Neuer Chef
Der Grazer Uni-Rektor Peter Riedler im Interview zum Semesterstart
Seit Dezember des Vorjahres – als Martin Polaschek zu Ministerehren kam – ist er schon geschäftsführenden Rektor, mit 1. Oktober tritt Peter Riedler jetzt offiziell seinen Dienst an der Karl-Franzens-Uni an. Ein Interview mit dem Chef der größten steirischen Uni.
STEIERMARK. Von persönlichen Zugängen bis hin zu Visionen des Uni-Standortes hat Peter Riedler, der nach 9 Monaten als geschäftsführender Rektor nun mit 1. Oktober auch offiziell an die Spitze der Grazer Karl-Franzens-Uni aufrückt, den Bogen im Gespräch mit MeinBezirk.at gespannt.
MeinBezirk.at: Was ändert sich für Sie ab 1. Oktober?
Peter Riedler: Die Perspektive ist ab jetzt eine längere und damit auch die strategische Gestaltungsmöglichkeit. Es wird eine Mischung sein aus der notwendigen Kontinuität und neuen Aspekten.
Lässt sich der strategische Aspekt konkretisieren?
Der Fokus liegt auf den Kerngebieten Forschung und Lehre, die Attraktivität für Studierende muss im Vordergrund stehen. Das bedeutet erstens ein modernes Studienprogramm, hier starten wir im Herbst mit einigen Neuerungen, wie zum Beispiel das Masterstudium Elementarpädagogik, Climate Change oder die Neuaufstellung der Rechtswissenschaften. Und zweitens muss auch der Rahmen passen, da geht es um die die Modernisierung des Campus. Dazu kommt die Forschung, wo unter anderem die Exzellenzcluster eine Rolle spielen. Und schlussendlich ein Aspekt, der mir ein Anliegen ist, das unternehmensnahe Arbeiten mit unserem Startup-Center "Unicorn".
Was ist an diesem Semesterstart noch besonders?
Nun, es ist das erste Mal seit dem März 2020, dass wir "normal" ins Semester starten, dass alle Studierenden und alle Lehrenden vor Ort sind und dem entsprechen, was wir unter Universität verstehen: Präsenzuniversität mit Austausch in jegliche Richtung. Das haben wir in den letzten Jahren vermissen müssen, beginnend von der kritischen Auseinandersetzung bis hin zu den sozialen und gesellschaftlichen Aspekten des Uni-Lebens.
Was ist noch zu tun bis nächsten Montag?
Es ist eine intensive Vorbereitungszeit, es läuft die Inskriptionsfrist, auch immer eine Zeit des gespannten Wartens auf die endgültigen Studierendenzahlen. Und natürlich auch das Vorbereiten auf alle Eventualitäten ...
Was macht denn die Uni Graz aus Ihrer Sicht aus?
Wir sind eine angesehene Institution mit einem breiten Angebot und einigen Spitzenbereichen. Die Herausforderung ist die zunehmende Konkurrenz im In- und Ausland. Auf diesem Markt wollen wir nicht als Selbstverständlichkeit gesehen werden, sondern als ein Ort, wo man hin will – wo es interessante Persönlichkeiten, ein entsprechendes Umfeld, den Uni-Campus gibt und wo letztlich auch die Stadt Graz eine Rolle spielt. Das gilt es zu vermitteln.
Wo sind die Entwicklungspotenziale?
Sicher im Bereich der Spitzenforschung, da muss man laufend in den Wettbewerb investieren. Da geht es darum etablierte Personen, aber neben dem eigenen Nachwuchs auch junge, engagierte Talente von außen zu holen. All das gilt es auch in attraktive Studienprogramme umzulegen.
Was beschäftigt Sie ganz aktuell?
Die Finanzierungssituation. Wir haben natürlich auch enorme Kostensteigerungen in den Personalkosten und im Energiebereich, da sind wir in intensiven Gesprächen mit dem Bund bezüglich Zusatzfinanzierungen. Das Personal ist bei 4.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Kostentreiber, wir warten da auf den Abschluss der Kollektivvertragsverhandlungen.
Stichwort Personal: Gibt es an der Uni Fachkräftemangel?
Ja. Wir haben wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im wissenschaftlichen Bereich haben wir einerseits die Herausforderung, Karrieren im Haus anzubieten, andererseits gibt es den Wettbewerb um die besten Köpfe von außen. Und bei den nicht-wissenschaftlichen Jobs, zum Beispiel im IT-Bereich kämpfen wir mit den gleichen Problemen wie alle Unternehmen.
Wie steht es um die Zusammenarbeit mit den anderen steirischen Unis?
Das ist ein zentrales Thema, das ich schon als Vizerektor mitgestalten konnte. Das ist eine echte Stärke der Steiermark, dass wir sehr eng kooperieren und damit gesamthaft für den Standort ein universitäres Vollangebot stellen. Das am stärksten sichtbare Ergebnis in den nächsten Jahren wird das "Center of Physics" sein, das wir gemeinsam mit der TU Graz errichten.
Wie weit reagiert eine Uni auf gesellschaftliche Entwicklungen wie Krieg, Krisen und Co.?
Es gibt da zwei große Themen. Das eine ist die schon angesprochene Positionierung im Wettbewerb. Das andere ist die gesellschaftliche Rolle, die wir spielen müssen, wir haben da als allgemeine, stark geisteswissenschaftlich orientierte Uni eine Verantwortung. Aufgabe ist es, zum gesellschaftlichen Diskurs Expertisen zu liefern. Es geht da gar nicht so um Meinungen, sondern um die Grundlagen, damit wir den gesellschaftlichen Wandel begleiten können.
Gelingt das?
Ja, zum Beispiel im Bereich des Klimawandels ist das gut sichtbar. Es wird nur oft die Expertise nicht mit der Uni Graz assoziiert, vielleicht ist das auch ein Thema, das wir im Hinblick auf die Wettbewerbssituation stärker berücksichtigen sollten. Wir müssen nicht jedem zeitgeistigen Trend folgen, aber wir müssen natürlich attraktiv bleiben.
Stichwort Querdenker: Wie geht man mit dem Verleugnen wissenschaftlicher Fakten um?
Das ist ein Kernthema einer Universität, evidenzbasiertes Wissen ist das Um und Auf. Durch wissenschaftliche Arbeit wie sie bei uns stattfindet und die Kommunikation darüber, versuchen wir stärker in die Gesellschaft hineinzuwirken. Wir sind auch nur ein großes Schiff in einem Meer von Zeitgeist – aber wir versuchen, Kurs zu halten.
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