Corona ist schuld
Rasen wurde in Pandemie zur häufigsten Unfallursache
Seit 2020 hat Rasen Unaufmerksamkeit als häufigste Unfallursache im Straßenverkehr abgelöst. Umfragen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit bestätigen die Motive: Die Gesamtsituation der "Corona-Jahre" hat Fahrzeuglenker:innen rücksichtsloser werden lassen.
GRAZ/STEIERMARK. Bei über 120 km/h auf der Triesterstraße im Grazer Ortsgebiet war Mitte März der Führerschein eines 24-jährigen Rasers vorläufig weg. Schlimmeres blieb in dieser Nacht auf Sonntag Mitte März glücklicherweise aus. Dass der junge Mann rasch von der Polizei gestoppt werden konnte, ist für die Behörden – betrachtet man die Gesamtsituation – nur ein schwacher Trost. Denn in den vergangenen zwei Jahren häufen sich in Österreich die tödlichen Unfälle, verursacht durch rücksichtloses Rasen.
Belegt werde dies durch offizielle Zahlen, bestätigt Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. "Bis 2019 war Ablenkung die häufigste Unfallursache, inzwischen ist es überhöhte Geschwindigkeit", so der Bereichsleiter für Verkehrssicherheit. War zuvor jeder vierte Unfall mit Todesfolge auf "nicht angepasste Geschwindigkeit" zurückzuführen, ist es 2020 bereits jeder Dritte. Ein positiver Aspekt bleibt dennoch: Die Gesamtzahl der Verkehrstoten sank in den Pandemiejahren österreichweit um 18 Prozent.
Motive fürs Rasen
"Bei Rasern verbinden sich geringe soziale Kompetenz, mangelnde Impulskontrolle und Aggressivität mit Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern", legte sich der renommierte deutsche Verkehrspsychologe Wolfgang Fastenmeier Ende 2020 in einem Interview mit dem Spiegel fest. Dies gehe so weit, "dass die Verletzung oder gar der Tod anderer Menschen bewusst in Kauf genommen wird".
Entsprechend harsche Diagnosen kommen vom Kuratorium für Verkehrssicherheit zwar nicht, aus regelmäßigen Befragungen kennt man die Motive der scheinbar Unbelehrbaren aber genau. Robatsch: "Die Tendenz ist auffallend, dass viele Leute externen Druck als Grund für ihre Eile nennen. Sie sagen selbst: In den Lockdowns fahre ich schneller, weil eh nix los ist. Sie wollen schneller heim."
Grundsätzlich gebe es fünf verschiedene Typen an Schnellfahrern: die Unabsichtlichen, die Beschränkungen einfach übersehen. Diejenigen, die zu schnell fahren, wenn es andere Verkehrsteilnehmer auch tun. Gewohnheitsmäßige Schnellfahrer, die "quasi automatisiert 10 bis 15 km/h zu schnell dran sind. Die rasanten Fahrer, die immer in Eile sind und Rowdys mit hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen und gefährlichen Überhol- und Auffahrmanövern.
Gegenmaßnahmen
Darüber, wie man der Raserei Einhalt gebietet, herrscht im öffentlichen Diskurs Uneinigkeit. Während Fastenmeier vorrangig für Aufklärung plädiert, sieht man beim Kuratorium für Verkehrssicherheit die Strafhöhe ebenso wie die Kontrolldichte als essenziell an. "Wenn nie kontrolliert wird, gehen die Zahlen rauf", sagt Klaus Robatsch und macht darauf aufmerksam, dass entsprechende Geldstrafen in Österreich im Europavergleich zu den niedrigsten gehören. Auch was den Entzug der Fahrerlaubnis betrifft, wünscht sich der Bereichsleiter für Verkehrssicherheit schärfere Vorgaben, wie etwa in der Schweiz, wo es europaweit die wenigsten Verkehrstoten gibt.
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