Waldorfschule Karl Schubert
"Die Kunst ist unsere Methodik"
Anlässlich 100 Jahre Waldorfschule hat sich die WOCHE beim Tag der offenen Tür umgesehen.
Es ist ein verregneter Donnerstag, an dem die Waldorfschule Karl Schubert in Ries zum Tag der offenen Türe lädt. Bevor die WOCHE eine Führung durch die Schule bekommt, zeigen die Schüler einer zweiten Klasse ein Theaterstück. Dass auch Kinder mit Beeinträchtigung mitmachen, fällt erst auf den zweiten Blick auf. Vielmehr steht die gelebte Inklusion im Vordergrund, denn jedes Kind ist in das "normale" Geschehen eingebunden. "Es geht nicht um das Prinzip Inklusion, sondern darum, eine gemeinsame Basis für alle zu schaffen und gemeinsam die Tätigkeit zu erleben. Inklusion und Unterricht laufen nicht nebeneinander, sondern miteinander. Das ist vor allem dadurch möglich, weil der Unterricht stark auf Individualität aufbaut", erzählt Barbara Nickel, die seit 1996 an dieser Schule unterrichtet.
Nähen und Sprache
Die nächste Station des Rundgangs führt in den obersten Stock zum Handarbeitsunterricht. Mädchen und Burschen der sechsten Schulstufe sitzen im Raum, in dem zahlreiche Bilder – und viele davon beachtenswert gut gezeichnet – von Pferden und Elefanten an den Wänden hängen. "Von Schulbeginn an zeichnen wir jede Woche ein anderes Tier. Nach sechs Wochen suchen sich die Kinder ihr Lieblingstier beziehungsweise -bild aus, daraus wird der Schnitt genommen und anschließend genäht", erklärt die Lehrerin. Viele Eltern schauen sich begeistert um und schon geht es weiter zum Französisch-Unterricht. Was sofort auffällt, ist der humorvolle Lehrer mit französischem Akzent, der in diesem Fall der fünften Stufe die Fremdsprache mit viel Geduld und Lachen näherbringt. Ab der ersten Stufe hat man in dieser Waldorfschule Französisch-Unterricht.
Nicht nur Künstler
Während der Pause erzählen die Schüler der achten Schulstufe, wie gerne sie hier zur Schule gehen. Das Lieblingsfach von vielen ist Gartenbau. "Das ist richtig geil", sagt Maximilian und ergänzt: "Da machen wir alles Mögliche, im Winter beispielsweise Kräutersalz aus den im Sommer gepflanzten Kräutern." Auf die Frage nach den Berufswünschen zeigt sich die Bandbreite: Eine Schülerin möchte Fotografin werden, ein anderer Schüler Helikopterpilot, wieder ein anderer Gastronom und manche wissen es noch nicht.
Gegen das Vorurteil, dass Waldorfschüler nur Künstler werden, wehren sich die Lehrenden, so erklärt Nickel das Konzept: "Bei uns haben die Kinder die Möglichkeit, ihr Begabungsspektrum zu erkunden. Das Intellektuelle wird dabei nicht wie anderswo sozusagen von oben über die Schüler gestülpt, sondern wir erarbeiten es mit den Kindern und die Kunst ist dabei auch unsere Methodik. Unsere Schüler sollen nicht reproduzieren, was jemand erzählt, sondern es selbst erleben und erarbeiten."
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