Die Stadt hat zwei Seiten – Teil 1, historisch
Die WOCHE geht der Frage nach, wieso sich Grazer seit jeher an linker und rechter Murseite orientieren.
Auf welcher Seite wohnst du denn? Diese Frage hört man als Grazer nur zu oft. Gemeint ist die linke oder rechte Seite der Mur. Weithin bekannt ist die linke, östliche Seite, jene mit den Universitäten, einer höheren Anzahl an Ärzten, Anwaltskanzleien und teureren Mieten. Der rechten Seite eilt hingegen oft noch ihr Ruf voraus. Doch woher stammt diese Unterteilung?
Rechts vs. links
"Jede Stadt hat unterschiedliche Gewichtungen. In Graz war schon immer im Osten die Bildung und das Bürgertum beheimatet. Im Westen waren durch den Bahnhof und die Industrie vermehrt die Arbeiter", erklärt Historiker Karl Kubinzky. "Im 19. Jahrhundert waren es die Landwirte, die nicht urban Zugezogenen, die in den Westen kamen. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es die ,Displaced Persons‘, dann Immigranten aus dem ehemaligen Jugoslawien und Griechenland, in der neuen Zeit jene aus dem Nahen und Mittleren Osten."
Bildung und Bomben
Kubinzky sieht es als Aufgabe der Stadt, diese Ungleichgewichtung auszugleichen. "Eine Durchmischung ist unmöglich, aber es ist Aufgabe der Stadt, die Spitzen, also die Extreme, auf beiden Seiten auszugleichen. Wir haben auf der rechten Seite etwa nur die FH in Eggenberg als Bildungseinrichtung. Das Lichtenfelsgymnasium war ursprünglich in der Griesgasse, wurde dann aber auf die ,bessere‘ Seite verlegt." Auch Buchhandlungen gebe es im Westen weniger – "weil die Leser im Osten sind".
Dass die Wohnungen im Westen übrigens günstiger sind, geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück: "Die Bomben zielten auf Industrie und Verkehrseinrichtungen. Beim Zentralfriedhof sind wegen der Eisen- und Straßenbahn mehr Bomben gefallen als in ganz Geidorf. Danach waren die Wohnungen im Westen billiger."
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