Psychische Belastungen nehmen zu
Das Schweigen der Jugendlichen
Psychische Belastungen bei Jungen nehmen zu. Bezugspersonen sind gefordert, die Bedürfnisse ernst zu nehmen. Pater Ferdinand Karer vom Gymnasium Dachsberg und Adrian Kamper, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum-Standort Grieskirchen, im Gespräch.
GRIESKIRCHEN & EFERDING. "Ich habe in dieser Woche mehr als in den letzten beiden Jahren davor erlebt", erzählt ein Drittklässler seinem Sitznachbarn auf dem Weg vom Skikurs nach Hause. Denn tatsächlich haben insbesondere die Kinder und Jugendlichen unter der Corona-Pandemie und dem Wegfall des stabilen Lebensalltags gelitten. Wenn Pater Ferdinand Karer, Schulleiter des Gymnasiums Dachsberg in der Gemeinde Prambachkirchen, an jenes Gespräch von zwei seiner Schüler zurückdenkt, bekommt er Gänsehaut. Schweigsamer seien die Jungen in den vergangenen zwei Jahren geworden, so seine Beobachtung.
Flucht aus realer Welt
Stattdessen mehrt sich zusehends die Anzahl der Stunden, die Schüler in den Bildschirm ihrer Smartphones starren – und das lässt Kinder und Jugendliche noch mehr verstummen. Ein "Abdriften in eine virtuelle Welt" sieht Karer im sprunghaften Anstieg der Zeit, die in sozialen Medien verbracht wird, "weil die reale Welt schwieriger auszuhalten ist". Daher sind auch die Lehrer gefordert, auf Warnsignale zu achten. Ist ein üblicherweise aufgeweckter Schüler besonders zurückhaltend oder verliert eine Schülerin rasant an Gewicht, wird an die Schulpsychologin oder den Jugendcoach verwiesen. Das Angebot nehmen die Schüler jedoch nur zögerlich wahr. "Deshalb müssen wir als Schule darauf schauen, möglichst viel Gemeinsamkeit Stiftendes zu machen", betont Karer. So wurde etwa an mehreren Terminen im Frühjahr ein Musical aufgeführt, an dessen Realisierung bis zu 80 Schüler und Lehrer beteiligt waren. Ausgefallene Skikurse werden durch Gemeinschaftstage im Sommer ersetzt.
"Es geht weniger darum, versäumten Stoff, als vielmehr versäumte Gemeinschaftserlebnisse nachzuholen. Diese sind sinnstiftender als etwa die dass-Schreibung. Und das sage ich als Deutschlehrer."
Pandemie als "Booster"
"Bloßes Abwarten, Hoffen auf Selbstheilung und ähnliche Strategien sind keine geeigneten Reaktionen auf die gravierenden Probleme Kinder und Jugendlicher", warnt auch Adrian Kamper. Er ist Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die 2022 am Klinikum-Standort Grieskirchen errichtet wurde. Damit wollte man einem schon vor der Pandemie gewachsenen Bedarf nachkommen. Als "Booster psychischer Probleme und Krisen" sei die Pandemie dann erschwerend hinzugekommen, wie Kamper weiß. Nachrichten vom Ukraine-Krieg oder Klimakatastrophenszenarios erschweren den Blick in eine positive Zukunft zusätzlich.
Mehr Fälle von Magersucht
"Es zeigt sich eine heftige Zunahme an ausgeprägten Essstörungen im Sinne der Magersucht – oftmals in Kombination mit Selbstverletzungen, aber auch der hochgradigen Adipositas kombiniert mit mentalen Problemen", erzählt der Primar. Eltern rät er daher, auf ungewöhnliche Veränderungen im Alltagsverhalten zu achten sowie Äußerungen zu Ängsten, das Aufgeben geliebter Hobbys oder ungewohnte Aggression ernst zu nehmen.
"Unternehmen Sie etwas in der freien Natur und nutzen Sie den Humor als Ressource! Unterstützen Sie Bewegung und setzen Sie gemeinsam Projekte um!", empfiehlt Kamper. Im Umgang mit Jugendlichen gelte es, hartnäckig zu bleiben und notfalls Hilfe nach Hause zu holen. Die eigene Scham sollte einen nicht davon abhalten."
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