"Reden wir wieder über den Reichtum Europas": Interview mit Bürgermeister Siegfried Nagl vor der EU-Wahl
Kultur, Wissenschaft, Nachhaltigkeit: Dieses Bild zeichnet Stadtchef Siegfried Nagl von der EU.
Am 26. Mai werden die Österreicher zur Wahlurne gebeten: Diesmal geht es aber nicht um die Sitzverteilung in Nationalrat, Rathaus oder Gemeindeamt, sondern um jene im Europäischen Parlament. Als Countdown zur EU-Wahl zeigt die WOCHE in den kommenden Ausgaben, inwiefern Graz vom heimischen Beitritt zur EU profitiert hat und wie stark EU-Förderungen auf Projekte auch bei uns gewirkt haben. Zum Auftakt spricht Bürgermeister Siegfried Nagl über den EU-Gedanken, Graz als Nutznießer und die europäische Zukunft.
WOCHE: Den Euro als Symbol für ein geeintes Europa gibt seit fast 20 Jahren. Wie lange haben Sie umgerechnet?
Siegfried Nagl: Um ehrlich zu sein, ich habe länger in Schilling umgerechnet als gedacht. Mittlerweile ist das kein Thema mehr. Ich hoffe, dass das aber die letzte Währung ist, die ich kennenlernen werde.
Wie viel Europa steckt in Siegfried Nagl?
Ich bin überzeugter Europäer. Jeder Österreicher sollte so denken, wir könnten sonst nie im Konzert der Großen mitspielen. Wichtig ist, dass wir begreifen, dass die EU mehr ist als eine bloße Wirtschaftsunion.
Für was steht die EU noch?
Europa muss der Welt noch deutlicher zeigen, was es kann, vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Nachhaltigkeit. Außerdem sollte die EU noch eine wichtige Aufgabe erledigen: Der französische Außenminister Robert Schuman hat bereits Anfang der 50er-Jahre gewusst, dass die Entwicklung des afrikanischen Kontinents die wichtigste europäische Aufgabe sein würde. Heute, Jahrzehnte später, ist sie noch immer nicht erfüllt.
Für viele Menschen ist die EU weit weg in Brüssel, aber nicht in Graz ...
Ich habe nicht umsonst vor längerer Zeit die EU-Flagge vor dem Rathaus aufhängen lassen. Wir müssen in Graz noch viel stärker sichtbar machen, wo uns die EU geholfen hat.
Welchen Mehrwert hat Graz durch den EU-Beitritt?
Ich denke nur an die Förderprogramme Urban I und II in den 90er-Jahren, die wesentliche Impulse für die Wiederbelebung von städtischen Problemzonen geliefert haben. In den Bezirken Gries und Lend wurde da viel umgesetzt. Diesen Programmen sind bis heute zahlreiche weitere gefolgt.
Wie wichtig ist die Vernetzung mit anderen EU-Städten?
Das ist das Um und Auf. Wir haben viele zeitlich begrenzte Arbeitspartnerschaften mit anderen Städten, unter anderem im Bereich Mobilität. Es kommen aber auch viele Bürgermeister zu uns und sind fasziniert von unserem System. Andere Ortschefs lechzen beispielsweise nach einem Infrastruktur-Budget, wie Graz es hat.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der EU?
Wir müssen am System EU arbeiten, das will ich nicht schönreden. Aber die grundsätzliche Vision muss bleiben. Abseits von Brexit und Finanzkrise müssen wir wieder das Bild der EU zeichnen, das wir im Herzen haben. Wir sollten wieder mehr über den Reichtum Europas reden. Und damit meine ich nicht Geld.
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