Jubiläum der manuskripte
Als Graz Literaturhauptstadt war

Ein Spaziergang quer durch die Geschichte der manuskripte: Andreas Unterweger erzählt. | Foto: KK
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  • Ein Spaziergang quer durch die Geschichte der manuskripte: Andreas Unterweger erzählt.
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Wäre dieser Stadtspaziergang ein Film, so hätte in den Credits wohl "In loving memory of Alfred Kolleritsch" gestanden. Schriftsteller Andreas Unterweger hat zum 60. Jubiläum der manuskripte einen Rundgang durch die Geschichte der Literaturzeitschrift konzipiert. Über Graz als Gebärklinik der deutschen Literatur, erste Kontroversen und neue Weltwortreisende.

Wo alles anfing, ist es karg: Im Forum Stadtpark sitzen vielleicht ein dutzend Leute auf den Sesseln und ganz vorne Hedwig Wingler. Auf ihrem Schoß liegt ein Artikel, den sie zum 40. Jubiläum der manuskripte geschrieben hat. Wingler ist manuskripte-Rekordautorin (mit 70 Beiträgen) und war von Anfang an dabei: In jener Nacht 1960, als die Grazer Dichter sich unter Herausgeber Alfred Kolleritsch zusammenschlossen, um vor der Eröffnung des Forums Stadtpark noch eine erste, Ausgabe der später legendären Literaturzeitschrift zusammenzustoppeln, war sie die Einzige, die mit dem Zehn-Finger-System auf der Schreibmaschine tippen konnte. So habe sie die erste und die zweite Ausgabe der Zeitschrift getippt, erinnert sie sich zurück. 

Liest aus einem Artikel zum 40. Jubiläum der manuskripte: Hedwig Wingler. | Foto: KK
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rot anstatt rot

Die manuskripte regten schnell auf: Schon in der zweiten Ausgabe zog die Raiffeisen Sparkasse ihre Widmung als Sponsor zurück, angeblich weil die Zeitschrift zu "modernistisch" war. Konkret soll es dabei um Friedrich Achleitners Gedicht "rot anstatt rot" gegangen sein, bei dem es sich doch nicht um "richtige Dichtung" handeln könne. Aber so genau weiß das inzwischen niemand mehr, auch wenn man es immer noch mit Stolz erzählt, um zu zeigen, wie sehr die antitraditionalistische Haltung der manuskripte schockiert habe.

Was war und was ist: Eine der ersten Ausgaben der Zeitschrift (rechts) und die aktuelle (links). | Foto: KK
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"Man muss bedenken, was Graz damals für eine Stadt war. Das war ein Ort, an dem sich Offiziere zur Ruhe setzen", so Unterweger. Dementsprechend bürgerlich, ja, verschlafen sei die Stadt in den späten Fünfzigern gewesen. Das geht soweit, dass Autor Schriftsteller Wolfgang Bauer Graz sogar als "A**** der Welt" bezeichnet haben soll, auch in Hinblick darauf, dass es kaum Zugverbindungen gab. "Die Züge versickerten damals sozusagen hinter Leoben", so Unterweger.  Das war also der Frieden, den das Forum Stadtpark und später die manuskripte störten. Mit Erfolg. 

"Ich traue mich zu sagen, dass ohne das Forum Stadtpark und Alfred Kolleritsch diese Stadt nicht zu dem geworden wäre, was sie jetzt ist."
- Andreas Unterweger

Parameter für den Aufstieg

Eine gute Ausgangslage für ein "legendäres" Literaturmagazin, doch der Grund, warum die manuskripte den Durchbruch schafften, war noch einmal ein anderer, wie Unterweger erzählt. "Schon in der zweiten Ausgabe hat Alfred Kolleritsch die manuskripte für internationale Autoren geöffnet, das war ein wichtiger Faktor für den Aufstieg." International, das meinte damals vor allem, dass neben lokalen Talenten auch Wiener in dem Magazin publizieren durften. Aber nicht nur: So dichtete schon in der zweiten Ausgabe ein gebürtig ägyptischer Autor, dass man nur Tauben rauben sollte. Aber es gibt noch einen Faktor, den Unterweger gerne herausstreicht: Von Barbara Frischmuth bis hin zu Peter Handke veröffentlichen schnell junge Talente in dem Magazin. Letzterer war immerhin 2019 auch Träger des Nobelpreises für Literatur.

Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit: Schriftsteller Rudi Widerhofer liest Peter Handke, der auch früh in den manuskripten veröffentlichte. | Foto: KK
  • Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit: Schriftsteller Rudi Widerhofer liest Peter Handke, der auch früh in den manuskripten veröffentlichte.
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Erinnerungen an eine glorreiche Zeit

Inzwischen alles längst Geschichte, auch wenn Alfred Kolleritsch seine manuskripte noch bis 2020 herausgab. Im vergangenen Mai starb der Herausgeber schließlich, nur wenige Monate vor dem 60. Jubiläum der Zeitschrift, für das dieser Stadtspaziergang eigentlich konzipiert wurde. Ein Spaziergang durch die Erinnerung, ein Klammern an eine Zeit, als das Forum Stadtpark noch eine "Gebärklinik der deutschen Literatur" war und die Stadt selbst die heimliche Literaturhauptstadt Österreichs, wenn nicht gleich ganz Europas. Und im Zentrum von all dem: Alfred Kolleritsch, das Mastermind hinter der Zeitschrift, der Herausgeber, an den sich Zeitgenossen, Familie und Freunde auf diesem Spaziergang so hingebungsvoll erinnern. Ein Erbe, dem sich der aktuelle manuskripte-Herausgeber Andreas Unterweger wohl bewusst ist: "Ich traue mich zu sagen, dass ohne das Forum Stadtpark und Alfred Kolleritsch diese Stadt nicht zu dem geworden wäre, was sie jetzt ist."

Wohin es geht

Und jetzt? Die Grazer Literaturszene bewegt sich weiter und bleibt grenzüberschreitend. So startet heute das dreitägige Festival "Weltwortreisende", das Lesende unterschiedlichster Nationen zusammenbringt. So wird heute Abend unter dem Motto "Afrikanische Präsenz in der österreichischen Literatur" gelesen. Beginn ist um 19 Uhr im Forum Stadtpark.  Und dann gibt es da noch die neue Ausgabe der manuskripte. Nummer 233 ist seit gestern erhältlich.

Mehr Information

Zum Festival "Weltwortreisende" geht es hier.
Zur neuen manuskripte-Ausgabe 

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