede bringt alte Handwerkskunst in den modernen Kontext. Auch der Altweibersommer-Markt ist längst ein Begriff für Kultur- und Traditionsverliebte, und im Inneren verwandelt sich der Platz vor der Feuerstelle regelmäßig zur Konzert- und Theaterbühne. "Wir bieten Kultur, die zum Werk passt", so Köck.

Jubiläumsfeier und Altweibersommer-Markt

  • Am 14. September feiert das Sensenwerk das 170-Jahre-Bestandsjubiläum. Nach Grußworten durch Obmann Michael Fattinger und Bürgermeister Michael Viertler wird es eine Präsentation zur Tätigkeit des Kulturvereins sowie ein Konzert mit dem Bläserquintett Phönix geben. Das Highlight ist eine Führung durch das abendliche Museum (Reservierung: 0677/63519679).
  • Am 28. September findet bereits zum 30. Mal der Altweibersommer-Markt statt. Im schönen Innenhof wird ein altertümlicher Viktualienmarkt abgehalten und selbst gemachte Köstlichkeiten aus Großmutters Küche (Sterz mit Häferlkaffee, Marmeladen, feine Liköre, Schnäpse oder Gesundes nach Hildegard von Bingen) angeboten. Die musikalische Umrahmung übernimmt auch heuer wieder die Fuchsbartl-Band. Außerdem sind Führungen durch das Museum möglich. Ab 10 Uhr geht es los.
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