Der Blick über den Tellerrand – Länderreferentin Elisabeth Hartl im Gespräch

Hat ihr Lachen nicht verloren: Elisabeth Hartl ist Länderreferentin für den Südsudan, wo seit 2013 Bürgerkrieg herrscht. Reisen in die Gefahrenzone erinnern sie, wie wichtig ihr Job ist. | Foto: Prontolux
  • Hat ihr Lachen nicht verloren: Elisabeth Hartl ist Länderreferentin für den Südsudan, wo seit 2013 Bürgerkrieg herrscht. Reisen in die Gefahrenzone erinnern sie, wie wichtig ihr Job ist.
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Elisabeth Hartl ist Länderreferentin für den Südsudan. Nach jeder Reise ist sie eine Spur bescheidener – und noch dankbarer für all die Möglichkeiten und die Sicherheit hier in Österreich. Mit der WOCHE sprach sie über die harte und die schöne Seite ihrer Arbeit, und wie sie ihre Sicht auf das Leben verändert. 

WOCHE: Im Südsudan herrschen Hunger und Bürgerkrieg. Dort zu helfen ist nicht ungefährlich.
Elisabeth Hartl: Ich bin generell ein sehr positiver Mensch: Ich glaube, wenn man ein ängstlicher Mensch ist, dann dürfte man nicht Länderreferentin für den Südsudan werden. Wir haben vor Ort engagierte Projektpartner, die mit uns zusammenarbeiten und auf die wir uns verlassen können. Außerdem pflegen wir bei der Caritas eine Security Policy, das heißt, wir machen Sicherheitstrainings und werden entsprechend auf Risikosituationen vorbereitet. Als ich die Stelle angenommen habe, war das für mich ein Sprung in eine spannende Herausforderung – und das ist sie immer noch. Aber ich muss dazusagen, die Lage im Südsudan hat damals noch positiver ausgeschaut.

Damit wir uns ein Bild machen können: Wie sieht die Lage im Südsudan denn jetzt aus?
Dramatisch: Sechs Millionen Südsudanesen sind ernährungsunsicher, sie wissen nicht, was sie am nächsten Tag essen sollen und sind anfälliger auf Krankheiten. Über eine Million Kinder ist akut unterernährt. Zusätzlich zur Hungerkatastrophe kommt die Flüchtlingssituation: Fast vier Million Südsudanesen sind auf der Flucht. Von zwölf Millionen Einwohner ist das schon enorm und überfordert die lokalen Strukturen: Die Felder in den Dörfern bleiben unberührt, die Ernährungssituation wird immer prekärer, die Preise steigen, die Kaufkraft sinkt, der Südsudan muss Lebensmittel aus dem Ausland importieren, das heißt zu Dollarpreisen einkaufen, die lokale Währung rattert hinunter und man bekommt immer weniger im Land zu kaufen. Das ist ein Teufelskreis. Der Südsudan braucht wirklich Hilfe von außen.

Was sind Ihre Aufgaben als Länderreferentin?
Die Caritas hat Schwerpunktländer, in Afrika sind es der Südsudan und Burundi. Die Idee dahinter ist, dass wir nicht alle im selben Land tätig sind. Die Hilfe soll an einem Ort konzentriert und Expertise besser aufgebaut werden. In diesen Ländern arbeiten wir mit lokalen Partnern zusammen, in meinem Fall sind es die Diözese Rumbek und die südsudanesische Vinzenzgemeinschaft. Meine Aufgabe ist einerseits das Fundraising – Ich berichte potenziellen Spendern von den Projekten, sensibilisiere für das Thema, stelle Förderanträge. Auf der anderen Seite kontrolliere ich, dass Spendengelder wie vorgesehen ankommen und richtig verwendet werden.

