Tierrecht braucht mehr Wertigkeit

Freunde fürs Leben: Wer einem Tier ein Zuhause geben will, muss auch Verantwortung für sein Wohl tragen. | Foto: N&N – helping Dogs/Privat
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  • Freunde fürs Leben: Wer einem Tier ein Zuhause geben will, muss auch Verantwortung für sein Wohl tragen.
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Hund, Katz’ und Maus: In fast 40 Prozent der österreichischen Haushalte hat ein Vierbeiner sein Zuhause gefunden. Wer sich dazu entscheidet, ein Tier bei sich aufzunehmen, tut es in erster Linie aus Liebe für das Tier. Im besten Fall haben diese Haustierhalter den Unterschied zwischen Optimierung des Tierwohles und der Vermeidung von Tierquälerei verstanden. Im schlimmsten Fall kommt es zu Tragödien, bei denen Tiere entweder aufgrund fahrlässigen Verhaltens – wie im Falle des Yorkshire Terrier "Giszmo", der in Gratkorn in einem Wäschetrockner ums Leben kam – oder Unterlassung der Versorgung – wie im Falle der 22 dehydrierten und erkrankten Katzen, die in einer Garage in Frohnleiten gefunden wurden – leiden müssen.

Verantwortung übernehmen

Nicole Rechberger vom Verein ‚N&N – helping Dogs‘ in Gratwein-Straßengel weiß aus Erfahrung, warum sich viele Halter nicht artgerecht und tierfreundlich um ihre Tiere kümmern. "Auch in Österreich geht die Wertigkeit des Tieres leider zu oft verloren. Das Tier wird als Gegenstand betrachtet, der bei Bedarf ausgetauscht oder zurückgegeben wird", sagt die Tierschützerin, die mit dem Verein u.a. im In- und Ausland Hunde vor Quälerei und Verwahrlosung retten konnte.
"Bevor man sich ein Tier zulegt, muss im Vorhinein darüber nachgedacht werden, wie man mit allen nur erdenklichen Situationen umgeht: Hat man die Zeit für ein Haustier? Kann ich die Kosten tragen? Was passiert, wenn ich auf Urlaub fahre oder krank werde?", sagt Rechberger und fügt hinzu: "Außerdem ist es wichtig, sich zu informieren, ob das Tier überhaupt zu den eigenen Lebensumständen passt."

Rechtliche Grundlage

Der Tierschutz regelt, wie Tiere zum Nutzen der Menschen unter welchen Umständen und mit welcher Behandlung eingesetzt werden können. Damit grenzt sich der Schutz von der Tierethik ab. Unter Umständen kann ein Tier rechtlich gesehen als Sache verstanden werden. "Und damit quasi als gewöhnliches Eigentumsobjekt behandelt werden", teilt Paulus Papst, Rechtsanwalt in Gratkorn, anhand eines Beispiels mit: "Die Exekutionsordnung enthält keine Regelung dazu, wie mit im Rahmen einer Räumungsexekution aufgefundenen Tieren zu verfahren ist, demnach gelten die allgemeinen Regelungen über das Eigentum."
Ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz gibt’s in Österreich seit 2005. Bis dahin kamen Regelungen tierschutzrechtlicher Bestimmungen nur dann zustande, wenn die Angelegenheit im Zusammenhang mit dem Bundesverfassungsschutz stand.
"Von dieser Kompetenz machte der Bund jedoch nur in Teilbereichen Gebrauch und regelte etwa die Bereiche Tierversuche, Tiertransporte auf der Straße, der Eisenbahn und in der Luft, gewerbliche Tierhaltung, gerichtliche Strafbarkeit von Tierquälerei sowie die Regelung betreffend den zivilrechtlichen Status der Tiere", sagt Papst.

#mitreden!
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach der Tierschutz? Welche Rechte sollten Haus- und Nutztiere zugestanden werden? Wie soll mit Tierquälerei gesetzlich umgegangen werden? Schreiben Sie an: gu-nord@woche.at

Zum Verein 'N&N – helping Dogs'

- Der Verein 'N&N – helping Dogs' mit Sitz in Gratwein-Straßengel wurde im Oktober 2014 von Nicole Rechberger und ihrer Kollegin Nadine ins Leben gerufen und setzt sich im In- und Ausland für das Recht der Tiere ein. Darunter versteht sich nicht nur die ärztliche Versorgung, Unterbringung und Vermittlung sowie die Unterstützung von in Not geratenen Tierhalter, es geht auch um Organisationen, Spendenfahrten und die Vermittlung einer verbesserten Mensch-Tier-Beziehung.
Der Verein wird ehrenamtlich geführt, alle Projekte sind Dank Spenden und Mitgliedschaft finanziert.

