Mit der Kraft der Worte – Gabi Zemann vom Steirischen Gehörlosenverband im Gespräch
Gabi Zemann, Leiterin des Steirischen Landesverbands der Gehörlosenvereine im Österreichischen Gehörlosenbund, im WOCHE-Gespräch.
Gabi Zemann: Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und davon abhängig, ob man eine Affinität dafür hat. Das Erlernen der Gebärdensprache ist so wie das Erlernen jeder anderen Sprache.
Neben Händen, die Gebärden ausführen, sind auch Mimik und Gestik Bestandteile der Gebärdensprache. Einige Menschen vertreten die Meinung, Gebärdensprache sei keine vollständige Sprache. Es wurde jedoch von der Forschung bestätigt, dass sie eine vollwertige und eigenständige Sprache ist. Mir ist wichtig zu betonen, dass die Gebärdensprache nicht minderwertiger als andere Sprachen ist.
In der Steiermark gibt es 18 Dolmetscher, die alle weiblich sind, ein Mehrbedarf ist natürlich gegeben. Gebärdensprachen-Kurse können etwa an der Volkshochschule oder Urania besucht werden, ein Studium an der Universität Graz bietet seit 2002 die Ausbildung zum Gebärdensprachdolmetscher.
Dazu haben wir keine genauen Daten, wir gehen von etwa einem Promille der Bevölkerung aus. Jedoch müsste man in diesem Bereich auch schwerhörige oder spät ertaubte Personen hinzuzählen.
In der Sonderschule wurde nur oral und nicht in Gebärdensprache unterrichtet. Es gab auch keine Dolmetschungen, es war also sehr schwierig. Ausgrenzung habe ich nicht erfahren, auch heute ist das zum Glück kein Thema. Jedoch können gehörlose Menschen aufgrund der Barrieren keine oder nur sehr schwer höhere Bildungsgrade erreichen.
Die Gebärdensprache als Unterrichtsfach wäre sowohl für gehörlose als auch für hörende Menschen eine Bereicherung. Das Bewusstsein der hörenden Welt sollte weiterhin sensibilisiert werden. Da nehme ich auch Hals-Nasen-Ohren-Ärzte in die Pflicht, sie geben Informationen über die Gebärdensprache nicht an ihre Patienten weiter und denken nicht an die Zukunft schwerhöriger Kinder. Auch die Bereitstellung von Dolmetschern für Weiterbildungen wäre wichtig, um gehörlosen Personen keine Weiterbildungsmöglichkeiten zu verschließen.
Vieles erledige ich ohne Dolmetscher. Gehörlose Menschen können ja auch sprechen – aufgrund des jeweiligen Resthörvermögens kann die Artikulation allerdings sehr unterschiedlich ausfallen. Schwierig wird es, wenn man einen Arztbesuch hat oder zu einem Anwalt muss. Dann fordern wir einen Dolmetscher an. Die Kosten dafür werden vom Land getragen, dafür sind wir dankbar. Dabei ist es wichtig, dass gehörlose Personen den Dolmetscher selbst aussuchen. Es muss großes Vertrauen da sein, da nicht überprüft werden kann, ob die Dolmetschungen korrekt sind.
Beim Ablesen von den Lippen gehen 70 Prozent des Inhalts verloren, 30 Prozent können mit Mühe verstanden werden, dies aber durch Zusammenhänge aus der Vorkommunikation. Das ist sehr anstrengend und so entstehen viele Missverständnisse.
Offenheit, Akzeptanz und Barrierefreiheit in allen Bereichen. Es wurde schon viel umgesetzt und es gibt auch weiterhin Bemühungen, aber vieles ist aus finanziellen Gründen nicht möglich. Wir benötigen mehr visuelle Hinweise. Gehörlose Menschen können keinen Feueralarm und keine Durchsagen an Bahnhöfen oder Flughäfen hören. In der heutigen Zeit sollte es problemlos möglich sein, auf Bildschirmen durch optische Inputs die Aufmerksamkeit gehörloser Menschen darauf zu richten.
Das Gespräch wurde von Anna Wiener gedolmetscht.
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