Wie unterstützen Sie die Menschen vor Ort?
Als Caritas unterstützen wir Nothilfeprojekte und versorgen Leute, die am meisten vom Hunger betroffen sind, mit Nahrungsmitteln. Wir haben "Baby Feeding Center" für die Kleinsten – gerade im kritischen Alter von 0-5 Jahren kann Unterernährung zu physischen Schäden führen. Diese Maßnahmen helfen akut, daneben versuchen wir langfristige Projekte umzusetzen wie Kleinlandwirtschaftskurse, damit Einheimische ihre eigene kleine Landwirtschaft führen können, oder Nähkurse für Frauen, die sie sich danach selbständig machen können. Auch den Schulbesuch unterstützen wir, indem wir eine Grundschule für 830 Kinder finanzieren. Sie dürfen die Schule besuchen – einen Ort des Lernens, aber auch des Zusammenlebens und des Friedens.

Wie gehen Sie mit dem Leid um, das sie auf Ihren Auslandsaufenthalten mitansehen?
Natürlich macht es betroffen, ganz besonders die Situation von den Kindern. Aber ich versuche, auf das Positive zu fokussieren, auf das, was wir an Erfolgen schaffen. Ein Kind, das dank unserer Hilfe etwas zu essen hat und sich gesund entwickeln kann, eine Absolventin des Nähkurses, die nun ein Geschäft führt und ihre Familie ernähren kann – diese Begegnungen erinnern mich daran, wie wichtig meine Arbeit ist. Auf diese Art von Erfolgsgeschichten konzentriere ich mich.

Woher nehmen Sie die Kraft für Ihre Arbeit?
Aus Hobbies, Familie und Freunden. Auch habe ich erkannt, dass meine
Psychotherapieausbildung eine gute Ressource ist. Im Sinne von: Man lernt, auf sich selbst gut zu schauen, einen Ausgleich zu haben und mit belastenden Situationen gut umzugehen. Und ich möchte nochmals betonen: Ich erlebe in meinem Job trotz allem auch viel Positives. Die Begegnungen mit Menschen und die schönen Momente, die ich mit ihnen verbringen darf, sehe ich als Bereicherung.

Was nehmen Sie von der afrikanischen Kultur mit?
Was man von Afrikanern lernen kann, ist das Zuhören. Die Gesprächskultur, die im Land herrscht, ist beeindruckend. Während einer Unterhaltung schenken sie dir ihre ganze Aufmerksamkeit und sind zu hundert Prozent auf das Gespräch konzentriert. Sie lassen dich ausreden, sie hören zu – und zwar nicht nur auf das Gesagte.

Was wünschen Sie sich von Ihren Mitmenschen hierzulande?
Ich wünsche mir, dass sie über den Tellerrand hinausschauen und soziales Bewusstsein auch über Grenzen hinweg haben. Wir kümmern uns sehr um die Menschen im Inland und das ist wichtig. Wichtig ist aber auch, dass wir uns bewusst sind, dass es in vielen Teilen der Welt den Menschen um vieles schlechter geht, und diese Menschen auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Bei jungen Leuten besteht großes Interesse für einen Freiwilligendienst im Ausland. Nach einem Auslandsaufenthalt sehen sie gewisse Dinge mit anderen Augen – sie haben diese globale Perspektive und verstehen Zusammenhänge. Sie kommen ganz anders und reich an Erfahrung wieder zurück.

Wordrap

Mein Lebensmottoist... Nie aufgeben.
In meiner Freizeit... mache ich Sport, lese, treffe Freunde, gehe spazieren.
In 20 Jahren sehe ich mich... auf alle Fälle noch immer im Sozialbereich, das ist klar.
Zum Lachen bringt mich... vieles: mein kleiner Neffe oder lustige Situationen. Ich kann aber auch über mich selber gut lachen, wenn mir ein Missgeschick passiert.

Steckbrief

1981 in Salzburg geboren
2000 ist sie nach Graz gezogen
Studium der Soziologie und Religionswissenschaften
Ist seit 2008 bei der Caritas
Seit2015 als Länderreferentin für den Südsudan zuständig
Derzeit macht sie eine Psychotherapie-Ausbildung

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