Neue Kampagne gegen Gewalt
"Die Welle bricht nicht mehr"
Das Frauenservice Graz hat mit der Mädchenberatung "mafalda" eine Kampagne gegen
Gewalt gestartet.
Gewalt ist keine Privatsache. So die Botschaft der Kampagne "Es passiert bevor ES passiert", die über erste Anzeichen von häuslicher Gewalt aufklären und Hilfe vermitteln soll – nicht nur für die Opfer, sondern auch für ihr Umfeld. Michaela Engelmaier betreut das Projekt im Grazer Frauenservice. Mit der Woche hat sie über Frühsignale und fehlende Solidarität gesprochen.
Woche: Allein dieses Jahr hat es schon 22 Femizide in Österreich gegeben. Kann man das mit Kampagnen verhindern?
Engelmaier: Ein Mord ist "nur" die Spitze des Eisberges. Wenn es so weit kommt, haben wir sowieso ein riesiges Problem. Gewalt ist aber meistens schon viel eher zu erkennen und aus meiner Sicht dulden wir diese Frühsignale in der Gesellschaft viel zu lang. Wir tun das mit der Rechtfertigung, dass uns das nichts angeht. Wir schieben die Gewalt ins Private.
Was für Frühsignale sind damit gemeint?
Nehmen wir körperliche Gewalt her. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass man gleich geschlagen wird und ins Krankenhaus muss. Auch schubsen oder an den Haaren ziehen ist schon körperliche Gewalt. Frühsignale sind etwa auch Beleidigungen.
"Ein Mord ist "nur" die Spitze des Eisbergs"
- Michaela Engelmaier
Gewalt ist ein Tabuthema. Trauen sich von Betroffene überhaupt zum Frauenservice?
Ja und seit Corona werden es immer mehr. Früher war vor allem die Zeit vor Weihnachten kritisch, aber im Sommer war es wieder ruhiger. Seit Pandemiebeginn gibt es das nicht mehr. Dieses Jahr hatten wir von Anfang an eine ganze Welle an Beratungsanfragen und die geht auf und ab, aber sie bricht nicht mehr. Da spielt auch mit, dass so lange alles im Lockdown war. Wenn die Täter keine Entlastung in der Freizeit finden, bringen sie den ganzen Stress nach Hause und es eskaliert.
Und Täter holen sich selten Hilfe, bevor es eskaliert...
Richtig. Wir haben ein Täterproblem: Dass sich Männer Hilfe holen oder überfordert sein können, entspricht nicht unserem Bild. Das sollte normal werden.
"Dieses Jahr hatten wir von Anfang an eine ganze Welle an Beratungsanfragen und die geht auf und ab, aber sie bricht nicht mehr."
- Michaela Engelmaier
Sie haben anfangs darüber gesprochen, dass Gewalt zu lange geduldet wird. Fehlt es uns da an Zivilcourage?
Viele wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, und das liegt, wie anfangs erwähnt, an dieser Privatheit. Wenn man auf der Straße beobachtet, wie ein Pärchen streitet, geht man oft nicht dazwischen, bezeichnet das als Privatsache. Aber wenn zwei Personen sich streiten, die augenscheinlich keine Beziehung haben, tut man sich da viel leichter und das ist unser Problem. Wir haben es einfach verabsäumt, klarzustellen, was Gewalt ist, wo sie beginnt und wer sich einmischen darf. Dadurch verliert sich die Solidarität und auch darauf wollen wir in der Kampagne aufmerksam machen.
Der erste Schritt ist mit dem Launch der Kampagne geschafft. Wie geht es jetzt weiter?
"Es passiert bevor ES passiert" ist eigentlich Teil eines größeren, mehrjährigen Projekts, das wir auch fortführen werden. Für 2022 sind etwa Informationsveranstaltungen im Frauenservice geplant.
Mehr Information:
Die ganze Kampagne ist online zu finden.
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