- Der Verein startete 2015 ein Kastrationsprojekt, um die unkontrollierte Population von Katzen und Hunden, die unbeaufsichtigt in Kroatien, Bosnien und Herzegowina leben, nachhaltig zu verringern. Das Leid der Tiere steigt mit der unkontrollierten Vermehrung insofern, als dass Lebensraum und Nahrung knapper werden. In Siroki Brjeg, nahe Mostar, wurden bereits 5000 Eingriffe vorgenommen. "Freilaufende Tiere werden von den Tierschützern vor Ort eingefangen und anschließend beim ansässigen Tierarzt kastriert. Nach dem Eingriff werden sie vor Ort versorgt, bis sie wieder fit genug sind, um auf dem Platz, bei welchem sie vorgefunden wurden, freigelassen zu werden. Doch nicht nur freilaufende Tiere, Streuner, sind das Ziel dieses Projekts, sondern auch Tierhalter können ihre Vierbeiner mit Hilfe der Projekte des Vereins kastrieren lassen, denn oft fehlen ihnen sowohl die Mittel als auch das Wissen über die Notwendigkeit eines solchen Eingriffs", teilt der Verein mit.

- Sie möchten den Verein unterstützen? Alle Infos gibt's hier.

Zur Geschichte des Tierschutzrechtes

- Die aufklärerische Philosophie und neue religiöse Betrachtungen zum Mensch-Tier-Verhältnis im 17. und 18. Jahrhundert in Großbritannien legten den Grundstein der Tierrechtsbewegung.

- Der erste österreichische Tierschutzverein – der ‚Niederösterreichische Verein gegen Misshandlung der Tiere in Wien‘ – wurde 1846 durch Ignaz Castelli gegründet. Ziel war es, der Öffentlichkeit Tierquälerei aufzuzeigen und deren Verminderung zu gewähren. Vorerst setzte sich der Verein für den verbesserten Umgang von Nutztieren ein, schnell wurde aber auch eine Sammlung der Tierschutzverordnung herausgegeben und ein Tierrettungsdienst eingerichtet.

- Das österreichische Tierschutzrecht an sich entwickelte sich im 20. Jahrhundert, "als das Tier vom Gesetzgeber als Schutzobjekt anerkannt wurde", klärt Rechtsanwalt Paulus Papst auf. Zuvor war die öffentlich begangene Tierquälerei mit Strafe bedroht – diese Bestimmung diente allerdings insofern lediglich der Wahrung der öffentlichen Ordnung, als dass die "Verrohung allfälliger Beobachter zu befürchten war".

- In Österreich ist Tierquäleri strafbar. Das Strafmaß kann bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe ausmachen.

- „Es ist verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen", lautet der erste Absatz im Bundesgesetz über den Schutz der Tiere zum atbestand der Tierquälerei. Der zweite Absatz führt Tatbestände auf, etwa Zucht auf Aggressivität, Qualzucht oder die Unterbringung, die mit Tierleid verbunden werden kann.
- Der Tierschutz zielt auf den Schutz und das Wohlbefinden einzelner Tiere ab. Der Mensch habe Verantwortung zu tragen im Umgang mit dem Tier, das als fühlendes Wesen zu gelten hat.

- In den späten 1940er-Jahren und frühen 1950er-Jahren wurden die ersteen Tierschutzgesetze der Bundesländer erlassen. Erst in den 1990er-Jahren kam es zum Erlass des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere. Maßgeblich für den Gesetzesentwurf verantwortlich war das 1996 auf Initiative der österreichischen Tierschutzorganisation durchgeführte Volksbegehren ‚Ein Recht für Tiere‘. 459.096 Personen haben es unterzeichnet. Bis dahin galt der Schutz der Tiere nicht ausdrücklich als Kompetenztatbestand (dies gilt heute noch für den Artenschutz).

- Für die Einführung des Tierschutzgesetzes wurde das Bundesverfassungsgesetz geändert. Die Vollziehung der tierschutzrechtlichen Angelegenheiten ist wiederum Ländersache.

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