So plant Graz für einen Katastrophenfall
Wirbelsturm hier, Schneemassen dort: Wie Graz im Fall der Fälle funktioniert und wofür man sich rüstet.
Ein Zyklon fegt über Australien, in der US-Millionenmetropole Chicago sorgt ein Schneesturm mit Temperaturen von minus 45 Grad in nur vier Stunden für 50 Zentimeter Schnee. Extreme Stürme und Niederschläge – wie schützt sich Graz vor solchen Ereignissen?
„Zuerst einmal muss man sich eines klarmachen: Man kann so etwas nicht verhindern. Aber wir sind vorbereitet“, sagt Helmut-Edmund Nestler, Leiter des Katastrophenschutzes bei der Berufsfeuerwehr. Mit „Kyrill“ und „Paula“ fegten in den letzten Jahren gleich zwei verheerende Orkane über Graz hinweg. „Wir hatten besonders bei Kyrill großes Glück, das Gröbste ist vorbeigezogen“, erklärt Nestler. Er ist vor allem dafür zuständig, für den Fall der Fälle vorzuplanen.
Grazer Feuerwehr in Europa top
Die Berufsfeuerwehr ist im Fall des Falles innerhalb von nur acht Minuten an jedem Fleck von Graz. „Der EU-Schnitt liegt da bei 70 Minuten“, verdeutlicht Nestler die Einsatzbereitschaft der Grazer Florianis, die für jede Eventualität einen Notfallplan in der Schublade haben. „Wir aktualisieren unsere Katastropheneinsatzpläne regelmäßig und schätzen deren Eintrittswahrscheinlichkeit ein“, erklärt Nestler. Neben Evakuierungs- und Einsatzplänen brauche es in der Vorbereitung auch die richtige Ausbildung der Mitarbeiter und gesetzliche Grundlagen, etwa Bauvorschriften. „Wir versuchen also, nicht im Ernstfall zu reagieren, sondern vorbeugend zu agieren.“
Das wahrscheinlichste Szenario für Graz sind schwere Stürme (siehe rechts). Im schlimmsten Fall könnten Orkane großflächig Stromleitungen kappen und für mehrere Tage oder gar Wochen die Stromversorgung lahmlegen: Hunderte Menschen wären etwa in Aufzügen gefangen, könnten tagelang nicht heizen und kochen, der Verkehr würde komplett zusammenbrechen, umgestürzte Bäume und umherfliegende Dinge könnten für Verletzte und Tote sorgen. Tritt so ein Fall ein, übernimmt Einsatzdirektor Heimo Krajnz das Kommando – er setzt die Pläne im Ernstfall in die Tat um.
„Als erstes rückt die örtliche Feuerwehr aus. Reichen die Kräfte nicht aus, alarmiert man erst Helfer aus den umliegenden Gemeinden und wenn nötig landesweite, nationale oder sogar internationale Hilfskräfte.“ Das Bundesheer braucht rund drei Tage, um einsatzbereit zu sein, und löst dann die ausgelaugten Feuerwehrler ab.
EU-Katastrophenpläne seit 9/11
Nach den Terroranschlägen in New York am 11. September 2001 entstand für Katastrophenfälle eine europaweite Zusammenarbeit. Krajnz ist dabei EU-weit ein angesehener Experte, der immer wieder zu Katastrophenschauplätzen auf der ganzen Welt reist. „Die wichtigste Erkenntnis großer Katastrophen ist: Ein Einzelplayer kann sie gar nicht alleine bewältigen“, sagt Krajnz. Wesentlich sei, immer wieder etwas daraus zu lernen und dieses Wissen in Pläne für kommende Katastrophen einzuarbeiten.
Am Beispiel des Zyklons „Yasi“, der vergangene Woche in Australien wütete, verdeutlicht Krajnz sein Argument: „Dort hat es bisher nur ein einziges Todesopfer gegeben – bei einem Sturm der gefährlichsten Kategorie. Der Zivilschutz hat perfekt funktioniert.“ Die Menschen seien rechtzeitig gewarnt und sichere Notunterkünfte eingerichtet worden. „Moderne Kommunikationsformen wie etwa Facebook tragen dazu bei, dass man mehr Menschen erreicht. Vorbeugung kann viele Leben retten.“
Die wahrscheinlichsten Szenarien für Graz:
• Schwere Stürme (siehe Story) und Unwetter, Hagelstürme
• Groß-, Wald-, Tunnelbrände; Zug-, Flugunfälle, Massenkarambolagen
• Großflächige Stromausfälle durch Schnee, Stürme, techn. Gebrechen
• Hochwasser, das über bisherige Ereignisse (Andritz, St. Peter) deutlich hinausgeht, z. B. durch die Mur; dadurch entstehende, großflächige Verwüstungen (Wasseraufbereitung)
• Extreme Schneefälle
• Epidemiologische Notfälle: Krankheiten, aber auch biologische und chemische Terroranschläge (etwa Anthrax), Atomunfälle
• Weitere: Erdbeben (Bruchlinie Buchkogel), Erdrutsche, Gebäudeeinstürze, Volksaufstände, Krieg
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