Gespräch mit einem aus der 68er-Bewegung

Der Schauspieler und Regisseur Otto Köhlmeier hat ein Programm über die 68er-Bewegung erarbeitet, das stark autobiografische Züge aufweist.
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Der Schauspieler und Regisseur Otto Köhlmeier, ein gebürtiger Vorarlberger, lebt seit über 30 Jahren (faktisch seit Ende der 68er-Bewegung) in der alten Elxenbacher Kunstmühle in Sankt Marein bei Graz. Der 1949 geborene, klassische 68er, im Gespräch mit Julia A. Meier-Wagner über Flower-Power und die Jugendrevolte von damals.

J.M.: Du bist einer, der die 68er-Bewegung bewusst erlebte und der darüber jetzt ein Programm erarbeitet hat. Was verbindest du denn unmittelbar mit dem Begriff „68er“?

O.K.: 68er … das ist für mich vor allem eines: Widerstand gegen das Alte und die Alten. Ein Aufbegehren gegen die Eltern. Ein Wehren gegen das Schweigen der Väter, gegen die Autorität von Lehrer und Pfarrer, gegen die Prüderie der damaligen Zeit.

J.M.: Wie hat sich dieser Widerstand denn gezeigt, wie hat er sich geäußert?

O.K.: Ganz deutlich im Hinterfragen der vermeintlichen Autoritäten. Wir pfiffen auf die sexuelle Auf- bzw. Verklärung der Eltern und klärten uns selbst auf. Wir stellten die Allwissenheit unserer Lehrer in Frage und kritisierten öffentlich deren Nazivergangenheit. Wir ließen uns die Haare wachsen, kleideten uns neu und hörten vor allem eine andere Musik. Statt Vico Torriani, Rocco Granata oder Freddy Quinn lauschten wir den Stones, The Who, The Doors, The Cream und vielen anderen.

J.M.:Wenn wir an 68 denken, dann haben wir Bilder von Barrikadenkämpfen in Paris, von revoltierenden Studenten in Berlin, von Hunderttausenden die in Amerika gegen den Vietnam-Krieg demonstrierten vor Augen. In Österreich ging es wahrscheinlich nicht ganz so wild zu?

O.K.: Die 68er-Bewegung bei uns in Österreich war nicht unbedingt eine soziale Revolte, die sich auf der Straße abspielte, die von einer breiten Öffentlichkeit unter Einbindung der Arbeiterschaft getragen wurde, sondern viel mehr eine kulturelle (fast folkloristische) Sache, die nicht unbedingt in einer breiten Öffentlichkeit über die Bühne ging. Vielmehr saß man in Studenten-WGs zusammen, ließ den Joint im Kreis gehen und diskutierte, an wem man sich – nach dem Umsturz, nach der Revolution – orientieren sollte: an Ho-Chi-Min, an Tschu-En-Lai oder an Mao-Zedong, an Enver Hodscha oder Fidel Castro. Ein paar Mal kam es auch hierzulande zu Demos. Und im Mai 68 zu der spektakulären Aktion der Wiener Gruppe um Otto Mühl gemeinsam mit den Studenten an der Uni Wien. Aber sonst … war es eher ruhig bei uns.

J.M.:Du hast versucht, mittels Theater deinen revolutionären Kampf zu führen?

O.K.: Ja. Ich kam 1968 aus dem biederen Vorarlberg nach Graz, wurde vom Ministranten zum Trotzkisten, lebte hier in Kommunen und studierte Schauspiel, Regie und Theaterwissenschaften. Und ich gründete eine eigene freie Theatergruppe – das „theaterarbeiterkollektiv“ – mit der ich versuchte, die Welt zu verändern, meinen Beitrag zur Revolution zu liefern. Zehn Jahre tingelten wir durch den deutschsprachigen Raum und spielten vor Studenten, Lehrlingen und Arbeitern, in Volksheimen und Gewerkschaftshäusern.

J.M.:Und? Was habt ihr erreicht? Wie endete das Ganze?

O.K.: Nach etwa fünfzehn Jahren ließ der revolutionäre Elan nach. So gegen 1984, 1985 kam es zum revolutionären Stillstand. Der Großteil der Revolutionäre hatte das Studium doch noch beendet, man trat in die Anwaltskanzlei des Vaters ein, wurde Lehrer oder Universitätsprofessor oder Landesbediensteter. Und die paar Übriggebliebenen, so wie ich, zogen sich aufs Land zurück und versuchten ihren Frieden im Einklang mit der Natur zu finden. Auch wenn die 68er-Bewegung bei uns in Österreich nicht ganz so wild verlaufen ist, wie andernorts … so hat sie doch nachhaltig einiges verändert, was heute noch wirkt: die sexuelle Aufklärung (inklusive Pille), die Emanzipation der Frau (auch wenn wir 68er-Burschen die Frauen vielfach benutzt und ausgebeutet haben), die Diskussion um den Faschismus … Vor allem aber: die Reformierung und Revolutionierung des gesamten Bildungssystems.

J.M.: Danke für das Gespräch!

Wo: Elxenbacher Kunstmühle, 8323 Sankt Marein bei Graz auf Karte anzeigen
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