Runder Tisch: Mobilität bleibt heißes Thema

Im Gespräch über die Mobilitätsthemen in Graz und in der Steiermark: WOCHE-Redakeur Alois Lipp (l. außen), Verena Schaupp (Mitte) und Christoph Hofer (r. außen) mit den Diskutanten. | Foto: Jorj Konstantinov
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  • Im Gespräch über die Mobilitätsthemen in Graz und in der Steiermark: WOCHE-Redakeur Alois Lipp (l. außen), Verena Schaupp (Mitte) und Christoph Hofer (r. außen) mit den Diskutanten.
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Am Freitag ist autofreier Tag, doch ist das schon genug, um das Bewusstsein im Verkehr zu stärken?
Die WOCHE hat im Sommer diverse Mobilitätsthemen aufgegriffen, von Pendlerpauschale, Radwege-Ausbau, neuen Verkehrskonzepten für Graz usw. Aufgrund der großen Leser-Nachfrage und Aktualität hat die WOCHE nun einige Experten (siehe links) zum Diskussionsgespräch gebeten.

Die Teilnehmer: Verkehrsstadträtin Elke Kahr, AK-Vizepräsident und Obmann der Pendlerinitiative Franz Gosch, WKO-Regionalstellenleiter Graz Viktor Larissegger, Leiter der Abteilung für Verkehrsplanung Graz – Martin Kroißenbrunner, Leiter des Stadtplanungsamts – Bernhard Inninger, Leiter des Referat Gesamtverkehrsplanung und Straßeninfrastruktur - Neubau des Landes – Herbert Reiterer
Die Redakteure: Verena Schaupp, Christoph Hofer, Alois Lipp

Straßennetz sanieren

„Mobilität geht uns alle an und wir müssen in vielen Bereichen Maßnahmen setzen“, so die Experten unisono, doch wo beginnen?
„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“, sagt Herbert Reiterer. Aber ein gutes Straßennetz ist essenziell. „Aktuell liegen die ÖV-Ausgaben vom 212 Millionen schweren Gesamtbudget bei 40 Prozent, da ist bald einmal der Plafond erreicht, schließlich würden sonst wichtige Straßensanierungen – wir haben ein 5.000 Kilometer langes Straßennetz – auf der Strecke bleiben.“

Innenstadt lebt von Pendlern

Dennoch muss in den ÖV investiert werden. „Der Pendler ist schon bereit, umzusteigen, nur muss ihm ein gutes Angebot gemacht werden. Warum soll ein Pendler etwa in Graz-Ost umsteigen, wenn er dann noch lange mit dem Bus reinfahren muss?“, spricht Franz Gosch die dringend notwendige Takt-Verkürzung sowie einen Park&Ride-Ausbau an. „Die S-Bahn ist ein Erfolg, die Post-Busse wurden aber massiv ausgedünnt, in vielen Gegenden braucht eine Familie so das zweite Auto“, sagt Gosch, der nicht für die Abschaffung einer Pendlerpauschale ist. Viktor Larissegger würde eine Reform dieser begrüßen: „Die Stadt braucht die Pendler, 40 Prozent aus GU kaufen in Graz ein. Man sollte aber keinen Anreiz fürs Autofahren schaffen.“

Die Preisfrage

Warum also nicht die Öffi-Preise anpassen? „Mobilität ist vor allem auch eine soziale Frage, die Preis-Politik ist daher nicht unwichtig. Es wäre auch wünschenswert, wenn Kinder bis zum Schuleintritt gratis fahren könnten“, meint Elke Kahr. Auch die Arbeitgeber und Unternehmen sehen die Diskutanten in der Pflicht, ihre Mitarbeiter zum Umdenken anzuregen. „Ein positives Beispiel liefert die TU bei der Parkplatzvergabe: Wer näher wohnt, bekommt unwahrscheinlicher einen Parkplatz“, sagt Bernhard Inninger.

Flächen umwidmen

So soll zumindest den Grazern das Autofahren nicht schmackhafter gemacht werden. „Ein Umdenken kann immer funktionieren: Wer hätte sich denn vor 30, 40 Jahren gedacht, dass man nicht mehr mit dem Auto auf den Hauptplatz fahren kann?“, wirft Inninger ein. „Es geht um die Frage: Wie nutze ich den öffentlichen Raum? Wie viele Parkplätze sind in Zentrumsnähe notwendig?“ Martin Kroißenbrunner ergänzt: „Man müsste Flächen umwidmen oder Parkflächen auflösen und die Oberflächen freibekommen für Radabstellplätze oder Flanierflächen.“ Larissegger mahnt: „Gewisse Standorte, wie die Messe, muss man von auswärts aber mit dem Auto erreichen können.“

Fahrgemeinschaften bilden

Auch stärker auf Fahrgemeinschaften und Car-Sharing zu setzen ist den Experten ein Anliegen. „Die meisten sitzen allein im Auto, das kann doch nicht sein“, sagt Kroißenbrunner. „Gerade kurze Wege unter drei Kilometer werden oft mit dem Auto zurückgelegt, da gibt es noch Potenziale. Auffallend ist, dass Männer zwischen 36 und 65 Jahren nicht so oft mit den Öffis fahren wie Frauen der Zielgruppe.“ Modelle wie TIM (Holding-Car-Sharing in Graz) sind gute Anfänge, die längerfristig ins Bewusstsein gehen würden.

Früh Bewusstsein schaffen

Die Bewusstseinsbildung ist ein Prozess, den alle befürworten.
„Besonders müsste man hier schon in der Schule anfangen. Wenn Eltern ihre Kinder bis vor die Schultür bringen, wie an einigen Standorten in Graz, dient das nicht dem guten Vorbild“, so Kahr. „Das Bewusstsein fängt früh an, auch der Respekt als Verkehrsteilnehmer muss gelernt werden.“

Ist-Zustand verbessern

Um dieses Bewusstsein bei den Erwachsenen zu wecken, braucht es auch dementsprechende Angebote. „Der Öffi-Fahrer schaut auf den Gesamteindruck, sprich, in welchem Zustand Haltestellen sind“, so Kahr. „Wir müssen in der Organisation besser werden: Man braucht am Smartphone integrative Haltestellen-Anzeigen, jeder Fahrplan von jedem Betreiber muss angezeigt werden, ob GUSTmobil oder ÖBB“, führt Gosch fort.

Auf die Radln

Ebenso der Radverkehr sollte stärker ausgebaut werden. „Radfahren sollte flächendeckend stattfinden, Lückenschlüsse müssen geschlossen werden“, sagt Kroißenbrunner. „Wir haben das Budget für den Radverkehr der Steiermark verdoppelt und erstellen gerade ein fünfjähriges Maßnahmenkonzept für Graz“, meint Reiterer dazu.

Keine Zersiedelung

Für die Zukunft äußert Reiterer den Wunsch: „Mehr Investitionen und Arbeitsplätze in den Regionen, wo Menschen wohnen. So haben wir auch weniger Pendler.“ Außerdem käme es dann zu keiner Zersiedelung, wenn auch regional eine gute Infrastruktur angeboten würde. Abschließend fasst Bernhard Inninger zusammen: „In zwanzig Jahren wünsche ich mir, dass alle ihre Hausaufgaben gemacht haben und wir nicht mehr über das Thema Mobilität so stark diskutieren müssen.“

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