,Reden statt strafen‘ als Erfolgsstory
Vor 25 Jahren wurde der „außergerichtliche Tatausgleich“ eingeführt. Die Erfolgsquote: 84 Prozent.
Ein Einkaufssamstag vor Weihnachten auf dem Parkplatz eines Shoppingcenters: Ihr Beifahrer entdeckt in der nächsten Reihe einen freien Platz, huscht flott durch die parkenden Autos und „besetzt“ den Platz, während Sie mit Vollgas außen herumfahren wollen. Ein anderer Autofahrer kommt Ihnen zuvor und „erkämpft“ sich den Platz – mit einem leichten Druck auf das Knie des „Besetzers“: Bluterguss, leichte Körperverletzung und damit ein „minderschweres Personendelikt“, das wohl jedem passieren könnte. Ein Fall fürs Gericht?
Entschuldigung statt Strafe
Ist der „Täter“ unbescholten, gibt es in solchen Fällen seit nunmehr 25 Jahren die Möglichkeit des „außergerichtlichen Tatausgleichs“ (ATA). Der Täter bekommt dabei die Möglichkeit, sich zu „entschuldigen“, sein Verhalten wieder gut zu machen und damit einer Vorstrafe zu entgehen.
„Es geht meistens um Konflikte aus dem sozialen Nahbereich: In der Schule, am Arbeitsplatz, unter Nachbarn und solchen im Familienverband“, erklärt die Verantwortliche bei der ausführenden Organisation „Neustart“ in Graz, die Juristin Barbara Scherf. „Ein Tatausgleich ist eine Chance, sowohl für den Täter als auch für die Opfer.“ Denn in den meisten Fällen, etwa bei Nachbarschafts- bzw. Familienstreitigkeiten oder Rangeleien in der Stammdisco ist es so, dass die Täter und Opfer sich in ihrem Alltag rasch wieder begegnen. Gerichtliche Strafen verstärken dabei oft nur den Groll der Täter auf das Opfer, weitere Eskalationen sind vorprogrammiert.
Deshalb werden die Täter in intensiven Gesprächen mit ihrem Verhalten und auch den Opfern konfrontiert. In den meisten Fällen zeigen sie sich einsichtig und aufrichtig reumütig. Auch die Geschädigten sind meist im Sinne des sozialen Friedens mehr an einer Lösung des Konflikts als an einer Strafe für den Täter interessiert und besprechen gemeinsam mit den Tätern die Vorgehensweise für künftige Aufeinandertreffen. Per Vertrag werden zudem zivilrechtliche Ansprüche des Opfers wie Schmerzensgeld oder Schadenersatz geklärt. „Ziel ist es, den Konflikt in seiner Wurzel zu klären, um ihn künftig nicht mehr eskalieren zu lassen“, erklärt Scherf, „das ist gelebter Opferschutz“. Hält der Täter seine Verpflichtungen ein, wird das Verfahren gegen ihn in der Regel eingestellt und es gibt keine Strafe.
Statistik belegt Nachhaltigkeit
Die Zahlen jedenfalls sprechen für sich: 2009 wurden in der Steiermark 959 Konflikte zur Klärung an Neustart übermittelt, in 80 Prozent konnten die Streitigkeiten außergerichtlich geklärt werden. Und auch die Nachhaltigkeit dieses Gesetzes, das europaweit als vorbildlich eingestuft wird, kann sich sehen lassen: Laut Statistik des Instituts für Rechts- und Kriminalitätssoziologie landen 84 Prozent der gelösten Konflikte auch nach drei Jahren nicht mehr bei Gericht.
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