Wirtschaftspolitik
Die Regionalität bekommt einen ganz neuen Stellenwert
Die Politik ist, neben den gesundheitspolitischen Fragen, vor allem im Bereich der Wirtschaft so gefordert wie noch nie zuvor. Ein Steirer ist in den wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozessen der Bundes-ÖVP in vorderster Linie mit dabei: Kurt Egger, seines Zeichens Generalsekretär des österreichischen Wirtschaftsbundes in Wien. Mit der WOCHE hat er über die nächsten Lockerungsphasen, die Gefahr der mangelnden Disziplin dabei und die Entwicklung der Wirtschaftslage gesprochen.
Den ersten Schritt, die Wiedereröffnung der Handelsbetriebe unter 400 Quadratmeter haben wir hinter uns, ab 2. Mai folgt der gesamte Handel inklusive der Einkaufszentren. Die große Herausforderung, so Egger, werde aber wohl das Wiederhochfahren von Tourismus, Gastronomie und Freizeitbetrieben sein. "Die Einhaltung der geltenden Regeln wie etwa das Abstand halten, wird dort schwierig werden. In der Gastronomie könnten die Gastgärten hilfreich sein. Insgesamt müssen wir jedenfalls sehr vorsichtig und sorgfältig vorgehen." Denn: Das Schlimmste wäre wohl, auch psychologisch, wenn man Lockerungsmaßmahmen aufgrund ansteigender Neuerkrankungen wieder zurücknehmen müsste. Resümee: "Es werden auch die nächsten Monate ein Fahren auf Sicht bleiben, wir werden die Situation immer wieder neu bewerten müssen", so Egger.
Lockerungen, wenn die Lage stabil bleibt
So wie viele andere auch im (wirtschafts-)politischen Umfeld, verbringt er momentan rund um die Uhr viel Zeit mit Telefonaten, Videokonferenzen, mit Email- und WhatsApp-Kontakten zwischen Büro und Homeoffice. "Dazwischen gibt es ein wenig Sport und das fast tägliche Telefonat mit meinen Kids darf auch nicht fehlen." Um Kraft zu tanken, denn die nächsten Monate werden nicht weniger anstrengend werden: "Das ist mit Sicherheit weltweit die größte wirtschaftliche Krise unserer Zeit", stellt Egger klar. Österreich komme aber derzeit durch rasches Handeln, aber auch durch Unterstützungsleistungen für die Wirtschaft, im Vergleich recht gut weg.
Die Schwere ergibt sich auch daraus, dass es de facto keinen Wirtschaftszweig gibt, der nicht betroffen wäre. "Am schwersten trifft's jene, die vom Kundenkontakt abhängig sind und jetzt geschlossen haben müssen. Das trifft Friseure genauso wie Veranstalter oder Reisebüros." Härtefallfonds, Kurzarbeitsmöglichkeiten und Coronahilfsfonds hätten hier eine schnelle und unbürokratische Hilfe geschaffen. "So schnell und umfassend wird nur in Österreich geholfen. "
Die ersten Lockerungen sieht Egger als gute Nachrichten für den Handel, vor allem für die kleinen Familienbetriebe. "Nun haben wir Klarheit über den weiteren Weg zu einer neuen Normalität.
Wenn wir uns alle weiter an die Maßnahmen halten, bin ich optimistisch, dass die Lockerungen weiter fortgesetzt werden."
Kurzfristig ist Land in Sicht, aber was braucht es mittel- und langfristig, um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen? "Das hängt stark davon ab, wie sich die Coronakrise weltweit entwickelt. Österreich ist ein Exportland, deshalb sind wir stark vom internationalen Markt abhängig." Die Regierung habe hier aber bereits Unterstützung angekündigt. Investitionsanreize würden aus seiner Sicht erst Sinn machen, wenn der Wirtschaftsmotor wieder richtig anläuft, dafür sei es jetzt noch zu früh. Dann könne die öffentliche Hand zur Ankurbelung sehr wohl in Vorleistung gehen. "Dann macht es Sinn etwa mit Ausbau des öffentlichen Verkehrs, thermischen Sanierungen, Bauprojekten das Signal zu geben: Jetzt gehen wir's wieder an."
Nachhaltiger und regionaler werden
Und dann gelte es auch noch aus der Krise zu lernen: "In Europa und Österreich müssen wir uns wissenschaftlich und technologisch noch besser auf Krisen wie diese vorbereiten. Ein erster Schritt in diese Richtung kann eine verstärkte Reindustrialisierung sein, mit dem Ziel, strategisch wichtige Güter regional zu produzieren", fordert Egger ein. Dann sei er für Österreich zuversichtlich, dass der wirtschaftliche Neustart und ein starkes rot-weiß-rotes Comeback gelingen werde.
Es sei jedenfalls jetzt schon beeindruckend, wie sehr die Menschen in dieser Krise aufeinander achten und sich gegenseitig helfen. "Viele Unternehmer haben ihre Produktion rasch umgestellt, und versorgen jetzt Krankenhäuser mit dringend benötigten Schutzmasken oder Desinfektionsmittel." Und noch ein wesentlcher Aspekt: "Dass jetzt noch mehr auf Regionalität beim Einkauf geachtet wird, ist ein schönes Zeichen."
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